2015 hat der deutsche Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien um 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Vom gesamten Transaktionsvolumen in Höhe von 55 Milliarden Euro entfällt ein Anteil von 30 Prozent auf Einzelhandelsimmobilien. Hier verdoppelte sich das Transaktionsvolumen auf knapp 17 Milliarden Euro. Der Markt der Beteiligungsmodelle spiegelt diese Entwicklung: Die Einzelhandelsimmobilie ist eines der wenigen Assets, die nach Durchregulierung des Marktes wieder Tritt gefasst haben. fondstelegramm sprach mit Jörg Ritter von JLL und Uwe Hauch von ILG.

Einzelhandelsimmobilien hatten noch vor zehn Jahren eher Exotenstatus. Den Markt der Immobilieninvestments dominierten Büroimmobilien. Das hat sich sehr geändert. Woher kommt′s?

Jörg Ritter: Der wesentliche Grund für das anhaltend starke Investoreninteresse an deutschen Handelsimmobilien ist die nach wie vor überzeugende "Deutschland-Story". Im europäischen und auch internationalen Vergleich punktet Deutschland mit starken Fundamentaldaten und einem überzeugenden Makrobild.

Uwe Hauch: Der Gesamtumsatz des Einzelhandels ist in Deutschland besonders stabil. Von 2009 bis 2015 verzeichnete der Einzelhandel jährliche Umsatzsteigerungen von rund zwei Prozent.

Ist das nicht dem zunehmenden Onlinehandel geschuldet?

Jörg Ritter: Nein, wir verzeichnen steigende Einzelhandelsumsätze auch auf der Fläche, nicht nur im Onlinehandel.

Uwe Hauch: Die Stabilität der Einzelhandelsumsätze liegt zuerst einmal in der Tatsache begründet, dass man auf die Produkte des täglichen Bedarfs nicht verzichten kann. Wir brauchen sie schlicht, um in dieser Gesellschaft körperlich und sozial zu leben. Die Umsätze von Onlineanbietern haben mit der Stabilität der Einzelhandelsumsätze nichts zu tun. Der stationäre Handel wächst im Übrigen relativ und absolut.

Im Markt der Publikums-AIF ist die Einzelhandelsimmobilie derzeit ein sehr prominentes Asset. Aber auch einige Spezialvehikel für institutionelle Investoren setzen verstärkt auf sie.

Uwe Hauch: Strategische Handelsimmobilien, wie wir sie bezeichnen, zeichnet aus, dass ihre Standorte nicht beliebig vermehrbar sind. Sie haben langfristige Mietverträge mit großen filialisierenden Einzelhändlern, die in der Regel über sehr gute Bonitäten verfügen. Ein sehr wichtiger Aspekt ist die gute Bewertbarkeit des Standortes. Die Methoden des Einzelhandels zur Standortuntersuchung, -beurteilung und -entscheidung sind wissenschaftlich deutlich besser fundiert als zum Beispiel die Methoden zur Bürostandortbewertung. Als Resultat wird ein stabiler und relativ attraktiver nachhaltiger Cashflow erwirtschaftet, der in diesen Zeiten sowohl vom Privatanleger als auch inzwischen von den institutionellen Investoren sehr geschätzt wird.

Jörg Ritter: In Kombination mit dem anhaltend niedrigen Zinsniveau können Investoren bei niedrigen Risiken mit guten Returns kalkulieren. Zudem spielt der Diversifizierungsgedanke der Anleger eine wichtige Rolle. Diese wollen sich weniger bürolastig positionieren und die Abhängigkeit von alternativen Investmentmöglichkeiten reduzieren.

Der Platzierungserfolg des ILG 41 erinnert an Boomzeiten des Markts Mitte der 2000er Jahre. Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?

Uwe Hauch: In der Tat konnten wir die rund 50 Millionen Euro Eigenkapital in 3,5 Monaten platzieren. Eine sogar für uns überraschend schnelle Platzierung. An der Null-Zins-Politik der EZB und den volatilen Börsen kann es aber nicht wirklich liegen. Dann hätten ja alle Wettbewerber von dieser allgemeine Konjunktur für unsere Assetklasse profitieren müssen. Dies war leider aber nicht der Fall. Nein, es dürften ganz spezifische Gründe für die schnelle Platzierung verantwortlich sein. Einerseits liegen sie in dem konkreten Investitionsobjekt. Hier ein wunderbares innerstädtisches Shopping Center in Gummersbach mit einer herausragenden Architektur und einer eben solchen Mikrolage und andererseits haben wir durch unsere langjährige Arbeit einfach viele zufriedene Kunden. Bei diesem Fonds haben über 50 Prozent der Anleger bereits früher ILG Fonds gezeichnet. Unser guter Leumund und insbesondere bezüglich Einzelhandelsimmobilien sehr gute Leistungsbilanz tun ein Übriges. Letztlich erkennen immer mehr Berater und Anleger, dass es „auf den Koch ankommt und nicht auf die Speisekarte.“

Am Beteiligungen-Zweitmarkt sind die Fonds mit Einzelhandelsimmobilien die Rekordhalter. Möglicherweise sind die entsprechenden Fonds, die regelmäßig zu Kursen eines Vielfachen ihres ursprünglichen Nominalkapitals gehandelt werden, nicht repräsentativ. Auffallend ist es dennoch. Wie schätzen Sie das ein?

Jörg Ritter: Auch hier gelten die oben genannten Gründe: Handelsimmobilien weisen in der Regel einen längeren Lebenszyklus auf als etwa Büroimmobilien. Stimmen die Lage, das Einzugsgebiet und die wesentlichen weiteren Erfolgsparameter, sind sie besser kalkulierbar und mit Blick auf die Vermietbarkeit tendenziell risikoärmer. Voraussetzung hierfür sind natürlich stimmige Konzepte und zufriedene Mieter. Da besonders Top-Objekte nicht ohne weiteres duplizierbar sind, ergibt sich insgesamt eine gut erkenn- und absehbare Performance.

Uwe Hauch: Es ist richtig: Zweitmarktpreise von deutlich über 100 Prozent werden fast ausschließlich für Handelsimmobilienfonds bezahlt – meistens handelt es sich dabei um langjährig eingeführte, sehr große Handelsimmobilien. Die Vorteile sind hier zum Beispiel die regelmäßig sehr gute verkehrliche Erreichbarkeit, die große Anzahl der Parkplätze, die Aufenthaltsqualität und vor allem die Sortimentsgröße, was den Mietern – auch über Jahrzehnte – stetigen Umsatz sichert und deshalb zu einer guten Vermietbarkeit führt. Bei regelmäßiger Tilgung des Fremdkapitals und steigenden Mieteinnahmen führt dies zu sichtbaren Wertsteigerungen der Beteiligung – auch bereits vor dem Verkauf der Immobilie. Einer der elementaren Unterschiede zwischen großen Handelsimmobilen und anderen Immobilien ist, dass die Mieter der Immobilie zusammen eine Attraktivität und Magnetkraft schaffen, die ein einzelner Mieter bei Auszug verliert und die er auch nicht in vergleichbaren anderen Objekten in nächster Nähe neu schaffen kann. Bei welcher anderen Immobilie wird der Mieter beim Auszug mit massiven Umsatzverlust bestraft?

Einzelhandelsimmobilie ist nicht gleich Einzelhandelsimmobilie. Es gibt die im Zentrum gelegenen großen strategischen Handelsimmobilien – mitunter schmucke Paläste – und es gibt den schnörkellosen Zweckbau auf der grünen Wiese zwischen Hintertupfingen und Kleinwoltersdorf. Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

Jörg Ritter: Zunächst haben alle Retail-Assetklassen ihre gleichwertige Berechtigung. Trotz der unterschiedlichen Ausprägungen ist übergreifend eine überproportionale Nachfrage festzustellen, der ein unzureichendes Angebot gegenübersteht. Dies trifft auf Geschäftshäuser in den Toplagen, Shopping Center und Fachmarktprodukte ebenso zu, wie auf den "schnörkellosen Zweckbau auf der grünen Wiese".

Uwe Hauch: Grundsätzlich können beide Standorte erfolgreich sein. Dies hängt nicht zuletzt auch vom Makrostandort und von der Größe der Objekte ab. Die Veränderungsprozesse im Handel bestärken uns allerdings darin, unseren Fokus vorzugsweise auf sogenannte B-Standorte, zum Beispiel Langenhagen oder Gummersbach zu konzentrieren, und dort exponierte Innenstadtlagen für unsere Handelsimmobilien zu suchen beziehungsweise zu erwerben.

Jörg Ritter: Alle genannten Anlageklassen, auch die "auf der grünen Wiese" können das Etikett der Core-Immobilie tragen, wenn das Einzugsgebiet, die Kaufkraft und die Profilierung im Wettbewerbsumfeld stimmen. Natürlich weisen die Renditen Unterschiede auf, allerdings bei einem im Zweifel durchaus vergleichbaren Risikoprofil.

Uwe Hauch: Gerade innerstädtische Einkaufszentren mit hochwertiger Architektur und Ausstattung laden mit ihrer Aufenthaltsqualität und nicht zuletzt auch mit einem diversifizierten Gastronomieangebot zum Verweilen ein. Sie sind und werden immer mehr soziale Treffpunkte und damit integraler Bestandteil des innerstädtischen Lebens. Fachmarktzentren auf der sogenannten grünen Wiese sind insofern eher praktische Einkaufsmöglichkeiten die bei einem attraktiven Mietermix eine zeitsparende Möglichkeit darstellen, die unmittelbaren Konsumwünsche zu erfüllen.

Am 17. März hat Wirtschaftsminister Gabriel sich über die Entscheidung des Bundeskartellamts hinweggesetzt und die Fusion von Edeka und Kaisers/Tengelmann doch gestattet. Welche Konsequenzen wird das für den Markt im Allgemeinen und für Investments in Einzelhandelsimmobilien im Besonderen haben?

Jörg Ritter: Wettbewerbsrechtlich ist die jüngste Entscheidung durchaus kritisch zu sehen und die entschlossene Reaktion des Bundeskartellamtes hat dies mehr als deutlich gemacht.

Uwe Hauch: Der mit dem Ministerentscheid zwangsläufig einhergehende Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel wird sowohl für den Markt im Allgemeinen als auch für Vermieter und Investoren negative Folgen haben. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Auflagen des Ministerentscheides die vom Bundeskartellamt gesehenen und formulierten Bedenken kompensiert. In den hier besonders betroffenen Teilmärkten, wie zum Beispiel in München, Oberbayern und Berlin, wird es relativ schnell zu merkbaren Auswirkungen auf der Angebotsseite kommen.

Jörg Ritter: Fakt ist, dass die ohnehin schon oligopolistische Ausprägung dieses Marktes sicherlich nicht geringer werden wird. Die absehbar sinkende Wahlmöglichkeit der Verbraucher lässt sich auch auf den entsprechenden Immobilienmarkt übertragen. Die Verhandlungsposition der Nachfrageseite gewinnt tendenziell an Stärke. Auf der Eigentümer- und Investorenseite steigt der Druck, bei der Auswahl geeigneter Immobilien noch genauer zu prüfen, inwieweit eine nachhaltige Qualität des eigenen Portfolios sichergestellt werden kann.

Uwe Hauch: Es wird kurz über lang zu Filialschließungen kommen müssen, um Doppelbelegungen von Standorten zu beseitigen. Nicht zwangsläufig müssen das Tengelmann-Filialen sein, wenn diese besser positioniert sind als die Edeka-Filialen. Auch die Restlaufzeiten der Mietverträge spielen bei diesen Entscheidungen eine signifikante Rolle. Die hierdurch betroffenen Vermieter und Investoren werden Probleme bei der Weitervermietung dieser Flächen bekommen oder erhebliche Aufwendungen zu tragen haben, um eine Neuvermietung zu erreichen, insbesondere dann, wenn bereits alle noch verbliebenen Wettbewerber im Einzugsgebiet vertreten sind.

Jörg Ritter ist Mitglied im Management Board von JLL Deutschland Uwe Hauch ist Geschäftsführer der ILG Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH