Fonds. Das Fondskonzept des MPC Bioenergie Brasilien sah vor, über eine Projektgesellschaft den Bau eines Biomasse-Kraftwerks in Brasilien zu finanzieren, das mittels Verbrennung von Reishüllen Strom erzeugt. Ab Juli 2010 sollte das Kraftwerk Strom produzieren und ins Netz einspeisen. Neben dem Verkauf von Strom sollten Emissionszertifikate und der Verkauf der Reishülsenasche Einnahmen generieren. Der Fonds sollte 27 Millionen Euro Eigenkapital einwerben, eine Aufnahme von Fremdkapital war nicht vorgesehen. Zwischen 2009 und 2012 beteiligten sich knapp 600 Anleger und legten Kommanditkapital in Höhe von 12,6 Millionen Euro ein. Der Fehlbetrag wurde dann doch über zwei Kredite aufgefüllt. Zum einen gab es ein Bankdarlehen über 6,3 Millionen Euro, zum anderen stellte MPC Fremdmittel in Höhe von 6,9 Millionen Euro zur Verfügung, schließlich hatte MPC die Gesamtfinanzierung des Projektes zugesichert.

Areva. Kraftwerksbauer Areva wurde 2011 wegen Verzögerungen und Schlechtleistung der Bauvertrag gekündigt. Erst mit zweijähriger Verzögerung konnte das Kraftwerk Mitte 2012 ans Netz gehen. Die Fertigstellung erfolgte "in Eigenregie", wie es bei MPC heißt. Gegen Areva wurde ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet, um die durch die Verzögerung entstandenen Mehrkosten und Einnahmeverluste geltend zu machen.

Verkaufsszenario 1. Kaum fertig gestellt, sollte das Kraftwerk auch schon wieder verkauft werden. Ende 2012 stellte die Fondsgeschäftsführung den Gesellschaftern ein Konzept für einen Exit vor, das Gesamtmittelrückflüsse in Höhe von 115 Prozent der Nominalbeteiligung nach Steuern in Aussicht stellte. Ein Käufer solle für mindestens 70 Millionen Brasilianische Real (BRL) gefunden werden, damit wären die Herstellungskosten in Höhe von 59,1 Millionen BRL, die Verkaufsnebenkosten und die Kosten der Liquidation der Fondsgesellschaft gedeckt gewesen und das Bankdarlehen hätte zurückgeführt werden können. Für das eigene Darlehen erklärte MPC einen teilweisen Rangrücktritt, so dass Gesamtmittelrückflüsse an die Anleger bis zur 115 Prozent bevorzugt bedient würden. Im Gegenzug würde MPC von der Verpflichtung, die Gesamtfinanzierung sicherzustellen freigestellt. Unmittelbar hinter der Darstellung, dass MPC zu Gunsten der Anleger für einen Teil ihres Darlehens im Rang zurücktritt, erklärt MPC auch "die Übernahme der vollen Risiken" aus dem Schiedsverfahren mit Areva und reklamiert dafür eine Vergütung in Höhe von 200.000 Euro.
Klingt gut dachten sich die Gesellschafter damals und votierten dafür, den beschriebenen Exit bis Ende September 2013 in die Tat umzusetzen.

Verkaufsszenario 2. Im Herbst 2013 teilt MPC mit, dass das Exit-Konzept gescheitert ist. Ende 2014 ist immer noch kein Käufer in Sicht. Die Bank wird ungeduldig, die Insolvenz droht. Vor dem Hintergrund präsentiert MPC den Gesellschaftern ein erneutes Verkaufs- und Exit-Szenario. Es sieht vor, dass MPC das Bankdarlehen ablöst. Das neue Darlehen soll eine Laufzeit bis Ende Juni 2016 haben und mit 9 Prozent pro Jahr verzinst werden. Der neue Verkaufsbeschluss sieht einen Mindestverkaufspreis für das Kraftwerk in Höhe von 13,2 Millionen Euro vor (das sind zu dem Zeitpunkt knapp 40 Millionen BRL), allerdings geht ein Basisszenario von einem erzielbaren Erlös in Höhe von 17 Millionen Euro aus (51 Millionen BRL). Ein Rangrücktritt für einen Teil des MPC-Darlehens ist Teil auch des neuen Verkaufskonzepts, allerdings nicht mehr, um 115 Prozent Gesamtmittelrückfluss darstellen zu können, sondern nur noch 66 Prozent. Würde ein Verkaufspreis von lediglich 14 Millionen Euro erzielt, so schrumpfte der Gesamtmittelrückfluss auf 45 Prozent, rechnete MPC vor.

Unterschied. Neu am zweiten Verkaufskonzept ist der reduzierte Mindestverkaufspreis und dass die Rede von Rückflüssen aus dem Areva Schiedsverfahren ist. Während beim ersten Verkaufsszenario MPC noch eine Vergütung in Höhe von 200.000 Euro für die Übernahme der Risiken, die aus dem Areva-Verfahren erwachsen, forderte, stellt MPC beim zweiten Verkaufsszenario in Aussicht, dass von 13 Millionen Euro, die inzwischen vor dem Schiedsgericht als Schadenersatz geltend gemacht wurden, 8 Millionen in die Exit-Berechnung eingeplant werden könnten. Die Gesellschafter stimmen mit fast 98 Prozent zu.

Verkauf. Im März 2015 meldete MPC den Verkauf des Kraftwerks für 20,3 Millionen Euro, umgerechnet 67 Millionen BRL. Der Käufer wird nicht benannt, es handle sich um ein "brasilianisches Unternehmen aus dem Sektor der Energieproduktion". Der Verkaufspreis ist zwar höher als im Basisszenario angenommen, dafür hat sich der Wechselkurs verschlechtert, weswegen "der Rückfluss gegebenenfalls nicht höher liegen wird als in der Beispielrechnung mit einem Rückfluss aus Kraftwerksverkauf von EUR 17.000.000 vor Steuern", erklärt MPC. Außerdem erwies sich wohl die Annahme, dass ein früheres Darlehen von MPC während der Verkaufsphase aus dem laufenden Betrieb zurückgezahlt werden könne, als zu optimistisch. Tatsächlich erweist sich dann der Unterschied zwischen der Beispielrechnung von 2014 und der zum Ende August 2015 aktualisierten Kapitalrückflussrechnung wie folgt. In der Beispielrechnung aus dem Jahr 2014 war ein Mittelrückfluss aus dem Kraftwerksverkauf zu 17 Millionen Euro auf Anlegerebene mit 29,5 Prozent der Nominaleinlage angesetzt. Die aktualisierte Kapitalrückflussrechnung von Ende August 2015 kommt auf einen Kapitalrückfluss aus dem Kraftwerksverkauf von nur noch 20,7 Prozent, obwohl der Erlös mit 20,3 Millionen um etwa 20 Prozent höher lag als im vormaligen Basisszenario.

fondstelegramm-Meinung. Offenbar kam es bereits öfter vor, dass den Gesellschaftern Zahlen präsentiert wurden, die binnen Wochen weit auseinanderklafften. Mit Bezug auf den Gesellschaftsvertrag, der die Möglichkeit vorsieht, einen Beirat zu installieren, kam aus dem Gesellschafterkreis bereits vor einiger Zeit ein entsprechender Antrag. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 stimmten die Gesellschafter der Einrichtung eines Beirats zu. Allerdings fand in den dann folgenden Monaten der Verkauf des Kraftwerks und offenbar auch die Exit-Gestaltung ohne einen Beirat statt, denn im aktuellen Gesellschafterschreiben von Ende September 2015 ist von einem Beirat keine Rede mehr. Vielleicht hätte schon das erste Verkaufsszenario anders ausgesehen, wenn ein Beirat die Umstände der "Areva-Risiko-Vergütung" hinterfragen hätte können. Wenn es nächstens doch noch einen Beirat geben sollte, kann er ja mal in Erfahrung bringen, warum sich eine mögliche Schadenersatzleistung durch Areva in der Kapitalrückflussrechnung um satte 45 Prozent reduziert. Alles Kosten fürs Schiedsverfahren?