Auch das Stiftungswesen hat in den vergangenen Jahren Umbrüche erlebt. Welches Bild gibt die Stiftungslandschaft derzeit ab? Wie sind die Aussichten des Dritten Sektors? Was sollten Vermögensberater beachten, wenn man Stiftungen beraten will? Darüber sprechen wir mit Jörg Seifart.

Inwieweit haben die vergangenen fünf Jahre die Stiftungslandschaft verändert? In welcher Situation befinden sich Stiftungen derzeit?
Jörg Seifart: Die positiven Nachrichten nehme ich vorweg. Der Stiftungsmarkt wächst weiter, zwar sind es nicht mehr ganz so viele rechtsfähige Stiftungen, die pro Jahr gegründet werden. Dafür wächst die Anzahl der Treuhandstiftungen insbesondere im Rahmen der Nachfolgeberatung immer mehr. Damit gewinnt ein in der Vergangenheit unterschätztes Instrument an Bedeutung, was gut ist.
Insgesamt geht die Situation am Finanzmarkt nicht an Stiftungen vorbei. Und man sieht, dass viele der oft ehrenamtlich geleiteten Stiftungen hier an ihre Grenzen stoßen. Häufig sind Gremien selbst bei Stiftungen mit einem zweistelligen Millionenvermögen mit Fachleuten für den Stiftungszweck besetzt und keinen Finanzfachleuten. Das ist zwar einerseits richtig, weil die Stiftungen das Geld in erster Linie ausgeben sollen. Andererseits so ganz ohne Know-how, wie man die Gelder erwirtschaftet geht es nun auch nicht.

Sie verwalten Stiftungen, bieten aber keine vermögensverwaltenden Dienstleistungen an, sondern arbeiten dort mit externen Partnern. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Wie relevant ist eine professionelle Vermögensbetreuung in einer Stiftung?
Jörg Seifart: Das ist relativ schnell erklärt. Sie müssen sich es so vorstellen, dass wir eine Art externe Stiftungsabteilung für Banken und Vermögensverwalter sind. Es ist in den seltensten Fällen – auch für große Häuser – rentierlich diese selber vorzuhalten. Gleichzeitig sind wir für die dann gemeinsam betreuten Stiftungen eine externe Geschäftsstelle, die den Stiftungsgremien mit unserem Dienstleistungspaket den Rücken freihält, um Gutes tun zu können. Viele der Stiftungen sind bei uns domiziliert, haben also ihren offiziellen Sitz auch in Düsseldorf. Das hat zum Beispiel den charmanten Vorteil, dass sie von unserem guten Draht zu den jeweils zuständigen Behörden mitprofitieren.
Um auch den zweiten Teil Ihrer Frage zu beantworten, natürlich ist eine professionelle Vermögensverwaltung für Stiftungen sehr wichtig. Sie ist sogar elementar. Schließlich sollen Stiftungen Gelder für den guten Zweck erwirtschaften – aus Sicht der Stiftungen je mehr desto besser. Wobei es in der derzeitigen Situation sicherlich nicht leichter wird, den kompletten Wunschzettel einer Stiftung zu erfüllen. Zu professioneller Vermögensbetreuung würde ich dementsprechend auch die Mahnung an die Gremien verstehen, dass manche Erwartungen schlicht unrealistisch sind. Wobei vielen Stiftungen nicht zuletzt aufgrund einiger Urteile der vergangenen Jahre bewusst ist, was sie eigentlich dürfen und was nicht. Das gilt auch für viele Berater.

Was muss der Vermögensberater beachten, wenn er Stiftungen berät? Wie aussichtsreich ist es für Finanzdienstleister, in das Segment der Stiftungsberatung einzusteigen?
Jörg Seifart: Als erstes sollte man die Logik und Systematik von Stiftungen verinnerlicht haben. Um Ihnen ein Beispiel von vielen zu bringen: für Stiftungen ist die Rendite eine vollkommen irrelevante Kennzahl, die allerdings von vielen Anbietern in Gesprächen in den Vordergrund gestellt wird. Da können Sie recht schnell die Spreu vom Weizen trennen.

Warum ist die Rendite irrelevant?
Jörg Seifart: In der Stiftungsdenke müssen Sie zwischen den Erträgen und dem Wertzuwachs unterscheiden und das ist nicht nur wichtig, sondern auch haftungsrelevant. Mit den Erträgen, also Ausschüttungen und Zinsen setzen Stiftungen ihren Zweck um und natürlich nicht mit dem in der Rendite enthaltenen Wertzuwachs. Der ist selbstredend auch für Stiftungen mit Blick auf den geforderten Kapitalerhalt wichtig. Das ist aus Sicht einer Stiftung aber eine vollkommen andere Baustelle.

Wie aussichtsreich ist das?
Jörg Seifart: Gerade in der jetzigen Situation kann es eigentlich nicht genug qualifizierte Berater geben. Wir bieten aus diesem Grund seit zwei Jahren eine eigene Seminarreihe für Finanzberater an. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass Entscheidungsprozesse in Stiftungen sich hinziehen können. So häufig tagen viele Stiftungen nicht und das Thema Finanzen fristet gern ein stiefmütterliches Dasein in den Sitzungen. Entscheidet sich eine Stiftung einmal zum Wechsel, ist sie in der Regel ein treuer Kunde. Außerdem existieren sie per Definition auf die Ewigkeit, wenn ich mir diesen Wink mit dem Zaunpfahl erlauben darf.

Die Niedrigzinsphase hat auch Veränderungen in den Vermögensportfolien der Stiftungen Spuren hinterlassen. Wie sieht heute ein modernes Vermögensportfolio einer Stiftung aus? Jörg Seifart: In der Tat schlägt sich die Niedrigzinsphase nun auch im Stiftungssektor nieder, wobei sich viele Stiftungen noch über gut verzinste Anleihen aus der guten alten Zeit freuen, die allerdings nach und nach auslaufen. Insofern stellt sich für viele Stiftungen in dieser Zeit die Frage nach einer attraktiven Neuanlage. Pauschal kann man Ihre Frage gar nicht richtig beantworten, weil das auch sehr von der einzelnen Stiftung und den Entscheidern abhängt. Grundsätzlich sollte das Depot vernünftig diversifiziert sein und auch auf die cashflow-Bedürfnisse der Stiftung abgestellt sein.

Geben Sie uns einen Einblick ins Thema Mission Investing: Inwieweit hat das Thema das Stadium eines heiß gehandelten Modebegriffs ohne brauchbaren Mehrwert verlassen? Wie relevant ist Mission Investing?
Jörg Seifart: Nun, so leicht lässt sich die Frage nicht beantworten, zumal der Begriff als solches schon unscharf ist und von Vielen unterschiedlich verstanden wird. Als Mission Investing bezeichnet man grundsätzlich Anlagen, die neben der Renditeerzielung einen zusätzlichen, häufig weltanschaulichen Zweck verfolgen. Dabei reicht die Herangehensweise vom Ausschluss von Anlagen, die potenziell Schaden anrichten bis zur in der Regel am Stiftungszweck festgemachten gezielten Direktinvestition.

Zum einen ist es bei der Vielzahl von Stiftungszwecken natürlich schwierig ein geeignetes Vehikel für alle Stiftungen zu finden. Auf der anderen Seite macht es natürlich aus vertrieblicher Sicht Sinn, sich mit den Stiftungszwecken auseinander zu setzen. Mit einer entsprechenden Nachfrage werden Sie sich bestimmt positiv abgrenzen. Beobachten lässt sich in jedem Fall, dass Stiftungen dazu tendieren, sich bei ihren Anlageentscheidungen am Stiftungszweck zu orientieren. Sei es, dass sie bestimmte Anlagen ausschließen oder in stiftungszweckaffine Produkte lieber investieren als in anderen. Ob man das als Mission Investing bezeichnen will, sollen andere entscheiden.

Was hat der Dritte Sektor zu erwarten? Wer ist gefordert, damit der Sektor erhalten und schlagkräftig bleibt?
Jörg Seifart: Mit der Erbschaftswelle in den nächsten Jahren wird die Anzahl der Stiftungen noch einmal gewaltig wachsen. Einer der häufigsten Gründe eine Stiftung zu gründen, ist die Tatsache, dass man keine eigenen Erben hat. Das muss man ganz nüchtern festhalten. Zugleich ist es in Deutschland glücklicherweise mittlerweile so, dass das Thema "eigene Stiftung" nicht mehr verhuscht wahrgenommen wird. Gucken Sie sich unsere Nationalelf an. Viele Spieler engagieren sich mit einer eigenen Stiftung.
Gefordert sind zunächst die Stiftungsverantwortlichen. Den Markt wird man nicht ändern können, aber Stiftungen haben noch andere Möglichkeiten. Denken Sie an Fundraising, um so weitere Gelder zu generieren. Oder dass man als Stiftung den Mut hat, mit einem innovativen Projektansatz eine gesellschaftliche Problemstellung anzugehen. Hier sehe ich noch große brachliegende Potentiale. Das betrifft auch meine Beraterkollegen und mich, frische Ideen zu liefern. Eine gute Stiftungsgründung erfordert weit mehr als eine anwaltlich ausgearbeitete Satzung. Last but not least sind auch Ihre Leser gefordert, gute Lösungen für Stiftungen auf der Anlegerseite bereitzuhalten. .

Jörg Seifart ist Gründer der Gesellschaft für das Stiftungswesen. Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie hier .