Neue Geschäftsmodelle. Während das Internet aufgebaut wurde, um Informationen auszutauschen, wird eine Blockchain und die dahinterliegende Distributed-Ledger-Technologie (DLT) aufgebaut, um Vermögen, Werte und Rechte auszutauschen. Zum Austausch solcher digitalen Inhalte werden so genannte kryptographische Token eingesetzt. Die Token werden einer bestimmten Blockchain zugeordnet. Ihnen sind bestimmte Eigenschaften über so genannte „Smart Contracts“ zugewiesen. Sämtliche Übertragungen von Token erfolgen innerhalb der spezifischen Blockchain und sind für jedermann einsehbar, nachvollziehbar und damit transparent. Dies führt zu mannigfaltigen Anwendungsfällen und damit zu neuen Geschäftsmodellen.

Die Innovation des Initial Coin Offerings. Der Begriff des Initial Coin Offerings (ICO oder auch Initial Token Offering – ITO genannt) ist eine Wortschöpfung, die sich an den englischen Begriff für einen Börsengang, das so genannte Initial Public Offering (IPO) anlehnt. Allerdings werden bei einem ICO keine Aktien ausgegeben, sondern Token mit unterschiedlichen Rechten, über die der Emittent vorab entscheidet. Mit ICOs entwickelt sich eine neue Form von Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Allein in diesem Jahr sind bis Ende Juli 2018 weltweit 14,3 Mrd. USD mittels ICOs eingesammelt worden.
Wurden ICOs in den Anfängen vor allem als Instrument von jungen, innovativen Unternehmen genutzt, befassen sich heute immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen (ein Beispiel unter vielen: https://cyo-token.com) mit der Form dieser Finanzierung. Bei den ausgegebenen Token kann es sich um so genannte Utility Token handeln, die dem Inhaber einen Anspruch auf die zukünftige Nutzung bestimmter (meist noch nicht existenter) Dienstleistungen oder auf den Erwerb von Produkten des Emittenten vermitteln. Security Token hingegen sind Investmentprodukte, die Eigen- beziehungsweise Fremdkapitalkomponenten aufweisen oder dem Inhaber auch echte Gesellschafterrechte zuweisen können. Tatsächlich ergeben sich die jeweiligen Rechte nicht unmittelbar aus dem Token, sondern der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Emittenten und dem Erwerber.

Der Token fungiert als eine Art Legitimationszeichen, der mit den entsprechenden Rechten derart verknüpft ist, dass eine Rechteausübung nur durch den Tokeninhaber möglich ist. Der Token – obwohl kein Schriftstück – ähnelt in seiner Funktion damit stark einer Urkunde, bei der Leistungen nur an deren Inhaber erfolgen. Die Innovation liegt in der Verknüpfung der (oft wenig fungiblen) Vermögens- oder Wertrechte mit dem kryptographischen Token. Denn Token sind höchst fungibel und werden bereits heute auf Handelsplattformen für Kryptowährungen und Token zwischen Marktteilnehmern gehandelt. Die Handelbarkeit der Token schafft so – aufgrund der Koppelung mit den entsprechenden Rechten – eine Fungibilität und einen Marktplatz für die Übertragung und den Handel von Ansprüchen/Rechten, die es bislang so nicht gegeben hat. Illiquide Assets können auf diesem Wege liquide gemacht werden.

Token als Wertpapiere. Mit dieser Innovation verknüpft ist die Frage der aufsichtsrechtlichen Einordnung der Token. Der Token ist dabei nie isoliert zu betrachten, sondern stets gemeinsam mit den dadurch eingeräumten Rechten. Die Einordnung als Wertpapier liegt bei Token, die Investment-Komponenten aufweisen, durchaus nahe. Denn die Übertragbarkeit und Handelbarkeit, die bei der „Tokenisierung“ von Rechten im Fokus steht, ist notwendige Voraussetzung für die Qualifikation eines Investmentprodukts als Wertpapier. In Deutschland hat die Aufsicht (BaFin) sich bislang lediglich dahingehend geäußert, dass „im Einzelfall“ eine Einordnung eines Token als Wertpapier möglich ist (BaFin, Hinweisschreiben zur Einordnung von ICOs vom 20. Februar 2018, abrufbar im Internet unter www. bafin.de.

Die Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung, Dorothee Bär, postete unlängst auf Twitter, Token dürften nicht als Wertpapiere eingeordnet werden. Die Begründung für ihre Aussage: Damit würde die Innovation der Blockchain Entwicklung in Deutschland stark beschränkt. Es entfesselte sich – aus unserer Sicht zu Recht – daran ein interessanter Meinungsdialog. Denn andersherum wird ein Schuh daraus. Werden einem Anleger mittels eines Token Rechte vermittelt, die denen eines Wertpapiers entsprechen, muss auch ein solcher Token als Wertpapier qualifiziert werden. In der Regel ist damit die Verpflichtung verbunden, einen Wertpapierprospekt zu veröffentlichen. Der Vertrieb solcher Security-Token ist zudem häufig erlaubnispflichtig. Dies hindert aber nicht die Entwicklung der Blockchain. Im Gegenteil, sie fördert sie. Eine klare Zuordnung von Token zum Wertpapierbegriff würde Klarheit und einen validen Rechtsrahmen in Deutschland schaffen. Tatsächlich herrscht innerhalb Europas ein starker Wettbewerb um die besten Rahmenbedingungen für ICOs. Liechtenstein beispielsweise hat die Vorlage eines Blockchain-Gesetzes angekündigt. In Deutschland kam im aktuellen Koalitionsvertrag das Wort Blockchain immerhin sechs Mal vor. In der europäischen Union gilt jedenfalls der europäische Wertpapierbegriff, weshalb eine innerhalb der EU einheitliche aufsichtsrechtliche Behandlung von ICOs zwingend erscheint.

Sachwerte und ICOs - best of both worlds. Das Angebot von Fondslösungen zur Investition in Krypto-Assets, aber auch von Krypto-Währungen in Sachwerte, ist bisher weitestgehend unbesetzt. Der Markt ist riesig. Allein die Tatsache, sich mit der Öffnung von Immobilien-AIF für Krypto-Währungen ein Volumen in dreistelliger Milliardengröße erschließen zu können, sollte Konzeptionäre und Vertriebler nachdenklich machen. Zudem ist die Gruppe der „Krypto-Millionäre“ jung. Deren „Währung“ sucht Anlagen. Investitionen in Sachwerte sind für Anleger in verschiedenen Formen möglich. Als Direktinvestment, nachrangige Darlehen, Schuldverschreibungen oder in Form von Investmentvermögen. Allen mittelbaren Anlageformen ist gemein, dass der Anleger Kapital gibt, einen Zins beziehungsweise eine Rendite erwartet und eine Rückzahlung seines Kapitals. Bekannte Anlageformen wie offene oder geschlossene Immobilieninvestmentvermögen haben den Nachteil, dass ihre Anteile nur eingeschränkt handelbar sind. Anteile an offenen Fonds können nur unter Beachtung von bestimmten Fristen einmal im Jahr zurückgegeben werden. Die Rückgabe von Anteilen an geschlossenen Investmentvermögen ist konzeptuell nicht vorgesehen. Ein Zweitmarkt ist vorhanden, aber der Übertragungsprozess ist aufwändig und die Liquidität des Marktes begrenzt. Dem gegenüber steht das häufig anzutreffende Interesse vieler Investoren, auch während der Laufzeit ihre Anteile zu handeln. Die Blockchain-Technologie und ICOs eröffnen für Sachwertinvestitionen genau diese Möglichkeit, wenn die Anteile am Investmentvermögen mit kryptographischen Token verbunden werden. Die Transferhistorie der Token ist auf der Blockchain für den Emittenten jederzeit nachvollziehbar.

Das ist erst der Anfang. Die Blockchain-Technologie und ICOs stehen noch ganz am Anfang. Die damit verbundenen Fragen sind längst nicht abschließend geklärt. Maßgeblich geht es dabei um die Frage, welche regulatorischen Anforderungen mit einem ICO für den Emittenten verbunden sein sollen. Ein Sonderrecht für ICOs darf es nicht geben. Das bedeutet aber auch, dass kein Grund besteht, Investment-Token gegenüber klassischen Anlageprodukten zu benachteiligen. Das deutsche Aufsichts- und Zivilrecht muss technikneutral sein. Dies ist nicht der Fall, zum Beispiel in den Fällen, in denen Schriftform- oder Urkundenerfordernisse bestehen. So bedürfen Inhaberschuldverschreibungen (Anleihen) nach ihrem gesetzlichen Leitbild noch immer einer schriftlichen Urkunde, die in der Regel bei der Clearstream Banking AG als Zentralverwahrer hinterlegt ist. Mit dem dezentralen Ansatz der Blockchain ist dies schwer vereinbar. So muss man bei einem ICO derzeit noch auf solche Anlageprodukte ausweichen, die auf ein solches Urkundenerfordernis verzichten, wie beispielsweise die Namensschuldverschreibung, bei der die Verbriefung ausgeschlossen werden kann. Die ersten Konzepte für tokenisierte Sachwertfonds sind geschrieben. Insofern lohnt es schon heute, sich Gedanken über die Nutzbarkeit von Token und ICOs für Asset-Manager und zur Kapitalanlage zu machen. Ein Sachwert-ICO ist rechtlich gestaltbar. Technisch allemal.

Eric Romba und Dr. Robert Oppenheim sind Rechtsanwälte in der Anwaltskanzlei lindenpartners in Berlin.

Der Beitrag ist ein Auszug der Fondszeitung 3/2018. Die Ausgabe kann als kostenfreies Exemplar beim Verlag bestellt werden.