Anlagepolitik im Wandel. Die Anlagepolitik von Stiftungen gestaltete sich in früheren Zeiten oft sehr einfach: Man legte seinen Kapitalstock festverzinslich an und hatte jedes Jahr einen festen Betrag zur Verfügung, mit dem man seinem Stiftungszweck nachkommen konnte. Die Zinsen jedoch, die man heutzutage mit solchen Anlageformen erwirtschaften kann, sind seit Jahren rückläufig und mittlerweile bei knapp über Null angelangt. Viele Stiftungen konnten diese Entwicklung noch einige Jahre lang recht gut abfedern, weil sie langfristig ihr Kapital in Staatsanleihen oder Sparkonten angelegt hatten, die ihnen lange hohe Zinsen sicherten, wie sie vor acht bis zehn Jahren noch gang und gäbe waren. Doch diese Zeiten sind vorbei, und die zurückgezahlten Kapitalbeträge aus diesen Investments müssen nun zu den heutigen Konditionen angelegt werden.

Auswege. Welche grundsätzlichen Möglichkeiten haben Stiftungen nun, um auf die niedrigen Zinsen zu reagieren? Zunächst können sie schlichtweg ihr Fördervolumen reduzieren. Dies ist allerdings nicht immer machbar, etwa wenn langfristige Zahlungsverpflichtungen eingegangen wurden, und in jedem Falle schmerzhaft, da es mit Einschnitten in die Umsetzung des Stiftungszweckes verbunden ist. Aus diesem Grund dürfte dieses Vorgehen stets nur als letzter Ausweg gewählt werden. Die zweite nahe liegende Möglichkeit besteht darin, vermehrtes Fundraising zu betreiben, also entweder in Form zweckgebundener Spenden oder in Form neuen Kapitals Gelder einzusammeln. Auch dieser Weg steht nicht jeder Stiftung offen, zumal er große zusätzliche Anstrengungen erfordert. Für Stiftungen, die bereit sind, ihre Anlagestrategie zu überdenken, ergeben sich weitere Möglichkeiten. Zum einen ist es, je nach Stiftungszweck, unter Umständen in unterschiedlichem Ausmaß möglich, Mission Investing zu betreiben. Dabei handelt es sich um ein Investieren im Sinne des Stiftungszwecks, also etwa dadurch, dass man an ein soziales Unternehmen ein Darlehen zu einem vergünstigten Zinssatz vergibt. Grundsätzlich gilt es, beim Mission Investing Kosten und Nutzen abzuwägen. Eine andere Möglichkeit, die im Grunde allen Anlegern offensteht, die unter den niedrigen Zinsen leiden, liegt darin, die Rendite durch Hinzunahme riskanterer Anlagen zu erhöhen. Das zusätzliche Risiko, welches dadurch ins Portfolio gelangt, sollte dabei möglichst durch Diversifikation vermindert werden. Anders als bei Privatanlegern gilt allerdings im Stiftungsbereich, dass hier oftmals Anlagerichtlinien bestehen, oder Gründervorgaben und die Satzung, die bestimmte Investments einschränken oder sogar unmöglich machen.

Studie. Eine aktuelle Studie am Lehrstuhl für Finanzierung der Universität Regensburg liefert Antworten auf die Frage, wie Stiftungen auf die Herausforderung des Niedrigzinsumfeldes konkret reagieren. Für die Teilnahme an der Studie konnten 106 Stiftungen aus ganz Deutschland gewonnen werden. Diese sind überwiegend im sozialen Bereich (25,84 Prozent) beziehungsweise im Bereich Bildung und Erziehung (19,62 Prozent) tätig und engagieren sich hauptsächlich national (85,50 Prozent). Der Stiftungssitz ist vorwiegend im süddeutschen Raum, dennoch kann die Verteilung in Bezug auf dieses Merkmal als repräsentativ für die Grundgesamtheit der Stiftungen in Deutschland betrachtet werden. Der angesichts der hohen Zahl von Stiftungen in Deutschland gering erscheinende Stichprobenumfang stellt kein Problem dar, da sich entscheidende Aussagen als statistisch signifikant erweisen und mithin kein Artefakt darstellen.

Stiftungstypologie. Die untersuchten Stiftungen weisen ein mittleres Alter von 21,3 Jahren und ein durchschnittliches Stiftungsvermögen von 21,80 Millionen Euro auf. Das mittlere Vermögen liegt allerdings bei zwei Millionen Euro, was impliziert, dass überwiegend kleinere Stiftungen in der Stichprobe enthalten sind. Die meisten Stiftungen verfügen über interne Berater (zum Beispiel ein Mitglied des Vorstands) mit einer akademischen Ausbildung im wirtschafts- oder rechtswissenschaftlichen Bereich beziehungsweise einer kaufmännischen Ausbildung. Gut zwei Drittel der teilnehmenden Stiftungen greifen zudem auf die Expertise von externen Beratern zurück. Die Stiftungen sind mit der Beratungsleistung der externen Spezialisten überwiegend zufrieden und vergeben in mehr als 85 Prozent der Fälle die Schulnote 1 oder 2. Wird auf eine Zusammenarbeit mit externen Beratern verzichtet, wird als häufigster Grund angegeben, dass die interne Expertise bereits ausreichend sei.

Information und Anlagerichtinien. Um sich in Bezug auf zukünftige Anlageentscheidungen zu informieren, nutzen Stiftungen zunächst die allgemeine Presse, dann auch stiftungsspezifische Zeitschriften, aber auch die Publikationen des Bundesverbandes deutscher Stiftungen. Eine große Mehrheit der teilnehmenden Stiftungen gab an, bestimmten Richtlinien bei Anlageentscheidungen zu unterliegen. Am häufigsten wurden hierbei Vorgaben durch Gremienentscheidungen genannt, aber auch in der Hälfte der Fälle die Satzung selbst. Allerdings haben seit Beginn der Niedrigzinsphase, der in der Studie im Jahr 2008 verortet wurde, die meisten Stiftungen Änderungen an ihren Anlagerichtlinien durchgeführt.

Entscheidungskriterien. Bei der Auswahl geeigneter Anlagemöglichkeiten legen Stiftungen besonderen Wert auf Sicherheit (mehr als 60 Prozent) sowie auf die Seriosität des Anbieters (knapp 70 Prozent). Die Aspekte Liquidität und Performance hingegen erscheinen weniger relevant (jeweils unter 15 Prozent). Im Durchschnitt sind knapp 40 Prozent des Stiftungsvermögens kurzfristig (also für ein bis fünf Jahre) angelegt, während circa je ein Viertel mittelfristig (also für fünf bis zehn Jahre) und langfristig (das heißt für mehr als zehn Jahre) investiert sind. Um die 10 Prozent des Kapitals werden im Mittel als Liquiditätsreserve gehalten.

Reaktionen auf Niedrigzinsphase. Die Mehrheit der Stiftungen gab an, ihr Anlageverhalten im Zuge der Niedrigzinsphase bereits verändert zu haben. Die Abbildung zeigt die umgesetzten Maßnahmen in der Anlagepolitik. Mehr als 50 Prozent der Stiftungen haben also neue Anlageformen erschlossen und diese zur Diversifikation genutzt, wobei nur ein Drittel der Stiftungen auch in riskantere Anlageformen gegangen ist.

Renditen. Der Großteil der untersuchten Stiftungen hat in den Jahren 2009 bis 2013 den realen Kapitalerhalt erreicht. Jedoch konnte in den Jahren 2011 bis 2013 beinahe ein Fünftel der Stichprobe den Kapitalerhalt nicht realisieren. Die Renditen der befragten Stiftungen lagen im Zeitraum von 2009 bis 2013 im Schnitt zwischen 2,5 und 3,5 Prozent.

Nachhaltigkeit.Nachhaltiges Investieren, definiert als Treffen von Anlageentscheidungen unter Einbezug von sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien, ist für knapp die Hälfte der untersuchten Stiftungen interessant. Mission Investing hingegen wird nur von etwa einem Drittel der untersuchten Stiftungen durchgeführt.

Zusammenhänge.Die Auswertung der Daten mit Methoden der schließenden Statistik, die es ermöglicht, Hypothesen zu testen, zeigt folgende Resultate:
  • Eine professionelle Unterstützung bei der Vermögensanlage, egal ob intern oder extern, hilft Stiftungen, Marktänderungen frühzeitig zu erkennen und schneller auf diese zu reagieren.
  • In der Niedrigzinsphase versuchen Stiftungen, durch eine stärkere Diversifikation ihres Portfolios und durch die Erschließung von riskanteren Anlageklassen, den sinkenden Zinsen zu begegnen.
  • Stiftungen, die mehr Risiko eingehen und deren Anlagefristen länger sind, erzielen in der Niedrigzinsphase höhere Renditen.
  • Stiftungen, die keinen Anlagerestriktionen unterliegen, erzielen in der Niedrigzinsphase höhere Renditen als restringierte Stiftungen.

Umsetzung. Um ausreichende Flexibilität für die Anpassung der Anlagestrategie an das Niedrigzinsumfeld zu schaffen, kann es somit unter Umständen empfehlenswert sein, diese Restriktionen – soweit möglich – zu verringern. Bei der Gestaltung des Portfolios kann eine stärkere Diversifikation der Anlageformen ebenfalls zur Realisierung höherer Renditen beitragen. In diesem Zusammenhang ist, soweit dies die Anlagerichtlinien der Stiftung zulassen, auch die Beimischung von riskanteren Anlageklassen zum Portfolio denkbar. Hierfür sollte in jedem Fall eine Rücksprache mit Experten erfolgen.

Alternativen.Darüber hinaus stellen spezielle Stiftungsfonds – insbesondere für kleinere Stiftungen mit geringerer interner Expertise – eine sinnvolle Option dar, wobei selbige jedoch stets sorgfältig ausgewählt werden müssen. Geschlossene Fonds eignen sich für erfahrenere Stiftungen mit längerem Anlagehorizont. Diese sind insbesondere im Zusammenhang mit dem Trend des Mission Investing interessant, da sie Stiftungen helfen können, bereits mit der Geldanlage zur Realisierung ihres Stiftungszwecks beizutragen. So kann beispielsweise eine Stiftung mit dem Ziel der Förderung regenerativer Energien in einen geschlossenen Fonds zum Bau eines Windparks investieren. Diese Anlageform, wiewohl riskanter als Staatsanleihen, kann auch eine angenehme Diversifikation des Stiftungsportfolios mit sich bringen, da Wetterrisiken, die die Produktion des Stroms determinieren, nicht mit anderen Risiken des Finanzsystems, wie etwa Zinsänderungen oder Aktiencrashs, korrelieren.

Fazit. Im Zuge der aktuell anhaltenden Niedrigzinsphase kann angenommen werden, dass für Stiftungen neben der rein monetären Rendite auch das Mission Investing und die Nachhaltigkeit der Geldanlage zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.

Prof. Dr. Gregor Dorfleitner ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzierung, an der Universität Regensburg