Wie in den vergangenen Jahren erzeugen die Bilanzen der Versicherer viele neidische Blicke bei den versicherten Gewerbe- und Industriekunden. "Doch irgendein Argument findet sich immer, bei Bedarf unliebsame Kunden, ganze Bestände oder gar ganze Sparten auf den Prüfstand zu stellen oder vielleicht sogar aus den Büchern zu streichen", sagte Thomas Haukje, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), kürzlich auf der traditionellen Jahrespressekonferenz des Verbandes in Hamburg. 

Die Versicherer zeigten zwar verstärkt publikumswirksamen Optimismus für bessere Zeiten, aber die Hoffnung, dass die "Zeit des harten, engen Marktes für viele Risiken und der Sanierungen vorbei ist, wurden trotz dessen nicht erfüllt, der harte Markt dauert deutlich länger als in der Vergangenheit an und ist eher der neue Markt", so Haukje, der im Hauptberuf Geschäftsführer der Nordwest Assekuranzmakler GmbH & Co. KG ist. Nach seiner Beobachtung haben Sanierungsaktionen mit der Gießkanne jedoch ihren Zenit deutlich überschritten.

Eigene Rentabilität in jeder Sparte für Versicherer essenziell
Dennoch: Das Vorgehen der Versicherer verläuft größtenteils fokussiert auf Branchen und schadenbelastete Kunden. "Ausnahmslos alle Sparten sollen jährlich positive Ergebnisse erzielen – so das proklamierte Ziel der Versichererzentralen", kritisiert der BDVM. "Spartenrentabilität steht vor Kundenrentabilität", so Haukjes Erfahrung. "Einige Versicherer verlieren das Kundeninteresse aus dem Blick", so seine Einschätzung, die bereits im Vorjahr so ausfiel.

BDVM-Makler bieten insbesondere für Kunden aus Industrie und Gewerbe Risikomanagement und Versicherungsschutz. "Sicherheit zu vermitteln, wird täglich schwieriger, obwohl die Bilanzen 2022 der meisten Versicherer exzellent waren", betont der Makler. "Wir bleiben als gelassene und erfahrenen Experten mehr denn je gefragt, unsere Kunden durch diese Zeiten zu navigieren und dafür Sorge zu tragen, dass sie mit optimalem Versicherungsschutz ausgerüstet sind", so Haukje weiter, der im November bei den BDVM-Präsidiumswahlen das Ehrenamt des Präsidenten abgibt – dem Vernehmen nach an Thomas Billerbeck, der sich für das Amt zur Wahl stellt.

Neue Konditionen für auslaufende Verträge in der Kritik
Versicherer würden weiterhin Prämien und Verträge anpassen, Risiken ausschließen und Kapazitäten reduzieren. Besonders ärgerlich: Kurzfristige Kündigungen durch Versicherer, die eine geordnete Prolongation von auslaufenden Verträgen, Renewal genannt, kaum möglich machten. "Die Gründe sind für Versicherungsmakler oft nicht nachvollziehbar", ärgert sich Haukje. So wurden zum 30. September wieder "bundesweit Verträge spontan kündigungsfrist-verkürzt und gleich hilfsweise gekündigt", berichtet der BDVM-Chef. Wenn Versicherer darauf von Maklern angesprochen würden, seien dies stets nur "bedauerliche Einzelfälle".

Tatsächlich hätten sich manche Versicherer weit von Konsenslösungen entfernt. Am Markt gebe es derzeit kaum Wettbewerb um Marktanteile. Namen nannte Haukje nicht, nahm aber ansonsten kein Blatt vor den Mund: Selbst, wenn deutliche Beitragserhöhungen in Kauf genommen würden, seien die Versicherer in vielen Sparten nicht bereit, die Kunden in vollem Umfang abzusichern.

Sachrisiken oft nur teuer oder gar nicht mehr versicherbar
Die industrielle Sachversicherung ist und bleibt die Sparte, die den BDVM-Maklern die größten Sorgen macht. Nach jahrelanger Sanierung sollten die außerordentlichen Prämienerhöhungen eigentlich beendet sein, hatte der Verband gehofft. Doch es gebe nun erhebliche Kapazitätsverknappungen. Wer die Anforderungen an den technischen Brandschutz nicht zeitnah erfüllt, riskiere den Deckungsnotstand. Bei "schweren Risiken", wie Holz, Chemie, Fleisch und Galvanik, müssten Makler kämpfen, um überhaupt vollen Versicherungsschutz komplettiert zu bekommen.

Auch in der privaten Sachversicherung rechnet der BDVM mit Beitragserhöhungen. "Privatkunden werden 2024 erschrocken sein, wenn sie ihren Brief mit der Rechnung für die Gebäude- und Hausratversicherung öffnen.“ Mehrbeitrag aufgrund der Wertzuschläge und gleitenden Neuwerte, höhere Schadenzahlungen durch Wetterereignisse und inflationsbedingt teurere Reparaturen werfen erneut ihre Schatten voraus. Besonders in der Wohngebäudeversicherung sei die "Prämienfindung" weiter im Gange. Für 2024 rechnet der GDV im Schnitt mit 7,5 Prozent Beitragssteigerung (2023: 14,7 Prozent; externer Link).

Kfz-Flotten zunehmend in Ausschreibungs-Zeitfalle
Auch in den anderen Sparten gehe es ans Eingemachte. Lediglich in der D&O-Versicherung sowie in der Cyberversicherung sieht der BDVM Lichtblicke. In der Kfz-Flottenversicherung tobe der "wilde Sanierungsteufel durch die Lande", erklärte Haukje. Aufgrund der hohen Reparatur- und Ersatzteilkosten in den Werkstätten erwarten im Grunde alle Marktbeteiligten "in Teilen massive Prämiensteigerungen". Auch die Fahrzeuge selbst sind aufgrund der verbauten Technik deutlich teurer geworden.

Folge: Ein Großteil der Flotten wird dieses Jahr aufgrund der Sanierungsforderungen der Versicherer ausgeschrieben. Die Kfz-Flottenversicherer hätten zwei bis fünf Mal so viele Ausschreibungen wie in den Vorjahren auf dem Tisch, so Haukje. Nur höre man leider nichts oder sehr verspätet von den Versicherern. Die Arbeit sei kaum zu bewältigen, da sich die "Folgen des Ressourcen- und Fachkräftemangels zum Jahresende schmerzhaft für alle Beteiligten zeigen", so der BDVM-Präsident. Die aktuelle Marktsituation sei nichts für schwache Nerven. (dpo)