Der Crowdinvest Marktreport 2017 stellte fest: „Crowdfinanzierungen für Unternehmen legen um +114% zu." Scheint auf den ersten Blick positiv. Wie steht′s aber eigentlich um die digitale Startup-Finanzierung und was heißt das für Crowdfunder, Anleger und Plattformen?

Seedmatch gehört neben Kapilendo und Companisto mit zu den ersten Plattformen für Startup-Finanzierungen. Im Gegensatz zu den zwei Konkurrenten, die Volumenzunahme verbuchen konnten, ist bei Seedmatch das Volumen aber von 2016 auf 2017 um 7 Prozent geschrumpft. Woran liegt das?
Johannes Ranscht: Kurz und knapp an der Betrachtung. Der Crowdinvesting Marktreport betrachtet in seiner Plattformanalyse Unternehmensfinanzierung im Allgemeinen. Finanzierungen für KMUs werden genauso angerechnet wie Startup-Kampagnen. Während sich Kapilendo auf die Betriebsmittelfinanzierung von Mittelständlern fokussiert, bleiben wir unserem Schwerpunkt auf innovative Geschäftsmodelle treu. Es sind also de facto zwei verschiedene Märkte. Um diese Analyse vergleichbar und plattformneutral zu halten, werden zudem nur die abgeschlossenen Kampagnen im Kalenderjahr betrachtet. Ist beispielsweise eine Crowdfunding-Kampagne erst am 1. Januar des Folgejahres finanziert, zählt sie nicht mehr in den Marktreport, obwohl das Kapital fast vollständig in 2017 akquiriert wurde. Je nach plattform-individuellen Laufzeiten und Kampagnenstarts kann es dadurch in jedem Jahr wieder zu neuen Verwerfungen der Marktanteile der jeweiligen Plattformen kommen. Intern betrachten wir bei uns das tatsächlich zugeflossene Kapital tagesgenau, um unsere Performance zu messen. Danach konnten wir unser Volumen deutlich ausbauen.

Neben Seedmatch betreiben Sie noch die Plattformen Econeers und Mezzany. Welche Erkenntnisse über die Unterschiedlichkeit der Märkte VC, Erneuerbare Energie und Immobilien leiten Sie daraus ab?
Johannes Ranscht: Der Bereich der Startups ist im Vergleich zu den anderen Märkten deutlich besser erforscht und bekannt. Nicht nur erhalten wir eine Vielzahl an Studienanfragen zu dem Thema, von deren Erkenntnissen wir schlussendlich profitieren, sondern bemühen sich auch Verbände wie der Bundesverband Deutsche Startups e. V. seit Jahren um umfangreiche Analysen und Bewertungen des Ökosystems, in dem sich Startups bewegen. Ein Schwerpunkt der Betrachtungen liegt auch im Bereich Finanzierung. Diese belastbaren Analysen fehlen noch bei den Erneuerbaren Energien und Immobilien aufgrund der Tatsache, dass Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit in diesen Märkten relativ neu ist.

Inwieweit hat gesetzliche Regulierung die Landschaft des Crowdinvesting für Startups verändert?
Johannes Ranscht: Das Kleinanlegerschutzgesetz hat die Möglichkeit einer Crowdfinanzierung für Startups auf 2,5 Millionen Euro limitiert. Unternehmen mit einem höheren Kapitalbedarf benötigen seitdem entweder einen Finanzierungsmix, müssen Anleihen ausgeben und damit ein teures und umfangreiches Prospekt erstellen oder, wie aktuell im Trend, wechseln zu ICO.

Was erwarten Sie bezüglich künftiger politischer Maßnahmen und wie wird es sich auf den Markt auswirken? Wird es eine Plattformen-Konsolidierung geben?
Johannes Ranscht: Wir erwarten aktuell die zügige Umsetzung der EU-weiten Harmonisierung des propektfreien Wertpapieres. Das kann die bisherigen Ländergrenzen beim Crowdinvesting aufweichen und neue Bewegung in das Geschäftsmodell vieler Plattformen bringen. Neue Marktchancen führen eher zu einer neuen Pluralität der Plattformen und Produkte untereinander - also das komplette Gegenteil zu einer Konsolidierung. Das Thema ICO hat zusätzliche Dynamik gebracht. Während man vielleicht vor einem Jahr eher eine Konsolidierung vorhergesagt hätte, scheint nun eine Trendwende zu entstehen.

Wie viele Projekte werden Ihnen wöchentlich angeboten? Wie ist das Auswahlverfahren?
Johannes Ranscht: Wir screenen jedes Jahr mehrere hundert Bewerber. In Stoßzeiten gehen am Tag Bewerbungen im zweistelligen Bereich ein, an wiederum anderen Tagen haben wir die Ruhe, diesen Stapel abzuarbeiten. Jeder Bewerber durchläuft einen mehrstufigen Selektions- und Prüfprozess. Wer am Ende eine Kampagne bei uns startet, gehört zu den rund 1 Prozent Bewerbern, die uns mit Produkt, Gründer-Team, Geschäftsidee, Business-Plan, Finanzplanung sowie vielem mehr überzeugt haben.

Wie sieht der durchschnittliche Seedmatch-Zeichner aus? Welche Beträge werden durchschnittlich angelegt? Unterscheiden sich die Anleger Ihrer Plattformen?
Johannes Ranscht: Der durchschnittliche Investor ist männlich und investiert im Schnitt ca. 1.000 Euro pro Projekt. Zwischen den Plattformen unterscheiden sich die Investoren kaum. Spannend finde ich dagegen die Bandbreite an Investoren: Wir haben sowohl Investoren, die bereits in 80 Projekten mit großen Summen dabei sind, als auch solche, die in ein, zwei Unternehmen testweise investieren, um später als Business Angel ihr eigentliches Engagement auszubauen. Es zeichnen auch Kleinanleger, die nur deshalb mit dem Crowdinvesting beginnen, weil sie sich beispielsweise für neue Technologien in der Krebsdiagnostik einsetzen möchten.

Wie sieht es aus mit erfolgreichen Exits? Gibt es eine Leistungsbilanz Ihres Hauses?
Johannes Ranscht: Selbstverständlich gibt es die! Das Problem unserer Branche mit Leistungsbilanzen ist die Intransparenz, die sich durch die Natur der Unternehmensinterna ergibt. Selbst die Investoren dürfen laut den im Crowdfunding-Markt angebotenen Investment-Verträgen die großen Erfolge, von denen sie durch ihre Kapitalanlage privilegiert Kenntnis und hohe Renditen erlangen, nur im Stillen oder allgemein nebulös feiern. Das heißt: jede Plattform mit Unternehmensfinanzierungen tut sich naturgemäß schwer, belastbare Zahlen für den Erfolg zu liefern. Erfahrungsgemäß endet das wie beim Spiel “Schummelmäxchen”: Jeder Wettbewerber legt noch eins zum vorher Befragten drauf. Daher arbeiten wir zur Zeit sehr engmaschig mit einer Universität an einem Fundingindex, der durch die wissenschaftlich neutrale Instanz belegt, dass Investments über Seedmatch zweistellige Renditen per anno erbringen.

Mittlerweile gibt es Partnerschaften zwischen Crowdplattformen und klassischen B2C-Vertrieben. Wie groß ist der Stellenwert dieses Themas bei Ihnen?
Johannes Ranscht: Durch unsere Kooperation mit der Consors-Bank, die Seedmatch aufgrund der hohen Qualitätsstandards als erste Crowdfunding-Plattform überhaupt ins Portfolio für ihre Kunden aufgenommen hat, ist das natürlich auch bei uns ein relevantes Thema. Allerdings schicken wir keine klassischen Anlageberater auf die Investoren-Couch nach Hause.

Johannes Ranscht ist Geschäftsführer der Seedmatch GmbH.