Dr. Michael Bütter ist als neuer CEO und Sprecher des Vorstands der Corestate Capital Holding S.A. unter anderem für die Strategie der Corestate Gruppe, die internationale Expansion, M&A Aktivitäten einschließlich strategischer Investitionen und die Betreuung von Immobilieninvestoren und Kundenbeziehungen verantwortlich.

Sie bringen 20 Jahre Erfahrung im Bereich Immobilien mit. Bitte geben Sie uns eine Einschätzung zum derzeitigen europäischen Immobilienmarkt.
Michael Bütter: Der Wirtschaftsausblick ist sowohl für 2018 als auch für 2019 in weiten Teilen Europas äußerst positiv. In Deutschland gehen die Arbeitslosenzahlen nach wie vor zurück. Büroflächen werden in unseren Großstädten zu einem knappen Gut. Besonders gefragt sind dabei flexible Bürolösungen für eine immer flexibler werdende Arbeitswelt.
Dieser Trend hat auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Young Professionals, Projektmitarbeiter oder auch gutverdienende Singles suchen Wohnungen in den Metropolregionen: Zentral gelegen mit einer guten Infrastruktur und zusätzlichen Serviceleistungen. Dementsprechend boomen Serviced Apartments und andere Micro-Living Konzepte in Europas Großstädten.
Im Einzelhandelsbereich hat die Veränderung der Kaufgewohnheiten der Konsumenten einen massiven Strukturwandel eingeläutet. Randlagen, auch in größeren Städten, kämpfen mit Leerständen. Es konzentriert sich wieder alles klar auf die Innenstädte. Fußgängerzonen, auch in kleineren Städten, gewinnen vor allem durch die Ansiedlung von Gastronomie- und anderen Freizeitkonzepten ihre Attraktivität zurück.

Das heißt, die Preise in den Städten steigen weiter?
Michael Bütter: Trotz der allgemeinen Flächenverknappung in Großstädten erwarte ich, von Ausnahmen abgesehen, keine großen Preissprünge mehr. Die Immobilienwirtschaft steht auch in Europa in den nächsten 12-18 Monaten vor einer Trendwende – eingeleitet durch das sanfte Anheben des Leitzinses und der damit verbundenen zunehmenden Attraktivität anderer Assetklassen. Bis dahin bleibt der Anlagedruck seitens der Investoren allerdings weiter hoch, so dass trotz des Preisniveaus in den meisten europäischen Ländern weiterhin mit einer regen Transaktionsaktivität zu rechnen ist. Angesichts der zu erwartenden geringen und zurückhaltenden Anhebung des Leitzinses durch die EZB, werden die Marktteilnehmer weiter gute Renditen auf dem Immobilienmarkt erzielen.

Welche Regionen und welche Immobilienarten werden Sie in den kommenden Monaten besonders im Blick haben?
Michael Bütter: Unser Kernmarkt bleibt Deutschland, hier sind wir zu Hause und profitieren von unserem hervorragenden Netzwerk. Deutschland gilt zudem weiterhin als ‚sicherer Hafen‘ für Investoren mit einem langfristigen Anlagehorizont. Unsere Assetklassen wie zum Beispiel High Street-Einzelhandels-Immobilien, Büros und Micro-Living-Konzepte sind stark nachgefragt.
Im Bereich Studentenwohnen und Serviced Apartments sind wir bisher in der DACH-Region und Spanien aktiv, schauen uns aber auch Universitätsstandorte und Großstädte in anderen europäischen Ländern an.
Auch Büroinvestments tätigen wir in Gesamteuropa – und das über alle Risikoklassen hinweg. Wir mögen Objekte mit Wahrzeichencharakter, wie zum Beispiel das Royal Liver Building in Liverpool. Bei der Immobilie handelt es sich um eines der Three Graces im Hafen der Stadt, der Teil des Unesco-Weltkulturerbes Maritime Mercantile City ist. Wir planen gerade eine umfangreiche Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes.

Welche Investoren wollen Sie in den kommenden Jahren verstärkt ansprechen?
Michael Bütter: Im Prinzip alle. Unser Ziel ist es, unsere Kundenbasis insgesamt zu verbreitern. Zugleich gilt es, das Cross-Selling innerhalb der Corestate-Gruppe sowie unsere Internationalisierung aktiv voranzutreiben. Bei den institutionellen Investoren, die gerade in enger werdenden Märkten zunehmend unsere Qualität und Professionalität im Deal Sourcing und Asset Management erkennen, konzentrieren wir uns auf Europa und den Asien-Pazifik-Raum. Außerdem forcieren wir unsere Aktivitäten für vermögende Privatkunden und Family Offices in Deutschland und der Schweiz.

Sie sprachen davon, dass Corestate hervorragend positioniert sei, um den Konsolidierungsprozess der Branche weiter voranzutreiben. Was haben Sie vor?
Michael Bütter: Wir wollen weiter wachsen – organisch und anorganisch. Das Marktumfeld für anorganisches Wachstum ist gerade besonders günstig. Es gibt europaweit mehr als 90 Asset Manager mit einem Anlagevolumen von unter 10 Milliarden Euro. Gerade diese kleineren Asset Manager haben mit den hohen und immer weiter steigenden regulatorischen Anforderungen und Kosten zu kämpfen. Bis Ende dieses Jahres muss beispielsweise die neue AIFMD-Richtlinie implementiert werden. Die von uns erfolgreich etablierte Plattform bietet sich für eine weitere Konsolidierung des Marktes an. Wir halten deshalb Ausschau nach Unternehmen, die unsere Produktpalette ergänzen oder sinnvoll erweitern, Produkt- und Kostensynergiepotentiale und damit letztendlich Vorteile für unsere Kunden schaffen können.

Corestate hat im Jahr 2017 Hannover Leasing übernommen. Wie sehen Ihre Pläne im Bereich AIFs aus? Bleiben Sie dem Publikumsgeschäft treu?
Michael Bütter: Die Hannover Leasing ergänzt als komplementärer Asset Manager unser Geschäft. Das beinhaltet sowohl das Privatkundengeschäft als auch das Geschäft mit institutionellen Investoren. Für Privatkunden haben wir erst Anfang Mai einen neuen geschlossenen Publikums-AIF aufgelegt. Der Fonds investiert in eine neugebaute Hotel- und Büroimmobilie in Ulm. Der Vertrieb ist sehr gut angelaufen und wir rechnen mit einer schnellen Vollplatzierung – wahrscheinlich schon im zweiten Quartal. Weitere Fonds sind noch in diesem Jahr in Planung. Außerdem überlegen wir, die Assetklasse Wohnen auch für Privatanleger zugänglich zu machen. Wir bleiben dem Privatkundengeschäft also definitiv treu.

Wie gehen Sie mit den "Altlasten" der Hannover Leasing um, zum Beispiel den Medienfonds?
Michael Bütter: Obwohl wir uns dazu entschlossen haben, keine weiteren Medienfonds aufzulegen, sehen wir die Fonds nicht als Last. Sie haben durchaus positive Ergebnisse erzielt. Anlegern von Hannover Leasing Medienfonds wurde gerade erste ein Angebot zur Übernahme ihrer Beteiligungen unterbreitet, mit dem sie einen Gesamtrückfluss von bis zu 130 Prozent in Bezug auf die eigenfinanzierte Bareinlage erzielen können.

Dr. Michael Bütter ist CEO und Sprecher des Vorstands der Corestate Capital Holding S.A.