2017 war für die Koepjohann´sche Stiftung ein besonderes Jahr: Der Stiftungsvater Johann Friedrich Koepjohann feiert 300. Geburtstag und die mildtätige Koepjohann´sche Stiftung ihr 225. jähriges Bestehen. Zeit für einen Blick zurück nach vorn. Wir sprachen mit Geschäftsführerin für Sozialmanagement, Heidrun Lüdtke und Geschäftsführer für Finanzen und Immobilien, Volker Devermann.

Die Stiftung reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück und wurde vom Schiffbauer Johann Friedrich Koepjohann ins Leben gerufen, um Witwen und Waisen zu helfen. Ein immer noch hehres Ziel und ein beispielhafter Werdegang einer Stiftung?
Heidrun Lüdtke: Ja, in jedem Fall. Den Stiftungszweck „Zum Wohle der Witwen und Waisen“ gibt es bis heute. Die Zuwendungen an bedürftige Frauen aus der Familie des Stifters – die Koepjohannitinnen – und der Evangelischen Kirchengemeinde am Weinberg sind weiterhin Bestandteile der Stiftungsarbeit. In den 225 Jahren hat sich allerdings eine Menge verändert. Heute zum Beispiel sind Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich. Dies war zu Lebzeiten des Stifters nicht der Fall. Deshalb durfte die Mutter Koepjohanns nach dem frühen Tode ihres Mannes die Schiffbauerei nur interimsmäßig bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes weiterführen. Die Rechtlosigkeit der Frauen und die damit verbundene bittere Armut, aber auch das beherzte Handeln seiner Mutter mögen Johann Friedrich Koepjohann, dessen Ehe kinderlos blieb, bewogen haben, sein Vermögen diesen Zweck zu widmen. Leider zeigt sich in unserer täglichen Praxis auch heute immer noch, dass Frauen überproportional von Armut betroffen sind, sie im Durchschnitt 21 Prozent weniger verdienen als Männer und auch oft im Wettbewerb um Führungspositionen das Nachsehen haben. Alleinerziehende gelten als besonders armutsgefährdet und wir wissen, wie sich die Armut von Frauen im Alter in dramatischer Weise entwickeln wird. Insofern ist der Stiftungszweck bedauerlicherweise, man möchte fast sagen peinlicherweise, weiterhin brandaktuell. Auch hat sich die soziale Situation in der ehemaligen Spandauer Vorstadt in den letzten Jahren sehr verändert. Aus einer ärmlichen Gegend ist ein angesagter Stadtteil mitten in Berlin entstanden. Hier flanieren die Schönen und Reichen, gleichzeitig wächst die Armut und der Anteil wohnungsloser Menschen. Wir wünschen uns, dass sich dies nicht nur in Hauptbahnhofsnähe zeigt, sondern langsam auch im Regierungsviertel ankommt.

Volker Devermann: Als unabhängige Stiftung setzen wir uns ein für wohnungslose Menschen, für pflegebedürftige Frauen, für armutsbelastete Kinder und Jugendliche. Wir möchten als unabhängige Stiftung die Wahrnehmung der Gesellschaft auf die besonderen Notlagen der Frauen und ihre Kinder schärfen und sie in ihrem Überlebenskampf unterstützen. Deshalb bauen wir gerade ein altes Gemeindehaus um zu einem Wohn- und Beratungshaus für Frauen in Not. Es werden etwa 32 Wohnplätze und eine weitere Beratungs- und Anlaufstelle entstehen. Das kostet viel Geld, macht eine Menge Arbeit, braucht Mut zum Risiko und erfordert viel Kraft. Es macht uns aber auch große Freude und viel Spaß. Und es macht uns besonders stolz, weil wir wissen, dass es unser Stifter auch wäre.

Das Stiftungskapital besteht aus erstklassig gelegenen Immobilien in der Mitte Berlins. Was waren die Immobilien bei der Einbringung in die Stiftung vor rund 225 Jahren wert? Und welcher Wertzuwachs hat seitdem stattgefunden?
Volker Devermann: Der genaue Wert der heutigen Stiftungsgrundstücke vor 300 Jahren ist schwer festzustellen. Zum einen wurden immer wieder Grundstücksteile abgetrennt, verkauft und auch zugekauft. Zum anderen war die Bebauung zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung eine ganz andere als heute. Die Grundstücke lagen eher am Stadtrand und wurden großteils handwerklich und als Gemüsegarten genutzt. Außerdem gab es seit dem diverse Währungsumstellungen und Währungsreformen. Die Feuersozietät hatte am 29. April 1776 das damalige Grundstück Schiffbauer Damm 8 auf 14.100 Taler taxiert. Der Abriss und die Neubebauung der inzwischen vier Teilgrundstücke fand zwischen 1860 und 1905 statt. Die Erstellungskosten betrugen damals ca.1.305.000 Mark. Entstanden sind mehrgeschossige Gebäude überwiegend zur Wohnnutzung. Der gewerbliche Nutzungsanteil beträgt heute circa 35 Prozent. Schankwirtschaften wollte unser Stifter auf seinen Grundstücken zwar nicht, heute sind sie jedoch eine wichtige Einnahmequelle.
Nach der Wende wurde der Wert des Grund und Bodens der Stiftung am Schiffbauer Damm und der Albrechtstraße in Berlin-Mitte mit circa 5 Millionen D-Mark festgestellt. In den 1990er- und 2000er-Jahren wurden die Gebäude umfassend saniert und modernisiert. Die Lage des Bestandes mitten in Berlin, direkt am Bahnhof Friedrichstraße ist hervorragend und führt zu einer beständigen Vollmietung und guten Mieterträgen. Da die Grundstücke dauerhaft zum Stiftungsvermögen gehören und nicht veräußert werden dürfen, stellt sich für die Stiftung die Frage einer derzeitigen Wertermittlung nicht.

Herr Devermann, um beim Schiffbauer zu bleiben: Die Stiftung ist auch durch schwere See und Jahre gegangen. Was hat die Stiftung bewegt und wie haben Sie die Aufgaben gelöst?
Volker Devermann: Nach vielen Turbulenzen im 19. Jahrhundert, zwei Weltkriegen, Inflation, Währungszusammenbrüchen und einer schwierigen Nachkriegszeit, besonders in der damaligen DDR, waren die Gebäude der Stiftung nach der Wende in einem katastrophalen Zustand. Die Mieten waren gering und die Ausgaben schon auf Westniveau. Die Stiftung bewegte sich am Rand der Insolvenz. Der Instandhaltungs- und Modernisierungsbedarf war immens. Die Finanzierung und Konsolidierung der Stiftungsfinanzen konnte letztendlich nur durch den, von der Stiftungsaufsicht genehmigten Verkauf eines bisher unbebauten Grundstückes sichergestellt werden.
Es waren aber nicht nur die Finanzen, die die Stiftung bewegte. Nach der Wende musste die Satzung an die geänderten Bedingungen angepasst werden. Die Stiftungsorganisation wurde neu strukturiert. Neue ehrenamtliche Vorstandsmitglieder wurden gefunden, die sich in vielen zeitraubenden Sitzungen engagiert für die Belange der Stiftung und für die zu unterstützenden Menschen einsetzen. Heute beschäftigt die Stiftung sieben Mitarbeitende, die von circa 45 ehrenamtlich tätigen Menschen unterstützt werden.
Mit den steigenden Erträgen konnten neben einigen Förderprojekten vier stiftungseigene Einrichtungen zur Förderung und Unterstützung von hilfsbedürftigen Kindern, Familien, wohnungslosen Menschen und älteren Frauen aufgebaut werden.

Durch Ihre jahrelange Stiftungserfahrung kennen Sie die Nöte und Bedürfnisse von gemeinnützigen Stiftungen. Wie geht es dem Stiftungssektor derzeit?
Volker Devermann: Die niedrigen Zinsen machen es Stiftungen zunehmend schwer, ihr Geld ertragreich anzulegen. Gelingt es den Stiftungsvorständen nicht, das Kapital dauerhaft zu erhalten und zu mehren, droht ihnen der Entzug der Gemeinnützigkeit. Dies bringt Stiftungsvorstände zusätzlich unter Druck. Sparbücher oder Festgeldanlagen allein bringen derzeit keinen ausreichenden Ertrag. Deshalb denken Stiftungsvorstände zunehmend über höherverzinsliche Anlagealternativen nach. Verbindliche Anlagerichtlinien sollen vor unüberlegten Entscheidungen schützen und so Risiken minimieren.

Heidrun Lüdtke: Auch die Themen Mission Investing – satzungskonforme Geldanlage – oder Impact Investing – wirkungsorientierte Geldanlagen – gewinnen zunehmend an Popularität. 36,5 Prozent haben den Befragungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zufolge ihr Vermögen in Immobilien angelegt, ein Drittel auch in Immobilienfonds. Mehr als die Hälfte der kleinen Stiftungen hat jedoch keine dieser Anlageklassen im Portfolio. Anders sieht es bei den großen Stiftungen aus: Mehr als jede 2. Stiftung besitzt Immobilien.

Wie sehen Sie das Thema Nachhaltigkeit in der Stiftungsanlage?
Heidrun Lüdtke: Stiftungen sind auf Dauer angelegt und haben mit ihrem Vermögen ein starkes Instrument auf positive gesellschaftliche Veränderungen hinzuwirken. Das Vermögen der Koepjohann`schen Stiftung besteht zum größten Teil aus Immobilien in Berlin-Mitte. In der Bewirtschaftung unserer Wohn- und Gewerbeeinheiten achten wir sehr darauf, soziale, ökologische und ökonomische Standards einzuhalten und weiter zu entwickeln. Unsere Mieter und Mieterinnen wissen dies und halten uns die Treue. Mit unserem Engagement möchten wir langfristig daran mitwirken, Notlagen für Frauen und ihre Kinder zu reduzieren. Es ist also eine nachhaltige Investition von der wir wissen, dass sie sich in jedem Fall lohnt: Sozial, ökonomisch und ökologisch.

Heidrun Lüdtke ist Geschäftsführerin für Sozialmanagement, Volker Devermann ist Geschäftsführer für Finanzen und Immobilien.