Jüngere Arbeitnehmer in Deutschland sind bereit, Risiken bei der Geldanlage für die Betriebsrente in Kauf zu nehmen, um später höhere bAV-Leistungen zu erwarten. Großen Wert legen sie dabei auf eine Kapitalanlage nach ESG-Kriterien. Das zeigt eine Studie des bAV-Beraters Aon. Deutlich mehr als jeder Zweite akzeptiert dabei mittlere bis hohe Risiken bei der Anlage von bAV-Mitteln, um später mehr Betriebsrente zu erhalten.

In der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen respektive der 25- bis 29-Jährigen waren sogar jeweils knapp 60 Prozent bereit, höheres Risiko bei der Kapitalanlage zu akzeptieren, bei den 30- bis 35-Jährigen immerhin noch 53,3 Prozent. Jüngere Leute reiten also offenbar nicht länger auf der Garantiewelle, obwohl die bei der weit verbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) immer noch gesetzlich vorgeschrieben ist.

Mentalitätswechsel hin zu mehr Risiko
Im Rahmen der Studie hatte Aon im Sommer rund 1.000 Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 35 Jahren aus privatwirtschaftlichen Unternehmen unterschiedlicher Größe zu ihren Erwartungen an die Betriebsrente befragt. "Es deutet sich ein grundsätzlicher Mentalitätswandel an", berichtet Aon-Partnerin Angelika Brandl. Bei früheren Umfragen seien Arbeitnehmern durchweg Garantien besonders wichtig gewesen. "Das Wissen, dass höhere erwartete Renditen immer auch höhere Risiken bedeuten, setzt sich offenbar durch", so Brandl weiter.

Keine Abstriche wollen jüngere Arbeitnehmer jedoch bei den ESG-Kriterien machen. Rund drei Vierteln der Befragten ist eine Anlage nach ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien wichtig. "Dass die Geldanlage zum Aufbau einer Betriebsrente ESG-Kriterien erfüllen soll, ist eine große Chance für Arbeitgeber", urteilt Aon-Consultant Pascal Stumpp. Solche Unternehmen positionierten sich als attraktive Arbeitgeber.

Lösungen für renditestarke bAV trotz Inflation
Arbeitgeber und Berater suchen zugleich händeringend nach renditestarken Lösungen in der bAV, um die aktuell hohe Inflationsrate von über zehn Prozent  – der höchste Wert seit 1951 – zu kompensieren. Für die typischen Laufzeiten von Betriebsrenten gibt Rafael Krönung, CEO von Aon Wealth Deutschland, in gewisser Weise Entwarnung. Er erwartet für die mittlere Duration typischer Pensionsverpflichtungen Inflationsraten von maximal 2,7 Prozent. "In Verbindung mit dem EZB-Langfristziel von 2,0 Prozent Inflationsrate wären dies umgerechnet 2,2 Prozent bei 24,6 Jahren Laufzeit des bAV-Vertrages und 2,5 Prozent bei 12,2 Jahren", sagte er vergangene Woche auf der bAV-Handelsblatt-Tagung in Berlin.

Da die Unternehmen, die Direktzusagen geben, Renten meist im Dreijahresrhythmus anpassen müssen, hätte es zum Stichtag 1. Juli 2022 eine Rentenanpassung nach Verbraucherpreisindex (VPI) von 11,1 Prozent geben müssen. In den nächsten beiden Jahren seien die Werte noch deutlich höher.

Auswege für Arbeitnehmer
Die hohe Inflationsrate bedeute für Arbeitnehmer weniger Realeinkommen, Entwertung ihrer bAV, aber je nach Zusageart fast einen Werterhalt bei aktuellen Betriebsrentnern. Anders bei den noch Berufstätigen: Deren bAV-Anwartschaften sinken, da keine VPI-Anpassung erfolgt, sondern nur bei Rentnern. Es gebe nur zwei Auswege: höheres Gehalt durch aktuelle Tarifverhandlungen oder kapitalmarktorientierte Zusagen in der bAV. Letztere wirken der Inflation durch hohe Anlageerträge entgegen. Garantiemodelle hätten ausgedient, nötig seien genügend Freiheitsgrade bei der Kapitalanlage.

Krönung empfiehlt den bAV-Verantwortlichen und deren Beratern, die Inflationskosten zu identifizieren und danach einen Inflationscheck für die Versorgungssysteme zu starten. "Falls Neuordnungen anstehen, sollte die Inflationsfestigkeit als Faktor eingeplant werden", so Krönung.

Wertschätzung für Betriebsrente, die Arbeitgeber spendiert
In jedem Fall sei die Wertschätzung der Arbeitnehmer für Betriebsrenten, die allein vom Arbeitgeber finanziert werden, so hoch wie nie. Dies hatte bereits der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) auf seiner Jahrespressekonferenz betont. Anders bei der Entgeltumwandlung. Hier seien gute Argumente der Berater nötig, um Arbeitnehmer bei der Stange zu halten.

"Ein zusätzlich gewährter Arbeitgeberzuschuss, wie ihn das Gesetz für die meisten Unternehmen vorschreibt, wirkt bereits inflationsausgleichend gegenüber einer privaten Kapitalanlage ohne Zuschuss", sagt Marcus Wetzel, Geschäftsführer der Martens & Prahl Pensionsmanagement GmbH und Leiter des Arbeitskreises Großmakler beim BDVM. Auch eine 50-Prozent-Garantie über die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) sei ein guter Ansatz, zum Inflationsausgleich durch kapitalmarktorientierte Anlage beizutragen – alternativ zur wirtschaftlich nicht mehr darstellbaren BZML. (dpo)