Die Dynamik der bAV-Entwicklung hat bekanntlich über die Jahre deutlich abgenommen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Dennoch gibt es rund 18,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit bAV-Ansprüchen. Die Ansätze zu der politisch gewünschten und gesetzlich begleiteten höheren Verbreitung der bAV als wichtigste Säule für die Alterssicherung nach der gesetzlichen Rente sind klar: höhere Förderung auch für Geringverdiener, verpflichtende Zuschüsse der Arbeitgeber bei Entgeltumwandlung und Einführung einer reinen Beitragszusage ohne Leistungsgarantien und ohne Arbeitgeberhaftung.

Den Rahmen dazu bildet insbesondere das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG), das schon seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist. Dadurch sind bisher die Umsätze besonders in der alten bAV gestiegen, die mit besserer Förderung ausgestattet wurde und weiterhin in voller Breite im Angebot ist. Davon profitieren Makler in gewohnter Weise im Firmenkundengeschäft über Kollektivtarife und individuelle Servicevereinbarungen mit den von ihnen beratenen Arbeitgebern.

15 Prozent wovon und wann?
Ein neuer Beratungsanlass ist dabei der seit 1. Januar 2019 geltende verpflichtende Arbeitgeberzuschuss (FONDS professionell ONLINE berichtete). Bei einer 2019 neu eingerichteten Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent des Umwandlungsbetrages als Zuschuss an die Versorgungseinrichtung (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) weiterleiten, soweit er selbst durch die Entgeltumwandlung SV-Beitrag spart. Doch der Teufel steckt im Detail (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Die Probleme kamen auf der Handelsblatt-Jahrestagung zur bAV Anfang April in Berlin klar zur Sprache. Einmal mehr trug Andre Cera, seit vielen Jahren Aktuar und Leiter Altersversorgung, Vergütung & Controlling der Otto-Group, die offenen Fragen vor Politikern, Arbeitgebern, Wissenschaftlern, Beratern und anderen Experten vor. Die Tücken lägen vor allem bei dem organisatorisch harmlos anmutenden 15-Prozent-Zuschuss der Arbeitgeber bei der Entgeltumwandlung.

Einmalzahlung contra monatliche Abrechnung
"Unser Versicherer akzeptiert nur einen einmaligen Zuschuss im Jahr, während die Abrechnungssoftware bei monatlicher Umwandlung die Zuschüsse nach BRSG zwingend monatlich verbucht", berichtet Cera. Das betreffe viele Versicherer. "Folglich müssen wir jetzt den Zuschuss für Neuabschlüsse außerhalb der bestehenden tariflichen Regelungen monatlich verrechnen und können ihn nicht, wie ursprünglich geplant, als Einmalbeitrag on-top zahlen", erklärt Cera. Das bedeute, dass der Arbeitnehmer zwar eine finanzielle Entlastung hat, seine bAV sich aber nicht aufgrund des Zuschusses überhaupt nicht erhöht.    

Ursprünglich sollte der 15-Prozent-Zuschuss pauschal und damit einfach abgebucht werden. Doch in Wahrheit ist es kompliziert: Falls bei monatlicher Betrachtung ein Zuschuss gezahlt wird, am Jahresende jedoch keine SV-Ersparnis bleibt, was dann? Wird dies plötzlich als freiwillige Arbeitgeberleistung gewertet, die der Arbeitgeber gar nicht wollte? "Aus Sicht der Praxis kann nur eine jährliche Betrachtung sinnvoll sein, da erst dann klar ist, ob und wie viel Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber gespart hat, und entsprechende Zuschüsse sicher errechnet werden können", sagt Cera. Es gebe im Moment mehr Fragen als Antworten. "Das sollte der Gesetzgeber arbeitsrechtlich so nicht stehen lassen", empfahl Cera.

Keine kurzfristige Nachbesserung beim BRSG
Marco Arteaga, Partner der Kanzlei DLA Piper, mahnte in seinem Tagungs-Vortrag ebenfalls rechtlichen Änderungsbedarf zum BRSG an. Die Komplexität der bAV müsse endlich reduziert und die Betriebsrente für Nutzer einfacher werden. Allerdings dämpften Vertreter der federführenden Ministerien die Hoffnung auf baldige Nachbesserung. "Im Zweifel muss das Bundesarbeitsgericht alles klären", meinte Peter Görgen, Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Eine Evaluierung einzelner Teile des BRSG stehe intern erst fünf Jahre nach Inkrafttreten an, blickte Christine Harder-Buschner, Regierungsdirektorin im Bundesministerium der Finanzen (BMF), voraus.

An der renovierten Riester-Förderung innerhalb der bAV ist vor allem bemerkenswert, dass seit 2018 in der Auszahlungsphase die SV-Pflicht (Doppelverbeitragung) entfallen ist. Auf diesen Fortschritt warten Betriebsrentner aller anderen Durchführungswege in der bAV bislang weiter vergeblich, obwohl auf der Tagung wiederum eindringliche Appelle der Experten Richtung Politik gesendet wurden. Man darf gespannt sein, wie lange das kategorische Nein der Kanzlerin angesichts des Bundesratsvorstoßes von Bayern zur Abschaffung hält.

Riester plus Entgeltumwandlung in einem Vertrag
Ein praktisches Hindernis für Vorsorge-Sparer wurde von den ersten beiden Versicherern ausgeräumt, war auf der Tagung zu hören. Bei der betrieblichen Riester-Rente wird die Beitragszahlung weiterhin aus dem Nettolohn geleistet. Im Gegenzug ist die Rente später abgabenfrei – anders als bei der bAV nach Paragraf 3 Nr. 63 EStG, bei der die Beiträge aus dem Bruttolohn gezahlt werden. "Wir bieten seit Anfang Februar 2019 das Förder-Hopping zwischen Entgeltumwandlung und bAV-Riester in einem Vertrag – ohne Tarifwechsel", sagte Michael Rosch, Leiter Produktmanagement der HDI Lebensversicherung. Ein ähnliches Produkt bietet R + V, berichtete R+V-Vorstand Rüdiger Bach.

Der Weg: Es muss nur eine einzige Direktversicherung abgeschlossen werden. Arbeitnehmer sparen ihre Betriebsrente damit also je nach Lebens- und Finanzlage wechselweise aus zwei Töpfen an: entweder Entgeltumwandlung „aus dem Brutto" (nach Paragraf 3 Nr. 63 EStG) oder Riester-Rente (nach Paragraf 10 a EStG) aus dem Netto-Gehalt samt umfangreicher staatlicher Riester-Zulagen – oder beides gleichzeitig, indem der Beitrag gesplittet wird.

Neuer Ansatz für SPM bei Metzler  
Die Planungen zur reinen Beitragszusage (Sozialpartnermodell – kurz: SPM), die das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) seit dem 1. Januar 2018 erlaubt, laufen nun schon seit 15 Monaten. Ein Pilotprojekt der Tarifpartner gibt es deutschlandweit aber noch immer nicht. Am weitesten vorangekommen sind die Anbieter. Pensionsfonds scheinen am ehesten bereit, solche Modelle vom Stapel zu lassen, aber auch Direktversicherungen, ob einzeln oder als Konsortien. Auch zwei Fondsgesellschaften präsentierten auf der Tagung ihre Modelle (DWS; Metzler). Ansatz: Statt auf eine Pufferbildung wie Versicherer setzt die neugegründete Metzler Sozialpartner Pensionsfonds AG auf Wertsicherung schon im Anlagekonzept.

Die anwesenden Tarifpartner ver.di, IG Metall und Bundesarbeitgeberverband Chemie reklamierten mehr Zeit für sich, obwohl ihnen klar ist, dass sonst über kurz oder lang ein Obligatorium vom Gesetzgeber droht. Mit ersten SPM-Abschlüssen rechnen sie nicht vor 2020. Dabei hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kürzlich auf einer anderen Tagung mehr Tempo angemahnt, worauf Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, ankündigte, mit einem mittelständischen Versicherer kurz vor dem Abschluss des ersten SPM zu stehen. Das war am 7. März. Auf der Handelsblatt-Tagung vier Wochen später ruderte ver.di zurück: Keinesfalls sei vorschnelles Handeln sinnvoll, hieß es nun. (dpo)