Am 3. August 2017 titelten wir ungewohnt martialisch „Beirat ringt Fondsgeschäftsführung nieder“. Der weitere Verlauf des Streits um Verkauf oder Weiterbewirtschaftung der Fondsimmobilie zeigt inzwischen jedoch, dass das noch untertrieben formuliert war. Über die Entwicklungen hat der Beiratsvorsitzende in einem Mailing an seine Mitgesellschafter anlässlich der Beschlussvorlage zur Zustimmung zum Kaufvertrag ausführlich informiert. Dabei tun sich Abgründe auf, die man in Hamburg, dem Epizentrum des Wölbern-Skandals, eigentlich für nicht mehr möglich gehalten hätte. Auch die Kanzlei CMS Hasche Sigle (CMS) bekleckerte sich in dieser Sache nicht mit Ruhm.

Intro. Während beim olympischen Ringen genaue Regeln gelten und beim Boxen die Anzahl der Runden in der Regel auf zwölf beschränkt ist, hatte die Auseinandersetzung zwischen Beirat und Fondsgeschäftsführung mehr und mehr den Charakter einer handfesten Schlägerei in einem Hamburger Hinterhof angenommen, bei der der Gewinner erst feststeht, wenn der Gegner blutend am Boden liegt. In dieser Auseinandersetzung prallten zwei Alphatiere aufeinander, die sich nichts schenkten und bis zum dann doch noch goldenen Ende für die Anleger vor der Kulisse von HGA München einen gnadenlosen Zweikampf führten.

Was danach geschah. So hart der Kampf beiderseits auch geführt wurde, die Anleger kürten schließlich den Beiratsvorsitzenden Arvid Schulze-Schönberg zum strahlenden Gewinner. Da hat es schon etwas von einem schlechten Verlierer, wenn Jörg-Karsten Hagen dem Sieger erst mit „schwülstigsten Zeilen“ gratuliert, um ihm anschließend mit der juristischen Keule von hinten eins überzuziehen und ihn vor Gericht zu zerren. Aber dazu später.

Ausgangssituation. Hier lieferten sich zwei Männer einen gnadenlosen Wettkampf, die kaum unterschiedlicher seien könnten. Auf der einen Seite der Bewahrer Hagen, der nach Stationen als Assistant Manager bei KPMG im Mai 2008 zur HGA-Capital stieß und dort 2012 Geschäftsführer wurde. Doch anstatt über die KAGB-Brücke das Unternehmen in den weißen Markt zu führen, führt Hagen seit Jahren Rückzugsgefechte, und jede weitere Fondsauflösung lässt seine berufliche Zukunft unklarer werden. Auf der anderen Seite der Herausforderer Arvid Schulze-Schönberg, der Ex-Angestellte der Commerz Real und heutige Privatier, der in seinem gesamten beruflichen Nachstudiumslebenslauf ab 2004 nichts anderes gesehen hat als Emissionshäuser, Kapitalanlagesellschaften und die Reederei Blumenthal, über die vor zwei Jahren "Die Zeit" unter dem Titel „Mit allen Wassern gewaschen“ schrieb, ein Titel, der auch für Schulze-Schönberg passen würde.

Unterschiedliche Kampf-Strategien. Während Bewahrer Hagen die ganze Zeit nach außen hin auffällig passiv blieb und alles versuchte, jede direkte Konfrontation zu vermeiden, etwa bei einer Beiratssitzung oder einer Präsenzveranstaltung anlässlich der Beschlussfassung zum möglichen Verkauf, agierte er nach innen umso aggressiver, Stichwort Verfremdung eines Beschlussantrags und Last-Minute-Verfügung. Herausforderer Schulze-Schönberg provozierte hingegen von außen deutlich vernehmbar, ließ keine Möglichkeit aus, den Ton lauter zu stellen und seinen Kontrahenten zum Schlagabtausch aufzufordern.

Kampfverlauf. Die Keimzelle der Auseinandersetzung war Anfang des Jahres 2017 ein Telefonat zwischen den Kontrahenten bezüglich der künftigen Strategie bei der es zu massiven Meinungsverschiedenheiten kam (Runde 1). Sie dürften unüberbrückbar gewesen sein, denn mit seinem ersten Schreiben vom 14. Februar 2017 ging Herausforderer Schulze-Schönberg zum Angriff über und gab damit die Marschrichtung vor (Runde 2). Sein vierseitiges Schreiben, in dem er die Anleger auffordert, für einen zeitnahen Verkauf zu stimmen oder ihm die Vollmacht dazu zu übertragen, war zwar alles andere als kurz, hielt aber von Anfang bis zum Ende die emotionale Spannung und vermittelte auch jenen, die mit der Materie nicht vertraut waren, das unmissverständliche Gefühl, dass Gefahr im Verzug ist und ihre Hilfe gebraucht wird.
Schon diese erste harte Rechte hat Bewahrer Hagen ins Taumeln gebracht. Benommen machte ihn vor allem, dass Schulze-Schönberg binnen drei Wochen Vollmachten über 20 Prozent des Gesellschaftskapitals hatte (Runde 3) und kurz darauf sogar für mehr als die Hälfte. Taktisches Stellungsspiel: Nach diesem Schlag verzichtet Schulze-Schönberg zunächst auf weitere Angriffe. Stattdessen legte er am 9. März 2017 zusammen mit einem Beschlussantrag einen Zeit- und Fahrplan für die Entscheidung zwischen Fortführung der Objektbewirtschaftung und Verkauf der Immobilie vor (Runde 4).
Gewissermaßen mit den eigenen Waffen – Transparenz und Anlegerdemokratie – geschlagen, ergänzte Bewahrer Hagen kurzerhand die Beschlussfassung um eine Art Disclaimer (Runde 5). Damit deutete er den Antrag auf Beschlussfassung zu einer unverbindlichen Meinungsumfrage um, anstatt die Beschlussanträge zur Abstimmung zu stellen, obwohl dem Beirat schon mehr Vollmachten vorlagen als für das Quorum erforderlich. Ein Ergebnis dieser "Umfrage", zu der der Beschlussantrag entstellt wurde, wurde bezeichnenderweise bis heute nicht offiziell mitgeteilt. Stattdessen bekam der Beirat auf seiner Sitzung (Runde 6), die Teil des Zeitplans im Beschlussantrag war, nur einen internen Ausdruck, wonach die Zustimmungsquote bei über 98 Prozent lag. Hagen war nicht zugegen.
Herausforderer Schulze-Schönberg kontert mit Schreiben vom 8. Juni 2017 (Runde 7), in dem er die Vorkommnisse der vergangenen Wochen als „Chaos-Tage im Mai" schildert und die Anleger um ein hartes Mandat bittet, um den Druck auf die HGA erhöhen und „Waffengleichheit“ zu schaffen, insbesondere was die Möglichkeit betrifft unabhängige Anwälte auf Kosten der Gesellschaft zu beauftragen und einen zusätzlichen Makler einzuschalten zu können. Auch thematisiert er in diesem Schreiben verbale gesellschaftsvertragliche Entgleisungen des Fondsmanagers Oliver Scholtz gegenüber einem Anleger, die später noch im Mittelpunkt der Last-Minute-Verfügung gegen ihn stehen werden.

Bewahrer Hagen geht in die Offensive. Mit einer 8-prozentigen Blitzausschüttung und einer mit dem Beirat nicht abgestimmten Beschlussfassung zu Fortführung oder Verkauf wollte Bewahrer Hagen das Heft des Handelns zurückgewinnen und verpasste Herausforderer Schulze-Schönberg einen linken Haken (Runde 8). Der taumelte kurz, fing sich aber rasch wieder und holte zum Gegenschlag aus: In wenigen Sätzen – in vorausgegangenen Schreiben war er noch nicht so prägnant – zerlegte er die von der Fondsgeschäftsführung vorgeschlagene Beschlussfassung: Sie verschweige Risiken und unterschlage fällige Steuerzahlungen (Runde 9).

Last-Minute-Verfügung. Scheinbar war sich Bewahrer Hagen seiner Sache zu sicher, denn die ersten Hochrechnungen sahen nicht ihn, sondern den Herausforderer Schulze-Schönberg vorne. Doch im Gegensatz zu einem fairen Sportler, der eine Niederlage akzeptieren kann, strengte er gegen seinen Widersacher über die Kanzlei CMS eine anwaltliche Abmahnung wegen falscher Tatsachenbehauptung und eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung an – eine Woche vor Ende der Beschlussfassung (Runde 10).
Auch dieser Versuch, im Endkampf um das Abstimmungsergebnis noch die Wende herbeizuführen, scheiterte, denn Herausforderer Schulze-Schönberg dachte gar nicht daran, sie zu unterschreiben (Runde 11) und kam mit der kleinen aber feinen Anwaltskanzlei Klein zur nötigen Schlagkraft, um erst bei der Abstimmung zu bestehen (Runde 12) und später vor Gericht gegen die Großkanzlei CMS den sofortigen Rückzug der einstweiligen Verfügung zu erzwingen.

Show-down ohne Glamour in der 13. Runde vor Gericht. Hagen schreibt an Schulze-Schönberg: "Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz, diesen Beschluss möglich zu machen. Ohne diesen Einsatz wäre die Erzielung der notwendigen Mehrheit und der sich jetzt anschließende Verkauf wohl nicht möglich gewesen" und zieht vor Gericht, um eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken. Sportlich ist anders. Das sah wohl auch das Gericht am 31. August 2017, vier Wochen nach der Verkündigung des Abstimmungsergebnisses, so und wies den Antrag schon nach einer ersten Verhandlung ab. Gewissermaßen die Höchststrafe für die renommierte CMS, die gleich mit zwei Anwälten samt Assistentin auf Anlegerkosten angerückt waren. Ungeklärt bleibt, ob der Disclaimer und die Last-Minute-Verfügung die Idee von Bewahrer Hagen waren.

Der Kaufvertrag, der einen Rückfluss an die Anleger in Höhe von 223 Prozent sicherstellt, ist durch den Streit ganz in den Hintergrund gerückt. Dabei hätte es eine echte Erfolgsgeschichte für den geschlossenen Immobilienfonds sein können. Eine Fondsimmobilie, die eine schiefgegangene Schweizer Franken-Spekulation gut übersteht, zwei erfolgreiche Mietvertragsverlängerungen schafft und am Ende zu einem Fabelpreis verkauft werden kann, das gab es bisher noch nie. Allenfalls US-Immobilien von Ideenkapital oder Jamestown schafften Erlöse von über 200 Prozent für Fonds, die in diesem Jahrtausend aufgelegt wurden. Nachdenklich stimmt, dass keiner so recht jubeln mag. Der Hauptgrund dürfte, neben der eigentlichen Auseinandersetzung, das Gefühl sein, dass es der HGA beinahe gelungen wäre, die Anleger abzuspeisen. Der jetzt erzielte Exit mit einem Faktor von 26 und 103,3 Millionen Euro übertrifft den damals von Bewahrer Hagen in Aussicht gestellten Rückfluss um das sage und schreibe 2,85-Fache.

Was bleibt? Leider erst einmal die paradoxe Enttäuschung über einen goldenen Exit und eine vertane Chance, mal einen Gegenpool zu ständigen Negativschlagzeilen bei geschlossen Fonds zu schaffen. Aber auch die Erfahrung, dass ein engagierter und professioneller Beirat das Ruder rumreißen kann.

Ein goldener Exit für die Anleger über den sich im ersten Moment keiner freuen mag, am wenigsten Herr Hagen selbst.