Aktuell erschöpfen sich die Anstrengungen der Versicherer vermeintlich auf immer neue Prämiensenkungen und das "Erfinden" neuer Berufsbilder, hat das Kölner Institut für Finanzmarkt-Analyse (Infinma) kürzlich seine neueste Analyse der Marktstandards in der BU-Versicherung kommentiert.

Das sei insofern schade, da es immer noch Themen gibt, bei denen auf der Bedingungsseite Luft nach oben wäre, so Infinma weiter. Nach wie vor sei es bei 75 Prozent der Tarife im Leistungsfall nötig, dass die versicherte Person von sich aus die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit anzeigen muss. "Das ist durchaus nicht so trivial, wie es sich anhört", sagt Geschäftsführer Marc Glissmann. In mehr als der Hälfte aller Tarife sei auch immer noch ein befristetes Anerkenntnis vorgesehen – aus Kundensicht eher nachteilig; vor allem, wenn der Kunde im Anschluss an die Befristung einen komplett neuen Leistungsantrag stellen muss.

Die aktuellen Marktstandards im Detail
Die wichtigsten üblichen Standards in den Bedingungen werden von Infinma schon seit 2011 regelmäßig analysiert, zuletzt 2022. Dazu werteten die Analysten aktuell erneut 18 für eine BU-Versicherung besonders wichtige Kriterien aus den Bedingungen aus. Diese Kriterien sind seit Längerem:

  1. Prognose
  2. Rückwirkende Leistung
  3. Abstrakte Verweisung
  4. Verzicht auf Umorganisation bei Akademikern
  5. Verzicht auf Umorganisation bei Kleinbetrieben
  6. Kostenbegrenzung bei Umorganisation
  7. Berufswechselprüfung
  8. Leistungsbeginn
  9. Meldefristen
  10. Erhöhungsoption ohne Anlass
  11. Beitragsstundung
  12. Befristete Anerkenntnisse
  13. Meldepflicht Minderung BU
  14. Meldepflicht Aufnahme Tätigkeit
  15. Nachprüfung
  16. Leistung bei Arbeitsunfähigkeit
  17. Ausscheiden aus dem Beruf
  18. Option auf selbständige Anschluss-Pflegerente.

Das Besondere: Aus diesen Merkmalen wird kein Rating erstellt, "da wir auf dem Standpunkt stehen, dass sich die einzelnen Bedingungsbestandteile nicht gegeneinander 'aufrechnen' lassen", heißt es bei Infinma. Deshalb werde auch keine Bewertung in Form von Punkten vorgenommen. Stattdessen werde für die einzelnen Kriterien dargelegt, ob der Anbieter eine Regelung getroffen hat, die besser oder schlechter als die meist verwendete ist.

Marktstandard als Branchendurchschnittswert
"Aus reichlich 400 Produkten werden für jedes einzelne Kriterium die Ausprägungen ermittelt, die am Markt anzutreffen sind", erklärt Glissmann. Diejenige Ausprägung, die von der Mehrheit der Produkte in den Bedingungen verwendet wird, definiere den Marktstandard im Sinne eines Branchendurchschnittswertes, so der Infinma-Geschäftsführer weiter. Im Gegensatz zu anderen Analyseverfahren zu BU-Produkten hat Infinma somit keinen Einfluss auf die Ergebnisse. "Der Marktstandard ergibt sich quasi automatisch aus den am Markt verwendeten Regelungen", so Glissmann. Das Institut zeichnet dabei regelmäßig die Produkte aus (Zertifikat), die in allen getesteten Kriterien den Marktstandard mindestens erfüllen oder übertreffen.

Von aktuell 439 (Vorjahr: 442) untersuchten BU-Tarifen bescheinigt Infinma 244 (Vorjahr: 231) den Marktstandard. Von 72 untersuchten Versicherern wurden 42 mit dem Zertifikat bedacht, weil sie mindestens einen BU-Tarif mit Marktstandard im Angebot haben. Längst nicht alle Gesellschaften bieten also durchgängig gute Bedingungen. Insgesamt haben 195 (Vorjahr: 211) Tarife von 30 (Vorjahr: 32) Versicherern den Marktstandard nicht erreicht.

Veränderungen bei den Kriterien 2024 angekündigt
"Dennoch bleibt die Qualität der Bedingungen auch in der Breite relativ hoch und Unterschiede in den Produkten sind vor allem in den Detailregelungen zu einzelnen Kriterien zu finden", konstatiert Geschäftsführer Jörg Schulz. Bei den Details gehe es zum Beispiel darum, wie lange Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit erbracht werden oder für welche Personengruppen auf die Umorganisation des Arbeitsplatzes verzichtet wird.

"Für das nächste Update der Marktstandards werden wir erneut prüfen, ob es nicht an der Zeit und sinnvoll ist, dass eine oder andere Kriterium auszutauschen", gibt Schulz einen Ausblick auf das nächste Jahr. Teilzeitregelung, Verlängerungsoption oder Einmalzahlungen bei Krebs könnten sich dabei anbieten. "Möglicherweise kommt dann auch wieder ein wenig Bewegung in die Marktstandards", so Schulz. Das könne auch am wachsenden Konkurrenzdruck durch die Grundfähigkeitsversicherung liegen.

Chancen und Risiken beim Marktstandard-Modell
Das Marktstandard-Modell ist nicht unumstritten, weil unklar bleibt, ob es sich bei den Marktstandards um eine für den Versicherten günstige Formulierung handelt. "Wir treffen an keiner Stelle Aussagen über die mit den Marktstandards verbundene Qualität der jeweiligen Regelungen", hatte Schulz schon vor längerer Zeit erklärt.

Etwaige ungünstige Formulierungen könne jeder Makler anhand der Veröffentlichungen auf der Infinma-Homepage sehr leicht erkennen und dann selbst im Sinne des Kunden entscheiden. Generell seien Makler jedoch von der Methodik angetan, weil sie kurz und bündig wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen liefert, so Schulz.

Was andere Untersuchungen ergeben
Die BU-Versicherung wird von etlichen Analysehäusern in Ratings bewertet, darunter kürzlich auch zur Kompetenz der BU-Anbieter durch das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). Die Höchstnote bekamen diese Lebensversicherer: Axa, Bayern-Versicherung, HDI, Nürnberger, R+V, Swiss Life, Zurich Deutscher Herold.

Im Rating zur BU-Tarifqualität (externer Link) durch Franke und Bornberg bekamen 44,8 Prozent der 759 untersuchten Tarifvarianten die Höchstnote. "Der BU-Schutz hat ein Top-Niveau erreicht und nach fast 30 Jahren Qualitätswettbewerb ist die BU austrainiert", sagt Geschäftsführer Michael Franke. Beim Rating zur BU-Beitragsstabilität 2023 vom Map-Report erhielten lediglich sieben von 60 Gesellschaften die Höchstwertung: LV 1871, Europa, Volkswohlbund, Allianz, Provinzial Rheinland, Continentale und die Bayerische. (dpo)


Die Methodik der BU-Marktstandards (externer Link) ist auf der Infinma-Website ebenso veröffentlicht wie eine Übersicht (externer Link) aller 42 Versicherer, die mindestens mit einem Tarif den Marktstandard erreicht haben, und der 244 zertifizierten BU-Tarife.