Ab 2. August müssen Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erheben. Möchte ein Anleger ökologische oder ethische Kriterien berücksichtigt wissen, darf ihm nicht mehr jeder Fonds angeboten werden. Selbst eine Einstufung gemäß Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung reicht dann nicht aus – auch wenn diese Kategorie bislang als Sammelbecken für Investmentprodukte galt, die eine ESG-Strategie verfolgen. Vielmehr müssen diese Fonds bestimmte Zusatzkriterien erfüllen (FONDS professionell ONLINE berichtete ausführlich).

Über die Frage, welche Fonds für welche Nachhaltigkeitspräferenzen in Frage kommen, wird unter Asset Managern und Finanzvertrieben rege diskutiert. Das gilt nicht nur für Wertpapierportfolios, sondern auch für Sachtwertinvestments. Der Anbieter Wertgrund fühlt sich nach einem ESG-Upgrade seines offenen Immobilienfonds Wertgrund Wohnselect D gut aufgestellt. Darüber und über den bevorstehenden Cash-Call für den Fonds sprach FONDS professionell ONLINE mit Wertgrund-Vorstand Thomas Meyer.


Herr Meyer, Ihr Fonds gilt als sogenannter Artikel-8-Plus-Fonds und darf als solcher auch in Zukunft an Kunden mit Nachhaltigkeitszielen vertrieben werden. Warum haben Sie sich, als Sie das Anlagekonzept für die neue ESG-Regulierung angepasst haben, nicht gleich für den strengeren Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung entschieden?

Thomas Meyer: Mit einem Bestandsfonds als konform mit Artikel 9 klassifiziert zu werden, das ist sehr schwierig. Ich glaube, seriös schafft das keiner – zumindest nicht sofort. Dazu müssten Sie ja jetzt schon für alle Objekte im Bestand den gesamten Datenpool dazu haben. Es hilft Ihnen zum Beispiel nichts, wenn Sie die begehrten LEED- oder BREEAM-Zertifikate zwar vorweisen können, aber bisher keine CO2-Erfassung im Betrieb der Immobilien betrieben haben. Darüber hinaus müssen Sie als Artikel-9-Produkt eine nachhaltig positive Auswirkung darstellen, das wird sehr schwer.

Wird der Cash-Call eine bestimmte Zeit lang dauern oder wird er so lange dauern, bis ein bestimmtes Volumen beieinander ist?

Meyer: Bei unserem letzten Cash-Call hatten wir ein Volumen von 30 Millionen Euro angestrebt und sind bei deutlich über 50 gelandet. Wir hatten uns – nach einigem Ringen – dazu entschieden, das meiste anzunehmen, weil wir tatsächlich auch Investitionsmöglichkeiten in der Größenordnung hatten. Jetzt eröffnen wir zunächst eine Avis-Phase. Seit dem 25. Juli bis einschließlich 5. August können uns Anleger mitteilen, in welcher Größenordnung sie Anteile am Fonds erwerben möchten. Wir bekommen damit einen Überblick, ob zum Beispiel sehr große Zeichnungswünsche dabei sind oder viele kleine – was uns am liebsten ist. Am Ende der Phase können wir entscheiden, ob wir alles zuteilen oder nicht. Wer von uns eine positive Rückbestätigung erhält, wird gebeten, in der Orderphase zwischen dem 11. und dem 19. August, der eigentlichen Cash-Call-Phase, über seine depotführende Stelle seinen Kaufauftrag einzureichen. Wir werden dann aber nur Käufe akzeptieren können, die auch vorher avisiert wurden, haben allerdings den anstehenden Cash-Call nicht an ein konkretes Volumen gebunden.

Wie wird die frische Liquidität aus dem Cash-Call verwendet werden?

Meyer: In erster Linie sind die neu zufließenden Mittel für die Zahlungsverpflichtungen aus unseren aktuellen Projektentwicklungen sowie auch für Sanierungsmaßnahmen gedacht.

Sie handhaben Ihre Politik der Cash-Calls und Cash-Stopps sehr viel restriktiver als Ihre Mitbewerber. Geht es dabei um ein Instrument der Liquiditätssteuerung, oder steuern Sie damit auch Aufmerksamkeit der Anlegeröffentlichkeit in Ihre Richtung.

Meyer: Meines Wissens sind wir der einzige offene Immobilienfonds, der dieses System in seinem Prospekt abgebildet hat. Wir haben es 2017 eingeführt, weil wir ein Instrument gebraucht haben, die enorme Nachfrage nach dem Wohnselect auf die tatsächlich für Investitionen benötigte Liquidität abzustimmen. Mit einem Buhlen um Aufmerksamkeit hat das nichts zu tun, sondern es ist allein aus der Liquiditätsseite gesteuert.

Sie bleiben damit aber auch ein relativ kleiner Fonds. Andere offene Immobilienfonds – zumal mit dem Schwerpunkt Wohnen – sind viel kürzer am Markt, haben aber schon das Zehnfache Ihres Volumens.

Meyer: Wir sind vor gut zwölf Jahren mit folgender Überlegung angetreten: Wir wollten ein Fondsvolumen in Höhe von nicht mehr als 400 Millionen Euro, was damals ungefähr 2.500 Wohnungen entsprach. Auf diese Zahl sind wir gekommen, weil wir an fünf guten Standorten in Deutschland ein Portfolio von jeweils 350 bis 500 Wohnungen haben wollten, eine Größenordnung, die man effizient managen kann. Damit waren wir frei von einigen Problemen wie Klumpenrisiken oder Wachstumsdruck. 2017 haben wir dann rund 30 Prozent des Portfolios verkauft, unseren gesamten Bestand in Leipzig, Ingolstadt und im Rheinland. Angesichts der enorm gestiegenen Preise ging es uns um eine Gewinnmitnahme für unsere Anleger. Auch mit unserem vierten Cash-Call wollen wir das Volumen des Fonds aber nicht allzu sehr vergrößern. Mit rund 500 Millionen Euro Gesamtvolumen geht es uns darum, vor dem Hintergrund der aktuellen Umbrüche, was Inflation, Zinswende und Preisentwicklung betrifft, weiterhin "auf Sicht" fahren zu können.

Vielen Dank für das Gespräch. (tw)