Ab dem 1. Januar 2018 gilt das Investmentsteuer Reformgesetz. Es sieht vor, dass bereits auf Fondsebene Steuern abgeführt werden müssen – unabhängig von der Steuerpflicht der Investoren. Wer – wie zum Beispiel gemeinnützige Stiftungen – eigentlich nicht veranlagt wird, wird Dividenden und Immobilienerträge gleichwohl künftig versteuern müssen. Hat die Stiftungsbranche da was verschlafen?
Jörg Seifart: Nun ja, verschlafen ist mir zu hart formuliert. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat versucht, sich im Gesetzgebungsverfahren einzubringen, das allerdings ohne Erfolg. Letztendlich hat der Gesetzgeber etwas gleichmacherisch die Besteuerungsthematik auf die Fondsebene verlagert und dieses auf den ersten Blick zu Lasten der Stiftungen.
Für Stiftungen ist das natürlich schon bitter, dass in der Niedrigzinsphase Einnahmen zunächst durch die Besteuerung wegfallen können. Wobei jetzt die Berater und Produktanbieter gefordert sind, auf die Gesetzesänderungen zu reagieren und die Angebotspalette auf Stiftungseignung zu überprüfen. Vertrieblich gesehen ist es eher eine Marktopportunität mit entsprechenden Angeboten auf Stiftungen zu zugehen.

Welche Möglichkeiten haben Stiftungen, dem kurzfristig noch entgegenzutreten? Gibt es eine grundsätzliche Möglichkeit, Gelder die über diese neue Form einer Quellenbesteuerung abgeführt wurden, nachträglich zurückzuholen?
Jörg Seifart: Das Gesetz sieht zwei Möglichkeiten vor. Einmal können sie sich als Anbieter entscheiden, eine Tranche nur für steuerbefreite Anleger anzubieten und dann bleibt alles beim Alten für Stiftungen. Die Erträge aus einen solchen Tranche dürfen weiterhin steuerfrei an diese Anlegergruppe ausgeschüttet werden. Viele der Stiftungs-Fonds müssen jetzt die Entscheidung treffen, entweder diese neue Tranche aufzulegen oder versuchen die nicht-steuerbefreiten Anleger in eine andere Tranche des Fonds umzugruppieren.
Anderseits kann – und das ist sehr wichtig – sich eine Gesellschaft entscheiden, die Erstattung der einbehaltenen Steuern für Stiftungen beim Finanzamt zu beantragen und die Steuern dann den Stiftungen auszukehren. Für Stiftungen bedeutet das aber einen zeitweisen Liquiditätsverlust, weil die Erstattung ja erst im Steuerjahr nach der Ausschüttung kommen kann. Diese Option muss eine Gesellschaft aber nicht anbieten. Stiftungen selbst können also nicht Steuererstattungen beantragen, sondern sind von der jeweiligen Ausgestaltung der Produkte abhängig. Wenn eine Stiftung ohnehin plant, umzuschichten, sollte sie bei der Neuallokation prüfen, ob es Gesellschaften gibt, die die diese steuerbefreiten Tranchen im Portfolio haben.

Was bedeutet die Gesetzesreform für einen Stiftungsvorstand außerdem? Gibt es To-dos, die eine Stiftung noch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes erledigen muss?
Jörg Seifart: Ja, natürlich gibt es Handlungsbedarf. Stiftungen müssen ihr Portfolio auf die Auswirkungen der Gesetzesreform überprüfen. Das heißt sie müssen konkret durchrechnen, inwieweit sie wirtschaftlich „betroffen“ sind – also welche Minderausschüttungsrendite durch die einbehaltenen Steuern zu erwarten ist. Im nächsten Schritt müssen sie entscheiden, ob sie gewillt sind die geringeren Erträge in Kauf zu nehmen und wenn ja, natürlich in entsprechenden Sitzungsprotokollen dokumentieren, warum sie von Umschichtungen absehen wollen. Gleiches gilt natürlich auch für die Berater, die entsprechende Gespräche zu den Auswirkungen der Gesetzesreform mit ihren Stiftungskunden suchen müssen.

Welche Anbieter haben sich auf die Veränderungen bereits eingestellt und bieten vernünftige Konzepte an? Wie sehen die aus?
Jörg Seifart: In meiner Wahrnehmung ist die Informationslage für Stiftungen noch viel zu dürr. Viele Gesellschaften scheinen sich noch nicht entschieden zu haben oder wenigstens haben sie ihre Entscheidung noch nicht kommuniziert. Da ist es ohne die entsprechende Information, ob es eine steuerbefreite Tranche geben wird oder ob wenigstens am Erstattungsverfahren teilgenommen wird, nahezu unmöglich eine valide Entscheidung zu fällen. Und soweit ist das Jahresende nicht mehr.
In den Überlegungen zur Umsetzung scheinen sich viele Gesellschaften allein mit den notwendigen Nachweisen der Steuerbefreiung schwer zu tun. Um sich selber nicht schadensersatzpflichtig zu machen, müssen sie dokumentieren können, dass in den entsprechenden Tranchen nur steuerbefreite Anleger sind.
So hat eine namhafte Gesellschaft alle Anleger angeschrieben, dass sie ihre Steuerbefreiung mit entweder einer NV-Bescheinigung oder einer amtlich beglaubigten Kopie des Freistellungsbescheids nachweisen sollen. Beides ist aus Stiftungssicht nicht gerade ideal, denn sie müssten entweder auf Vorrat einen guten Handbestand an Bescheinigungen bei ihrem Finanzamt beantragen oder es entstehen Kosten für die Beglaubigung. Da gibt es intelligentere Lösungen.

Was hat der Dritte Sektor nach der Wahl zu erwarten? Droht mehr Ungemach?
Jörg Seifart: Das kann man so oder so sehen. In der Pipeline ist die langerwartete Reform des Stiftungsrechts, die sicherlich irgendwann nach der Wahl kommen wird. Den Protokollen der Arbeitsgruppe kann man schon so Manches entnehmen. So wird aller Voraussicht nach unter Anderem eine Haftungskonkretisierung kommen, was an sich eine gute Sache ist. Zwar hat es in letzter Zeit einige Urteile sowohl gegenüber Stiftungsvorständen als auch Beratern gegeben, aber die genauen Grenzen der Haftung sind immer noch recht vage. Innerhalb der Arbeitsgruppe herrscht ein großer Konsens, dass man die Business Judgement Rule, wie sie für Vorstände von Aktiengesellschaften gilt, auch für Stiftungen anwenden will. Insgesamt wird das sicherlich größeren Dokumentationsaufwand bedeuten, aber auch ein Mehr an Rechtssicherheit. Insofern finde ich die Richtung gut, denn jede Stiftung ist gut beraten – unabhängig davon, ob das Gesetz nun kommt – sich besser vor Haftungsthemen abzusichern. Gleiches gilt allerdings auch für Berater und mit der Gesetzesänderung wird auch die anlegergerechte Beratung von Stiftungen komplexer.

Haben Sachwerte und Stiftungen mittlerweile zusammengefunden?
Jörg Seifart: Hier gibt es teilweise gute Nachrichten für Ihre Leser. Nachdem der 1. Zivilsenat des OLG Frankfurt vor anderthalb Jahren Immobilienfonds per se die Eignung für Stiftungen abgesprochen hat, hat nun der 17. Zivilsenat die Einschätzung relativiert. Im diesem Urteil heißt es nun mehr, dass Immobilienfonds als Beimischung in einem konservativeren Portfolio geeignet seien.
Es bleibt jetzt abzuwarten, wie die nächsthöhere Instanz, wenn sie denn angerufen wird, diesen Widerspruch auflösen wird. Insgesamt ist die Rechtsprechung noch ziemlich fragmentarisch und das Meiste muss man sich herleiten.

Jörg Seifart ist Gründer der Gesellschaft für das Stiftungswesen.
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