Ende April 2021 ist die Sonderregelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausgelaufen. Über eine nochmalige Verlängerung konnten sich CDU/CSU und SPD nicht einigen. Nun rechnen Experten mit einer Welle von Unternehmensinsolvenzen. Daher kommen bei Beratern und Versorgungsberechtigten derzeit viele Fragen zum Insolvenzschutz in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) hat dazu kürzlich Experten in der Reihe "DIA digital" befragt.

Eine der Kernbotschaften dort: Deutschland ist in puncto bAV-Absicherung bei einer Unternehmensinsolvenz gut aufgestellt. Durch den Pensionssicherungsverein (PSV), die Selbsthilfeeinrichtung der deutschen und luxemburgischen Wirtschaft, gehen unverfallbare Betriebsrenten-Ansprüche aus Pensionszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds in Deutschland und Luxemburg nicht verloren. Neuerdings sind dort auch Ansprüche aus Firmen-Pensionskassen abgesichert. Dagegen unterliegen Versorgungszusagen in Direktversicherungen und Pensionskassen der Lebensversicherer nicht der Insolvenzsicherungspflicht.

Blaupause für europäische Sicherungssysteme
Da kommt das zweite Sicherungssystem ins Spiel: der Sicherungsfonds Protektor. Er wäre bei Insolvenz eines Lebensversicherers (Verträge würden definitiv übertragen und weitergeführt) oder einer LV-Pensionskasse oder eines LV-Pensionsfonds zuständig, sofern die Einrichtung dort freiwillig Mitglied ist – was auf die meisten LV-Pensionskassen zutrifft.  

"Deutschland steht damit im internationalen Vergleich gut da", sagte Hans H. Melchiors (67), bis vor kurzem noch PSV-Vorstand und nun offiziell im Ruhestand, auf dem DIA-Forum. Derzeit stünden 11,1 Millionen Versorgungsberechtigte unter Insolvenzschutz, nun kämen noch 2,3 Millionen von Firmen-Pensionskassen hinzu. Vergleichbaren Schutz gebe es in Europa nicht.

In Großbritannien sei eine gewisse Sicherung für frühere Direktzusagen vorhanden, "der Höhe nach aber maximal auf die Hälfte des deutschen PSV-Schutzes begrenzt", so Melchiors. Noch geringer seien die Ansprüche in Schweden. Einzig die Schweiz biete sehr guten Schutz, weil dort das Sicherungssystem selbst gesichert werde – die Pensionskassen würden bei Unterdeckung aufgefüllt oder übertragen.

Probleme bei geschäftsführenden Gesellschaftern
Viele Firmenchefs, die zugleich Inhaber des Unternehmens sind (Gesellschafter-Geschäftsführer, GGF), wähnen sich mit ihrer Rentenzusage auf der sicheren Seite, sind aber nicht immer geschützt, warnte Karsten Rehfeldt, Geschäftsführer der BBVS Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungssysteme, auf dem DIA-Forum. "Beherrschende GGF fallen nicht in den Bereich des PSV-Schutzes", so der Experte.

Auch andere GGF müssten strenge Regeln beachten, um den Insolvenzschutz tatsächlich zu bekommen: So müsse das Rückdeckungsvermögen nicht nur verpfändet werden, sondern diese Verpfändung auch der Verwahrstelle (dem Versicherer oder bei Fondsrückdeckung der Depotbank) angezeigt, von der Verwahrstelle schriftlich bestätigt und durch Gesellschafterbeschluss besiegelt und dokumentiert werden, "damit eine rechtlich wirksame Verpfändung zustande kommt", erklärt Rehfeldt auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE.

Wenn der Arbeitgeber keinen Beitrag bezahlt
Obendrein gibt es eine Reihe von Problemfällen beim Insolvenzschutz. Bei "herrenlosen" Versorgungsverpflichtungen wie bei der Steuerberater-Pensionskasse ist der PSV zum Beispiel nicht zuständig.

Stellen Arbeitgeber die Beitragszahlung einer Direktversicherung schon vor einer Insolvenz ein, greift eine neue gesetzliche Regelung. "Nach Paragraf 166 VVG muss zumindest in den versicherungsförmigen Durchführungswegen der Versorgungsträger den Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) über den Beitragsrückstand informieren und die Nachzahlung anmahnen, aber auch eine Zweitschrift an den Arbeitnehmer (versicherte Person) schicken", erinnerte Rehfeldt. Falls die Beitragsabführung an den Versicherer unterbleibt, kann der Arbeitnehmer die Weiterzahlung vor dem Arbeitsgericht einfordern. Wird der Arbeitgeber insolvent, kann der Arbeitnehmer den Versorgungsträger für das Versäumnis haftbar machen, falls die Information über den Beitragsrückstand nicht erfolgt war.

Mindestschutz für die bAV bei Insolvenz, …
Auch neue Urteile beeinflussen den Insolvenzschutz der bAV. So erinnerte Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, an das EuGH-Urteil vom 9. September 2020 (Az.: C-674/18) und an jenes vom 19. Dezember 2019 (Az.: C-168/18), wonach Leistungskürzungen einer Pensionskasse, die selbst nicht zahlungsunfähig ist, bei Arbeitgeber-Insolvenz notfalls vom Staat aufgefangen werden müssen, wenn der Ex-Arbeitnehmer dadurch entweder 50 Prozent seiner Versorgung verliert oder unter die von Eurostat ermittelte Armutsgefährdungsgrenze fällt.

"Die Fähigkeit des Betroffenen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, müsste aber schwerwiegend beeinträchtigt sein", hieß es in der Urteilsbegründung, die zur inzwischen in Deutschland beschlossenen Aufnahme von Firmen-Pensionskassen in den PSV-Schutz führte. Mittlerweile hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Einzelfall entschieden und den Mindestschutz für gesetzlich unverfallbare Ansprüche bestätigt (Az.: 3 AZR 142/16).

… aber nicht bei verfallbaren Ansprüchen
Doch was passiert mit verfallbaren Anwartschaften bei einer Insolvenz? Der PSV tritt dafür bekanntlich nicht ein. Hier greift das EuGH-Urteil vom 9. September 2020, bestätigt durch BAG-Urteile vom 26. Januar 2021: Danach gilt der Mindestschutz bei Insolvenz auch für noch verfallbare, also arbeitgeberfinanzierte Anwartschaften. "Man könnte dann an Staatshaftung denken", so die Diskutanten beim DIA-Forum. Anderes gilt, wenn die insolvente Firma verkauft und weitergeführt wird. Der Erwerber haftet für Ansprüche der von ihm übernommenen Arbeitnehmer auf Leistungen der bAV nur zeitanteilig für die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die der Arbeitnehmer nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegt hat.

So entschied das BAG mit mehreren Urteilen vom 26. Januar 2021 (Az.: 3 AZR 139/17 und Az.: 3 AZR 878/16). Meissner hält das für eine sinnvolle Maßnahme. "Kein Arbeitgeber will die Katze im Sack kaufen", so die bAV-Chefin der Stuttgarter mit Blick auf mögliche Pensionslasten. Übrigens: Verfallbar sind bAV-Ansprüche aus arbeitgeberfinanzierten Zusagen ab 2018, solange der Arbeitnehmer das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Zusage weniger als drei Jahre bestanden hatte. Entgeltumwandlungen sind stets sofort unverfallbar. (dpo)