Durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld sind viele Stiftungen nicht mehr in der Lage, ihren Förderaufgaben nachzukommen. Welche Umdenkprozesse stehen an? Wie gehen Stiftungen mit diesem Dilemma um? Darüber sprachen wir mit Markus Neumann von M.M. Warburg & CO.

Inwieweit haben die vergangenen Jahre die Stiftungslandschaft verändert? Und welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf Ihre Stiftungsberatung?
Markus Neumann: Für die Stiftungsvorstände ist es durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld schwieriger geworden, ordentliche Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu erzielen. Anstelle von festverzinslichen Anleihen rücken verstärkt transparente und direkte Anlageformen wie Aktien in den Fokus. Die Risiken werden mittlerweile anders bewertet als noch vor einigen Jahren. Dennoch gilt: Die Anpassung der Anlagestrategie auf die Marktbedingungen bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich dadurch die Risiken erhöhen. Bei Anlagen am Kapitalmarkt sehen viele die Dividende als den neuen Kupon.

Wie viele Stiftungen betreut M.M. Warburg & CO (direkt oder treuhänderisch)?
Markus Neumann: Wir betreuen eine dreistellige Zahl von Non-Profit-Organisationen, klassischen gemeinnützigen Stiftungen und Familien-Stiftungen. Seit einigen Jahren kommen vermehrt auch gemeinnützigen Organisationen wie zum Beispiel eingetragene Vereine hinzu.

Generell zu Stiftungen als Anlegerklientel: Sind Sachwertinvestitionen für Stiftungen relevant? Was berichten Ihnen Stiftungen von ihren Erfahrungen mit Sachwertinvestitionen?
Markus Neumann: Wie gesagt: Das Umfeld macht es den Stiftungsvorständen nicht leicht, das Vermögen ertragsbringend anzulegen. Die Anlage in Sachwerten, hier denke ich zum Beispiel an Immobilien-Investments, können durchaus einen wertvollen Beitrag leisten. Das beweisen die guten Erfahrungen großer Stiftungen.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie im Bereich der Publikums- und Spezialfonds noch – sowohl für private als auch semiprofessionelle Investoren?
Markus Neumann: Für kleinere und mittlere Stiftungsvermögen gelten natürlich andere Bedingungen als für größere Stiftungen, die über ganz andere Möglichkeiten in Sachen Know-how und Manpower verfügen. Wem derartige Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen, der sollte eher auf indirekte Investitionen zurückgreifen und somit den Verwaltungsaufwand gering halten. Eine passende Portfolio-Beimischung und Risikostreuung sind auch in diesem Bereich möglich. Hier hilft unter anderem die Neuordnung des Kapitalanlagegesetzbuches, die für mehr Transparenz sorgt und durch festgesetzte Rahmenbedingungen Klarheit bei der Fondsanlage schafft.

Mission Investing steht bei seinen Kritikern im Ruf, ineffiziente Investitionen gewissermaßen mit einem nachgereichten Förderzweck zu beschönigen („Es hat sich zwar nicht finanziell rentiert, aber dafür war die Investition relativ nah an unserem Stiftungszweck“). Einstweilen gibt es noch Deklarationsprobleme gegenüber der Stiftungsaufsicht, die die strikte Trennung von ideellem Bereich und Vermögensverwaltung vorgibt. Welche Erfahrungen haben Sie mit Aufsichtsthemen und wie ist Ihre Haltung zu Mission Investing?
Markus Neumann: Die Stiftungsaufsichten – insbesondere hier in Hamburg – erleben wir als lösungsorientierte Partner. Voraussetzung ist natürlich, dass sich die Stiftungsverantwortlichen auf eine Gründung oder eine Satzungsänderung professionell vorbereiten.
Zum Thema Mission Investing: Aus unserer Sicht ist das eher eine Marketingmaßnahme, die aufgrund des aktuellen Null-Zins-Umfeldes am Kapitalmarkt ihre Wellen schlägt. Für die Mehrzahl der Stiftungen war Mission Investing bislang keine echte Anlagestrategie und wird dies auch künftig nicht sein.

Wie schätzen Sie das Urteil des OLG Frankfurt ein, das die Commerzbank zu Schadensersatz wegen Falschberatung einer Stiftung verurteilt, es aber u.a. damit begründet, dass Stiftungen per se schon aus stiftungsrechtlichen Gründen keine "riskanten Anlagen" tätigen dürften?
Markus Neumann: Diese vielbeachtete Entscheidung aus dem Januar bedeutet keinesfalls, dass Stiftungen grundsätzlich auf Investments etwa in unternehmerische Beteiligungen oder einen höheren Aktienanteil verzichten müssen. Das Gebot der Verwendung von Stiftungsmitteln für die begünstigte Zwecksetzung erfordert ein Investment in ertragsbringende Anlagen. Daher muss das Erwirtschaften von Erträgen für einen Stiftungsvorstand gleichrangig neben der Vorgabe des Vermögenserhalts stehen.

Welche Ziele verfolgt die M.M. Warburg Bank im Stiftungsbereich für die kommenden Jahre?
Markus Neumann: Wir arbeiten sehr konstruktiv und vertrauensvoll mit den von uns betreuten Stiftungen zusammen. Unser Asset Management erzielt dabei überdurchschnittliche Ergebnisse. Diese erfolgreiche Arbeit wollen wir fortsetzen. Darüber hinaus wollen wir in diesem komplexen und interessanten Bereich weiter wachsen.

Markus Neumann ist Stiftungsberater bei M.M. Warburg & CO.