Die Entscheidung des BMF ist eine gute Entscheidung, sagt DAV-Vorsitzender Maximilian Happacher. Derzeit könne man davon ausgehen, dass auch die Renditen langfristiger Staatsanleihen über dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent verbleiben werden. "Ein nach wie vor mit Sicherheitsabschlag kalkulierter Höchstrechnungszins von 1,0 Prozent ergibt daher Sinn", so Happacher. Für 2024 hatte die DAV noch zur Beibehaltung der 0,25-Prozent-Marke geraten. Die Aktuare geben ihre Empfehlung stets für das übernächste Jahr ab.

Die Anhebung – die erste seit über 30 Jahren –  werde sich positiv auf die Gestaltung von Lebensversicherungsprodukten auswirken, wovon wiederum Verbraucher profitieren, betont der Versichererverband GDV. Den Zinssprung für das Neugeschäft hatte Florian Toncar, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, vergangenen Donnerstag (25.4.) auf einer Podiumsdiskussion während der DAV-Jahrestagung 2024 in Berlin ins Spiel gebracht, als er eine "sehr zeitnahe Entscheidung" zum Höchstrechnungszins ankündigte, die nun am Montag (29.4.) erfolgt ist. Die DAV hatte die Erhöhung schon im vergangenen November vorgeschlagen.

Referentenentwurf zur Altersvorsorgereform erst im Sommer
Während der Diskussion zum Thema "Die Zukunft der Altersvorsorge" auf der DAV-Jahrestagung wurde einmal mehr deutlich, dass der Umgang mit der Altersvorsorge in der Gegenwart noch nicht für die Zukunft reicht. "Im Sommer geht der Referentenentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge in die Anhörung und nach der Sommerpause beginnt die parlamentarische Debatte, sodass das Gesetz zum 1. Januar 2025 in Kraft treten kann", blickte Toncar voraus.  

Carsten Brodesser, Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages, findet die geplanten Vereinfachungen bei Förderung und Beitragsverfahren der Riester-Rente sinnvoll, hat aber Sorge wegen des Zeitplans: Die AV-Reform sei Teil des Rentenpakets IV, aktuell wird aber erst Rentenpaket II (zu GRV-Haltelinien und Aufbau von "Generationenkapital" in GRV) verhandelt. "Die Langsamkeit der Umsetzung ist angesichts des guten inhaltlichen Vorlaufs langsam peinlich", so der CDU-Politiker.

Pro und Contra bei lebenslangen Altersleistungen
Kontrovers wurde die angedachte Aufhebung lebenslanger Altersleistungen beim geplanten neuen Riester-Produkt "Fondsspardepot" diskutiert, dessen Auszahlungsplan schon mit Mitte 80 enden soll. Die Fokusgruppe "Private Altersvorsorge" hatte bekanntlich in ihrem Abschlussbericht empfohlen, durch zeitlich befristete Auszahlungspläne den Sparern in der Auszahlungsphase mehr Freiheiten einzuräumen.

FDP-Politiker Toncar bestätigte erneut, Menschen nicht zu sehr bevormunden zu wollen, die aus eigenen Mitteln Konsumverzicht für die Altersvorsorge betreiben. "Die Verwendung des Kapitals fürs Alter bleibt ja wie bisher zu 70 Prozent vorgeschrieben", sagte er wörtlich. In den USA entnähmen Teilnehmer solcher Auszahlpläne oft sogar zu wenig Geld im Alter, es gebe also kein schnelles Konsumieren in der Praxis. "Der Auszahlungsplan gehört erprobt", so Toncar.

Warum Auszahlungsplan nur bis 85 gefährlich wäre
"Das Argument der Bevormundung sticht nicht, da die meisten Menschen eine Lebensstandardsicherung brauchen", widersprach Hans-Joachim Zwiesler, langjähriger Universitätsprofessor am Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Ulm. Die Verhaltensökonomie wisse, dass es eine lebenslange Leistung brauche, zumal die eigene Lebenserwartung meist unterschätzt werde. "Heute 65-Jährige werden zu über 50 Prozent älter als 85", erinnert das langjährige DAV-Mitglied. Eine komplette Freistellung des AV-Vermögens wie beim "Fondsspardepot" wäre ein falscher Anreiz. Das Risiko des "Wegbrechens finanzieller Ressourcen" sei essenziell, zumal Ältere kaum noch Chancen hätten, Arbeitseinkommen zu generieren.

CDU-Politiker Brodesser erinnerte daran, dass der Verrentungszwang schon seit der Altersvorsorgereform 2002 bei der Riester-Rente eingeführt wurde, um seinerzeit beschlossene Kürzungen bei Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu kompensieren. Der Staat hat eine Lenkungsfunktion, auch um den Sozialstaat vor späterer Überforderung zu schützen. "Die Union tendiert daher weiter zum Verrentungszwang", so Brodesser.

Geringere Garantieanforderungen in Aussicht gestellt
Garantieanforderungen für staatlich geförderte Vorsorgeprodukte seien laut DAV zu überarbeiten, um den Weg für ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis zu ebnen. Gemeint sind primär Riester-Verträge und Beitragszusagen mit Mindestleistung (BZML) in der bAV, bei denen das Guthaben bei Rentenbeginn die volle Summe aller eingezahlten Beiträge aufweisen muss (100-Prozent-Beitragsgarantie). In der bAV vermitteln die Versicherer insbesondere Produkte für die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ). Häufig werden dort nur 80 Prozent Beitragsgarantie geboten. Gesetzgeber und Bundesarbeitsgericht haben sich dazu bisher bedeckt gehalten.

Welches Garantieniveau soll für staatlich geförderte Produkte künftig gelten? Toncar plädiert dafür, dass es "beim Fondsdepot keine Garantien geben wird". Bei versicherungsförmigen Lösungen mit Garantien stellte er eine gesetzlich sanktionierte Absenkung von 100 auf 80 Prozent in Aussicht. Bei fondsgebundenen Riester-Rentenversicherungen fällt künftig womöglich der Garantiezwang völlig weg. "Das wird aktuell geprüft", so der Staatssekretär. Bislang gilt dort noch die 100-Prozent-Beitragsgarantie.

Reform der bAV wohl zeitgleich mit Reform privater Altersvorsorge
Bei Betriebsrenten gebe es mit der tariflich organisierten reinen Beitragszusage über das Sozialpartnermodell (SPM) erste Vereinbarungen, die völlig auf Garantien verzichten. "Die bAV-Reform in Regie des BMAS kommt wohl zeitlich parallel zur Reform der privaten Altersvorsorge", stellte Toncar in Aussicht. Angestrebt würden ein leichterer Zugang samt Andocken an bestehende SPM, mehr steuerliche Anreize in der bAV insgesamt und abgesenkte Garantien, um moderat chancenorientiertere Anlagemöglichkeiten zu schaffen.

Als Gründe mangelnder Verbreitung nannte Brodesser, dass die bAV als zu bürokratisch und sperrig empfunden werde. Die vorhandenen Instrumente müssten "geschmeidiger" sein, etwa die Garantieanforderungen. Eine bessere Portabilität als bisher bei Jobwechsel für die bAV-Ansprüche sei über die private Altersvorsorge regelbar, weil Arbeitnehmer dann selbst Vertragspartner würden. Dieser Vorschlag der CDU/CSU findet bisher jedoch kein Gehör. (dpo)