Studie. Neben dem verdienstvollen Retail Real Estate Report der Hahn-Gruppe, der seit über zehn Jahren erscheint, gibt es seit vergangenem Jahr und inzwischen in der zweiten Auflage auch von der ILG-Gruppe eine Studie zum Markt des Einzelhandels und seiner Immobilien. Sie heißt "Der Mieter im Fokus. Handelsimmobilien neu denken" und entsteht in Zusammenarbeit mit der Berlin Hyp und BBE, einer Unternehmensberatung für den Handel.

Volumina. Mit 470 Milliarden Euro Umsatz hat der Umsatz im deutschen Einzelhandel 2015 ein neues Rekordniveau erzielt. Etwa 10 Prozent davon entfallen auf den Online-Handel.

Trends. Das Gesamtbild ist wesentlich durch die zunehmende Bedeutung des Online-Handels geprägt: Seit 2009 nimmt der Anteil reiner Online-Händler stark zu, in den vergangenen Jahren konnten jedoch Online-Shops stationärer Händler wieder Marktanteile zurückgewinnen. Die Unterschiede verschwimmen. So gehen nicht nur stationäre Händler online, auch die bisherigen Pure-Player eröffnen stationäre Niederlassungen wie etwa Zalando oder Amazon. Händler betreuen mehr und mehr ihre eigenen Internetplattformen mit Zusatzservices, um neue Kunden zu finden und alte zu binden und optimieren ihre Schnittstelle zu Smartphones, denn 60 Prozent der 18- bis 34-Jährigen werden ihre Weihnachtseinkäufe per mobilem Endgerät erledigen. Weil sich aber gezeigt hat, dass Online-Händler ohne eine Ladenpräsenz in real life ab einer bestimmten Umsatzschwelle keine weiteren Marktanteile mehr gewinnen, wurden so genannte Connect-Konzepte entwickelt: Betreiber regelmäßig sehr großflächiger Läden tun sich schwer in attraktiven Innenstadtlagen. Sie mieten – wie zum Beispiel Saturn in Köln und Trier – sehr viel kleinere Flächen in besten Lagen an und konzentrieren ihr Angebot, bieten aber das vollständige Online-Sortiment und dienen als Abholstation für online bestellte Artikel.

Zukunftsthemen. In naher Zukunft wird es möglich sein, sich zum Beispiel Möbel aus dem Katalog in 3D ins Wohnzimmer projizieren zu lassen oder sich mit einer Datenbrille zum richtigen Regal im Supermarkt führen zu lassen. An entsprechenden technischen Lösungen wird bereits ernsthaft und mit ersten Erfolgen gearbeitet. Dergleichen technische Entwicklungen sind im Kontext damit zu sehen, dass die nachwachsende Konsumentengeneration sich weniger am Preis als vielmehr an Erlebnisqualität orientiert. Die Notwendigkeit, Shopping-Erlebnisse zu vermitteln, wird insbesondere auf die Ausstattung und den möglichen Umbau des stationären Einzelhandels Auswirkungen haben.

Lebensmittel. Der Anteil, den private Haushalte für Lebensmittel ausgeben, ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen und beträgt inzwischen fast 20 Prozent. Bezogen auf den Einzelhandelsumsatz ist der Lebensmittelanteil mit 36 Prozent noch größer. Der Lebensmittelhandel ist durch zwei Konzentrationsbewegungen gekennzeichnet. Zum einen machen immer weniger Filialen immer mehr Umsatz, zum Anderen machen 5 große Konzerne 90 Prozent des Umsatzes. Discounter sind mit 43 Prozent Umsatzanteil der stärkste Betriebstyp. Auch und gerade im Lebensmittelhandel gilt, dass zunehmend die Qualitätsorientierung an die Stelle der Preisorientierung tritt und dass es um Aufenthalts- und Erlebnisqualität für den Kunden geht.

Lebensmittel online. Alle großen Anbieter haben bereits einen Online-Shop. Edeka und Rewe sind bislang die einzigen mit einem eigenen Lieferservice, die andere bedienen sich externer Paketdienste. Einstweilen ist die Skepsis der Kunden im Hinblick auf individuelle Auswahl und Frische, insbesondere was die Geschlossenheit der Kühlkette betrifft, noch groß. In Großbritannien und in den USA ist es bereits viel üblicher, auch Lebensmittel online zu kaufen. In Großbritannien sind es bereits 5 Prozent des Umsatzes, in Deutschland einstweilen gerade mal 1 Prozent. Das wird sich allerdings ändern, die Prognosen gehen davon aus, dass in 10 Jahren im deutschen Lebensmitteleinzelhandel etwa 10 Prozent des Umsatzes online gemacht wird. Einstweilen wird auch mit gekühlten und verschließbaren Abholstationen experimentiert. Der Online-Handel mit Lebensmitteln steckt noch in den Kinderschuhen. Die Ankündigung von Amazon, unter dem Label Amazon-Fresh in den Markt einzusteigen, könnte das ändern, wenn es Amazon gelingt ihre Zielgruppen-Algorithmen aus dem Non-Food-Bereich auf Lebensmittel-Kaufgewohnheiten zu übertragen.

Immobilien-Nachhaltigkeit. Gesetzliche Regulierung und ein verändertes Umweltbewusstsein haben nicht nur Einzug ins Bewusstsein gehalten sondern haben sich zum Erfolgsfaktor entwickelt. Das "Green Building" ist zum Wettbewerbsvorteil geworden. Verbesserte Dämmung erhöht nicht nur die Umweltfreundlichkeit einer Immobilie, sondern senkt auch ihre Bewirtschaftungskosten und steigert ihren Marktwert. Nachhaltig gebaute Immobilien – das trifft auch für Einzelhandelsimmobilien zu – lassen sich besser vermarkten. Das spielt auch zunehmend bei der Finanzierung eine wesentliche Rolle. Wer nachhaltig baut, bekommt in der Regel bessere Kreditkonditionen.

Händler-Befragung. Der Einzelhandel ist in beständiger Veränderung. Das Konsumverhalten verändert sich immer schneller und erfordert immer größere Flexibilität seitens der Händler. Das tangiert natürlich auch das Verhältnis zwischen dem Einzelhändler als Mieter und den Betreibern und Eigentümern von Einzelhandelsimmobilien. Die Befragung als Teil der ILG-Studie orientiert sich an den folgenden Leitfragen. Wie sehen Standorte und Konzepte der Zukunft aus? Wie reagieren Mieter auf die Herausforderungen des Multi-Channel-Zeitalters? Welche Rollen spielen Asset- und Property-Management für den Erfolg einer Handelsimmobilie in der Zukunft? Dem Fachmarkt und insbesondere Fachmarktzentren, die Kopplungspotenziale heben können, werden hohe Beliebtheit attestiert. Der Unterschied in der Qualität, eine Handelsimmobilie zu managen, liegt in der Kenntnis nicht nur des Objekts, sondern auch des Standorts, seines Umfelds, allgemeiner Trends und Entwicklungen aber vor allem in der Kenntnis der Mieter und ihrer Bedürfnisse. "Hier muss der Manager flexible Lösungen bieten und mit den Mietern einen gemeinsamen Weg gehen. Dies ist nur möglich, wenn die notwendige Nähe zu den Mietern da ist. Mieter bringen neue Ideen, fähige Manager bringen gute Lösungen", heißt es in der Studie. Während Lebensmittelanbieter auch Solitärstandorte in Betracht ziehen, gelten im Non-Food-Bereich das gemanagte Fachmarktzentrum und das Shopping-Center als beliebte Standorte. Lebensmittelanbieter sind auch die beliebtesten Ankermieter, gefolgt von Drogerien, weshalb sich die beiden als Kopplungspartner besonders empfehlen. Die Beliebtheit von Textil- und Baumärkten als Ankermieter hat gegenüber einer ähnlichen Befragung im Vorjahr abgenommen.
Anders als man vielleicht erwarten würde, wird die Auswirkung des zunehmenden Online-Handels auf die Entwicklung der Verkaufsflächen beurteilt. Während fast die Hälfte von einem gleichbleibenden Flächenbedarf ausgeht, nimmt der Anteil derjenigen zu, die einen erhöhten Flächenbedarf sehen. Die Online-Herausforderung hat den stationären Handel gezwungen, sich mit veränderten Konzepten und einem veränderten Selbstverständnis neu zu positionieren. "Es scheint, als habe der stationäre Handel keine Angst mehr vor dem Online-Handel und die Wichtigkeit eines Multi-Channel-Ansatzes erkannt."
Vor allem bei zwei Management-Leistungen klaffen Wunsch und Wirklichkeit besonders auseinander. So wird das Wissen um individuelle Mieterbedürfnisse und die Fähigkeit, Lösungen auf sie abzustimmen als besonders wichtig erachtet, wie das bisher jedoch auch anzutreffen war und umgesetzt wurde, das stimmte die Mieter eher unzufrieden.

Die Studie wird als pdf auf den Homepages der drei Herausgeber, ILG, Berlin Hyp und BBE zum kostenlosen Download angeboten.