"Ratings müssen Veränderungen im Markt nicht nur beobachten und analysieren, sondern sollten auch sachgerecht darauf reagieren", sagte Michael Franke vor fünf Jahren. Damals wurde die Leistungspraxis in die Bewertung der BU-Versicherung integriert und für die besten BU-Versicherungen gab es eine neue Höchstnote, erklärte der geschäftsführende Gesellschafter des Analysehauses Franke und Bornberg.

Heute sind selbstständige Berufsunfähigkeits-Versicherungen (SBU) so gut wie nie zuvor. Im SBU-Rating 2024 hat Franke und Bornberg 123 Tarife von 55 Versicherern analysiert, wobei mehr als die Hälfte hervorragend abgeschnitten hat. Doch die Freude ist nicht ungetrübt, denn die Chancen auf bezahlbaren Versicherungsschutz werden zwar insbesondere für Akademiker besser und noch preisgünstiger. Wer jedoch körperlich arbeitet, muss sich den BU-Schutz hingegen vom Mund absparen. "Ob Krankenschwester, Pfleger, Busfahrer oder Handwerker – gerade jene Berufe, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, fallen durchs Raster der Bezahlbarkeit", kritisiert Franke. Damit schrieben die BU-Versicherer die "Entwicklung zur Klassengesellschaft fort".

Fataler Trend zur Ausgrenzung
Gemeint ist ein fataler Trend: Im Jahr 2022 kamen auf 45,9 Millionen Erwerbstätige gerade mal ein Bestand von 5,63 Millionen selbstständigen BU-Policen und 11,11 Millionen BU-Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung. An der Produktqualität liege es nicht, wenn der BU-Absatz hinter dem Bedarf zurückbleibt. Seit dem ersten BU-Tarifrating des Analysehauses 1995 würden BU-Tarife immer leistungsfähiger.

"Die Produktentwicklung sollte sich stärker auf breitentaugliche SBU-Tarife konzentrieren, als für eine kleine Gruppe von Beschäftigten immer bessere Tarife zum niedrigeren Preis vorzuhalten", empfiehlt Franke. Eine immer stärkere Ausdifferenzierung der Berufsbilder biete hingegen keine Lösung. Je differenzierter die Berufe, desto mehr Verlierer werde es geben. "Was einige an Prämie sparen, zahlen andere drauf", kritisiert Franke.

Für das Rating 2024 hat Franke und Bornberg in der dritten Schicht (private SBU) insgesamt 123 Tarife von 55 Gesellschaften nach 73 Kriterien analysiert. Im Vorjahresvergleich ist der Anteil der Top-Tarife nochmals um satte 12,1 Prozentpunkte gestiegen – auf jetzt 56,9 Prozent (2019: 29,1 Prozent). Weitere 17 Prozent erreichen die zweithöchste Note (sehr gut). Eine schlechtere Wertung als die Note gut erhalten nur 12,2 Prozent der Tarife.

Ausweg Nr. 1 für körperlich Tätige: SBU über den Arbeitgeber
Um dem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis bei SBU-Verträgen für körperlich Tätige zu entgehen, könnten Makler insbesondere auf betriebliche SBU-Policen ausweichen. Dort werden traditionell weniger Gesundheitsfragen gestellt und der Schutz über den Arbeitgeber ist häufig auch kollektiv kalkuliert, was die Absicherung billiger macht. Andererseits bieten Gruppenverträge eben weniger Raum für individuell passende Absicherungshöhen und Vertragsklauseln.

Das Angebot an betrieblichen SBU-Policen sei zwar deutlich kleiner als bei privaten SBU-Policen: Nur 25 Gesellschaften und damit 40 Prozent aller BU-Versicherer offerieren Tarife zur SBU über den Arbeitgeber. Aber auf der Qualitätsskala rangiert die SBU über den Betrieb ganz weit oben. 62,5 Prozent der untersuchten Tarife wurden hervorragend bewertet. "Insgesamt sind vier von fünf Tarifen sehr gut oder besser", betont Franke.

Ausweg Nr. 2 für körperlich Tätige: Erwerbsunfähigkeitsversicherung
BU-Verträge haben sich bedingungsseitig zu Hochleistungsprodukten entwickelt. Doch dieser Trend habe auch Schattenseiten, mahnt Franke: "Viele Verbraucher können sich Top-BU-Schutz nicht leisten, weil sie nicht gesund genug, zu alt oder im 'falschen' Beruf unterwegs sind." Ein anderer Ausweg für Berater und deren Kunden könnte neben betrieblichen SBU-Policen die Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) sein. Sie zahlt meist, wenn Versicherte krankheitsbedingt weniger als drei Stunden täglich erwerbstätig sein können, egal aus welchem Grund.

Doch gerade mal ein Dutzend Versicherer haben die EU noch im Portfolio. Anders als die Grundfähigkeitsversicherung leistet ein EU-Tarif bei jedem Auslöser. "Psychische Erkrankungen, die immer relevanter werden, sind hier umfassend abgesichert, daher ist es unverständlich, dass so wenige Versicherer auf die EU setzen", kritisiert Franke. An der Qualität könne es nicht liegen. Immerhin gebe es aktuell nur sehr gute (66,67 Prozent) oder sogar hervorragende Tarife (33,33 Prozent). Vor einiger Zeit hatte FONDS professionell im Magazin ausführlich die Vor- und Nachteile von EU-Policen beleuchtet.

Erleichterte Annahme bei psychischer Vorerkrankung
Laut einer Umfrage der LV1871 glauben etwa 20 Prozent der Befragten, dass psychische Beschwerden der Grund für den BU-Fall sein könnten. Der Versicherer hofft, die Verbreitung von BU-Versicherungen erhöhen zu können, indem Menschen mit psychischen Vorerkrankungen beim Abschluss einer BU-Versicherung künftig nicht mehr pauschal als Risiko gesehen werden.

"Wir betrachten eine therapeutische Behandlung psychischer Leiden in unserer Risikoprüfung heute sehr differenziert und erweitern dadurch faktisch die Versicherbarkeit", erklärt Sandra John, Leiterin Risiko- und Leistungsprüfung bei der LV 1871. (dpo)