Das Stiftungswesen befindet sich in einer enormen Umbruchsphase. Während immer mehr neue Stiftungsgründungen vermeldet werden, leiden die bestehenden Stiftungen an der Nullzinspolitik der EZB. Neue Wege müssen her. Vor welchen Herausforderung steht der Dritte Sektor? fondstelegramm sprach mit Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen.

Inwieweit hat sich die Stiftungslandschaft verändert?
Felix Oldenburg: Stiftungsengagement- und handeln in Deutschland ist weiterhin vielfältig und dynamisch. Was sich verändert hat, ist der zunehmende Handlungsdruck auf Grund der Niedrigzinsphase, ein anstehender Generationenwechsel in vielen Stiftungsgremien und wachsende inhaltliche Aufgaben für Stiftungen, beispielsweise im Rahmen der Integration von Geflüchteten oder durch eine wachsende Radikalisierung der Debattenkultur.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Dritten Sektor?
Felix Oldenburg: Ich sehe drei Kernherausforderungen. Zum einen müssen wir die Niedrigzinsphase nutzen, um kritisch unser eigenes rein auf Ertrag ausgerichtetes Stiftungsmodell zu überdenken. Vermögen und Stiftungszweck können und sollten stärker zusammengedacht und -gebracht werden. Das macht uns krisenunanfälliger und streut Risiko. Zum anderen sehe ich Handlungsbedarf bei einer Öffnung des Sektors für die nächste Generation von Philanthropen und Engagierten. Wir müssen bunter, jünger und transparenter werden. Und drittens, macht mir der Blick über die Landesgrenzen Sorgen. In immer mehr Ländern wird die Freiheit zivilgesellschaftlicher Organisationen eingeschränkt. Das Thema dürfen wir nicht ausblenden.

Ist das Bonmot „Keine Rendite ohne Risiko“ bei den Mitgliederstiftungen angekommen? Will sagen, wie haben sich die Stiftungen gegen Null- und Negativzinsen gewappnet?
Felix Oldenburg: Das Thema bewegt die Stiftungsszene, vor allem kleine und mittlere Stiftungen spüren wachsenden Druck. In Zeiten, in denen aber auch bei größeren Stiftungen festverzinsliche Anlagen auslaufen, wird es auch ein Thema für die großen Player. Immer mehr Stiftungsverantwortliche informieren sich und merken, dass sie sich nicht mehr länger aus Vermögensfragen raushalten können und es gemütlich an ihre Hausbank delegieren können. Mehr Wissen, mehr Mut und mehr Vernetzung werden Stiftungen helfen, gut durch diese anspruchsvolle Phase zu kommen. Keine Frage, ich sehe Handlungsbedarf, aber wir sind auf einem guten Weg. Mit unserem neuen Schwerpunkthema „Kapital & Wirkung“ im Bundesverband begleiten wir unsere Mitglieder auf dem Weg zu mehr Wirkung trotz weniger Ertrag. In dieser Phase steckt eine gewaltige Chance.

"Kapital & Wirkung" fasst zusammen was bisher unter "Mission Investing" und "Impact Investing" diskutiert wurde. Welche Bedeutung kommt der Diskussion zu und worum geht es im Kern?
Felix Oldenburg: Die Bedeutung wächst. Auch wenn Stiftungen ihre Vermögensstrategie nicht unbedingt mit diesen Begriffen betiteln würden, spielt eine Verknüpfung von Stiftungszweck und Vermögen für immer mehr Stiftungen eine Rolle. Ich sehe in diesem Bereich noch viel Potential. Wir stehen am Anfang einer Veränderung des Sektors, hin zu mehr Wirkung auch auf der Vermögensseite.

Welche Rolle spielt die Immobilie als Bestandteil eines durchschnittlichen Stiftungsvermögens? Nimmt der Anteil von Immobilien-Assets zu, wenn die Vermögen größer sind? Oder anders gefragt: Ab welcher Größenordnung eines Stiftungsvermögens sollte auf jeden Fall auch eine Immobilieninvestition dabei sein?
Felix Oldenburg: Schon für kleinere Stiftungen lohnt es sich, verstärkt auch in Sachwerte zu investieren. Wenn Stiftungen mit anderen kooperieren und gemeinsam Projekte stemmen, ist das auch mit kleineren Budgets möglich. Größere Stiftungen haben schon länger erkannt, dass es sinnvoll ist, das eigene Portfolio auch durch Investitionen in Immobilien zu ergänzen. Doch wie überall im Leben gilt auch hier: Man sollte nicht alles auf eine Karte setzten. Eine kluge und zeitgemäße Vermögensstrategie zeichnet sich durch Vielfalt und Wirkungsorientierung aus.

Welche Ziele verfolgen Sie als Verband für das Jahr 2017?
Felix Oldenburg: Das lässt sich auf den Punkt bringen: Mehr Wirkung! Durch unseren neuen Themenschwerpunkt „Kapital & Wirkung“ begleiten wir Stiftungen konstruktiv auf dem Weg durch die Niedrigzinsphase. Mehr frischen Wind! Durch den Austausch mit jungen Philanthropen und einem breiten Spektrum an Mitdenkerinnen und Mitdenkern erweitern wir unseren Blickwinkeln und Horizont. Mehr Internationalisierung! In Zeiten, in denen soziale Problem nicht mehr an Grenzen enden, darf es auch das Stiftungshandeln nicht tun. So intensiveren wir den Austausch mit anderen europäischen Verbänden und bereiten Stiftungen auf die Aufgaben des 21. Jahrhundert vor.

Felix Oldenburg ist Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.