Standards zur Green-Building-Zertifizierung wie BREEAM, LEED oder DGNB, die die ökologische Verträglichkeit von Immobilien beglaubigen, haben sich im Markt der Immobilieninvestments etabliert. Man steht besser da, wenn man eine Zertifizierung als Green Building vorweisen kann. Aber: Die Auszeichnungen sind freiwillig – und nicht ganz billig. Vor dem Hintergrund zunehmend gesetzlich reglementierter Öko-Nachweise stellt sich also einerseits die Frage nach der Aussagekraft der Green-Building-Zertifikate, andererseits die nach ihrer Zukunft. FONDS professionell ONLINE sprach dazu mit Michael Schneider. Er ist Geschäftsführer der Intreal, einer Service-KVG für Immobilienfonds.


Herr Schneider, welche Bedeutung haben Green-Building-Zertifikate? Bieten sie einen echten Mehrwert oder betreibt man mit ihnen eher "Greenwashing"?

Michael Schneider: Bei den Zertifikaten wie beispielsweise dem der DGNB handelt es sich keineswegs um Greenwashing. Sie bieten auf jeden Fall einen Mehrwert, da sie mit harten Kriterien hinterlegt sind. Beispielsweise werden im DGNB-System beim Wasserverbrauch oder bei der Müllmenge pro Jahr feste Ziele vereinbart, die bei Nichteinhaltung einen Punktabzug geben. Die Herausforderung ist allerdings, dass diese Zertifikate aktuell nicht mit den ESG-Anforderungen der EU an die Fonds harmonisiert sind. Ein Gebäude kann laut Zertifikat sehr ökologisch sein und die Anforderungen an einen ESG-Fonds dennoch nicht erfüllen.

Rechnen sich Green-Building-Zertifikate auch wirtschaftlich oder werfen sie ausschließlich einen ökologischen Mehrwert ab?

Schneider: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Am Anfang entstehen auf jeden Fall höhere Kosten für die Implementierung und die Erfassung von vielen Daten. Dem stehen während der Haltedauer Mehreinnahmen und häufig Ersparnisse von Bewirtschaftungskosten gegenüber. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zertifizierung vor allem beim Exit eine wichtige Rolle spielt.

Sind nachhaltige Gebäude teurer als andere? Werden die EU-Standards Immobilien verteuern?

Schneider: Ich würde die Frage andersherum beantworten: Die Abschläge auf nicht-nachhaltige Immobilien werden perspektivisch steigen. Insofern sind die ESG-Standards eine Investition in den Werterhalt einer Immobilie. Durch diese Standards werden zudem zukünftig deutlich mehr Daten über die Immobilie erhoben. Das sorgt schon einmal für mehr Transparenz, welche auch dabei helfen kann, Einsparungen vorzunehmen. Ob die neuen Auflagen jedoch langfristig zu mehr Einsparungen beitragen, hängt natürlich von der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ab und davon, welche Maßnahmen im jeweiligen Objekt umgesetzt werden.

Welchen Stellenwert haben Green-Building-Zertifikate noch vor dem Hintergrund der gesetzlichen EU-Standards wie der Taxonomie oder der Offenlegungsverordnung?

Schneider: Die EU gliedert Nachhaltigkeit in die drei bekannten Dimensionen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung und geht dabei deutlich über die Zertifikate, die vor allem auf die Ökologie abstellen, hinaus. Die klassischen Zertifikate können in Bezug auf Fonds, die Anlagestrategien auf ökologische Faktoren ausgerichtet haben, dennoch ein wichtiger Baustein bei der Erfüllung der ESG-Regulierung sein.

Wie haben Sie "Nachhaltigkeit" für sich definiert?

Schneider: Wir als Immobilien-Service-KVG setzen die Regulierung sowohl für unsere Fondspartner als auch für unser eigenes Unternehmen um. Dabei orientieren wir uns an den Vorgaben der EU sowie an national und international anerkannten Standards wie den UN Principles for Responsible Investment (UNPRI) oder den BVI-Leitlinien für nachhaltiges Immobilien-Portfoliomanagement.

Worauf sollten Investoren sinnvollerweise achten, um selbst beurteilen zu können, ob ein Objekt nachhaltig ist?

Schneider: Künftig werden alle Immobilienfonds in eine der drei folgenden Klassen fallen: Es wird Fonds geben, welche formal nach der Offenlegungsverordnung als nicht ESG-konform gelten (Artikel-6-Fonds), solche, die ESG-Kriterien berücksichtigen (Artikel-8- oder ESG-Strategie-Fonds) und Fonds, die aktiv zu mehr Nachhaltigkeit beitragen (Artikel-9- oder Impact-Fonds). Anleger können sich an dieser Klassifizierung orientieren, wobei zu beachten ist, dass es natürlich auch in den Artikel-6-Fonds nachhaltige Objekte geben kann. Für Anleger lohnt sich daher auch ein Blick auf die Website der KVG, wo sie gemäß Offenlegungsverordnung darlegen muss, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken im Investitionsentscheidungsprozess berücksichtigt.

Vielen Dank für das Gespräch. (tw)


Mehr über kontroverse Positionen zum Stellenwert von Green-Building-Zertifikaten, die wesentlichen Eckdaten der unterschiedlichen Zertifizierungssysteme und ihr Zusammenspiel mit der EU-Regulierung lesen Sie in Ausgabe 1/2021 von FONDS professionell, die Ende März erscheint.