Vermittler von Versicherungsanlageprodukten wie Fondspolicen müssen sich bereits seit dem 2. August 2022 bei ihren Kunden danach erkundigen, ob und wie nachhaltig sie investieren möchten. Doch bis heute gestaltet sich die Abfrage der ESG-Präferenzen schwierig, wie das aktuelle Vermittlerbarometer des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW gerade erst gezeigt hat. Dies liegt unter anderem an einem mangelnden Interesse der Klientel, das durch das komplexe Abfrageverfahren nicht gesteigert wird. Damit Versicherungskunden nicht ganz den Spaß an nachhaltigen Investments verlieren, sollte der Prozess vereinfacht werden, sagt Michael Fauser, Vorstandsvorsitzender der Ergo Vorsorge, im Interview mit FONDS professionell ONLINE.


Herr Fauser, nach der aktuellen Auswertung von FONDS professionell liegt die Ergo auf Platz zehn der größten Anbieter von Fondspolicen, gemessen am Fondsbestand. In den vergangenen Jahren ist der Markt beständig gewachsen. Wird sich diese Entwicklung Ihrer Ansicht nach fortsetzen? 

Michael Fauser: Ja, wir sehen, dass der Markt für fondsgebundene Rentenversicherungen weiterhin wächst. Das gilt für Produkte mit und ohne Garantien. Die Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigen es: 2021 belief sich das Volumen der Kapitalanlagen für Fondspolicen bei den hiesigen Anbietern insgesamt zwar auf 173 Milliarden Euro, 2022 nur noch auf 153 Milliarden Euro. Der Rückgang ist aber dem extrem herausfordernden Börsenjahr 2022 geschuldet.  Die Zahl der Neuabschlüsse bei fondsgebundenen Rentenversicherungen ist um 14 Prozent auf über 600.000 Verträge gestiegen. Ich denke, dass dieser Wachstumstrend anhalten wird, zumal es auch immer mehr innovative Produkte gibt.

Inzwischen hat die Europäische Zentralbank den Leitzins aber immer weiter, zuletzt auf 4,5 Prozent, erhöht. Hat das keine negativen Folgen für den Fondspolicen-Markt?

Fauser: Tatsächlich ist branchenweit momentan ein Rückgang im Neugeschäft zu erkennen, insbesondere bei Fondspolicen gegen Einmalbeitrag. Wir als Ergo Vorsorge wachsen hingegen gegen den Markttrend sehr stark. Einer Analyse der Ratingagentur Assekurata zufolge sind wir der am stärksten wachsende Lebensversicherer in Deutschland. Darauf sind wir sehr stolz. Vor allem verzeichnen wir Wachstum im fondsgebundenen Bereich. Unser Anteil am Fondspolicengeschäft ist deutlich größer, als es am Markt im Schnitt der Fall ist. Wir planen auch, im diesem Jahr eine Fondspolice mit Garantie einzuführen, um uns noch besser zu positionieren.

Sie sprachen gerade schon von innovativen Produkten. Aktuell konstruieren manche Versicherer innovative Fondspolicen, indem sie Alternative Investmentfonds, kurz AIF, im Versicherungsmantel anbieten. Damit geben sie Kunden die Möglichkeit, innerhalb ihrer Policen etwa auch in Assetklassen wie Infrastruktur oder Private Equity zu investieren. Gibt es bei der Ergo auch Pläne dieser Art?

Fauser: Nein, Anlagen wie Private Equity sind nicht liquide genug. Man kann sie im Unterschied zu börsennotierten Papieren nicht mal schnell verkaufen. Wenn überhaupt, geht das nur mit Abschlägen und auch das dauert eine gewisse Zeit. Wir halten jedoch Flexibilität für ganz besonders wichtig. Daher haben wir keine Pläne, AIFs für unsere Fondspolicen anzubieten.

Warum ist Ihnen Flexibilität so wichtig?

Fauser: Weil wir denken, dass den Kunden dieser Aspekt besonders wichtig ist. Unsere Zeit ist schnelllebig, Menschen wechseln heute anders als früher öfter ihren Arbeitsplatz, die familiären Gegebenheiten ändern sich eher, Krisen häufen sich. Mit veränderten Rahmenbedingungen ändern sich auch der Risikoappetit und das Sicherheitsbedürfnis von Anlegern. Aus diesem Grund halte ich es für gut, wenn Versicherungsanlageprodukte wie Fondspolicen sehr flexibel gestaltet sind. Wir haben mit der Ergo Rente Balance schon vor sechs Jahren eine sehr flexible fondsgebundene Police gebaut, damit waren wir der Zeit voraus.

Inwiefern ist diese Fondspolice flexibel?

Fauser: Versicherungsnehmer können ihre Beiträge zwischen dem Sicherungsvermögen und den gewählten Fonds aufteilen. Die prozentualen Anteile können jederzeit verändert werden, auch das angesammelte Guthaben kann aus den Fonds in das Sicherungsvermögen geschoben werden oder andersherum. Ich denke, die Möglichkeit, sich sozusagen jederzeit ins Sicherungsvermögen zu "retten", nimmt Sparern auch die Angst vor Kapitalmarktprodukten wie Fonds. 

Aufgrund von Niedrig- und Negativzinsen sind in der jüngsten Vergangenheit bei Fondspolicen die Rentenfaktoren immer weiter gesunken. Werden sie nun wieder steigen?

Fauser: Ich halte die Rentenfaktoren für extrem wichtig. Es kommt nicht darauf an, welches Kapital zu Rentenbeginn zur Verfügung steht. Entscheidend ist, wie hoch die lebenslange Rente ist, die der Kunde auf jeden Fall erhält, weil es bei der Basisrente keine Möglichkeit der Kapitalentnahme gibt. Die Ergo Vorsorge gehört zu den Versicherern, die die höchsten Rentenfaktoren im Markt haben. Was aber die künftige Entwicklung der Rentenfaktoren anderer Gesellschaften angeht, da könnte ich nur spekulieren. Das werde ich nicht tun.

Lassen Sie uns auf das Thema Nachhaltigkeit kommen. Versicherungsvermittler, die Fondspolicen vertreiben, müssen schon seit einiger Zeit die ESG-Präferenzen ihrer Kunden ermitteln. Diese Abfrage ist nach strengen Regeln und recht bürokratisch vorzunehmen. Wie fallen die Reaktionen darauf aus? 

Fauser: Wir erkennen nach wie vor ein hohes Interesse bei diesem Thema. Fast die Hälfte der Kunden wählen Fonds, die nach Artikel 8 oder 9 der EU-Offenlegungsverordnung eingestuft sind. Daran sieht man, dass Nachhaltigkeit noch immer eine hohe Bedeutung hat. Aber es stimmt, dass die ESG-Präferenzabfrage bürokratisch abläuft, aus meiner Sicht sogar zu bürokratisch. Hier erhoffe ich mir von der Politik, dass sie endlich ihr Versprechen einlöst und Bürokratie abbaut. Die Tendenz der vergangenen Jahre zeigte leider in die entgegengesetzte Richtung. Heute erleben Kunden eine regelrechte Informationsflut, die ihnen bei Entscheidungen für ihre Altersvorsorge helfen soll, sie aber letztlich nur verunsichert und häufig mit Fragezeichen zurücklässt. Es ist wichtig, Prozesse zu vereinfachen und zu entbürokratisieren, denn sonst nimmt man den Menschen den Spaß und die Begeisterung an dem, was sie tun.

Wenn fast die Hälfte Ihrer Fondspolicen-Kunden nachhaltige Sondervermögen wählt, reicht das Angebot der Ergo Vorsorge, um eine breite Auswahl zu bieten?

Fauser: Ja, wir berücksichtigen nachhaltige Aspekte schon seit einiger Zeit in der Produktentwicklung. Daher haben wir, je nach Produkt, bis zu 40 ESG-Fonds zur Auswahl. Dabei orientieren wir uns an den Bewertungen der einschlägigen Ratingagenturen. Für unsere Policen Ergo Eco-Rente Chance und Ergo Eco-Rente Chance Select bieten wir Fonds an, die nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung klassifiziert sind. Wir überprüfen auch regelmäßig unsere Fondsliste und schauen immer, dass es ein ausreichendes, geeignetes Angebot an nachhaltig ausgerichteten Fonds gibt. Die Ergo Eco-Rente Chance, die wir über unseren Luxemburger Versicherer, die Ergo Life, anbieten, geht sogar noch weiter.

Wie das?

Fauser: Erstens stehen wie gesagt nachhaltig investierende Fonds zur Auswahl. Zweitens berücksichtigen die Kapitalanlagen, die die Ergo Life hält, Nachhaltigkeitsfaktoren, wie etwa Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange und die Achtung der Menschenrechte. Bezogen auf die Umwelt nutzt sie ökologisch sinnvolle Anlagemöglichkeiten, um eine mögliche positive Wirkung zu erzielen. Dazu gehört beispielweise ein sogenanntes Impact Investment, also eine Investition, die eine Wende zu erneuerbaren Energien mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt anstrebt.

Und drittens?

Fauser: Drittens haben wir die Ergo Life auch als Unternehmen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Das umfasst beispielweise Maßnahmen, die geeignet sind, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, wie die Überwachung und die Reduzierung des betrieblichen CO2-Fußabdrucks, und solche, die die sozialen Belange stärken durch gute Arbeitsbedingungen oder eine werteorientierte und regelkonforme Unternehmensführung. Wir sind mit der Nachfrage der Ergo Eco-Rente Chance sehr zufrieden, daher haben wir mit der Ergo Eco-Rente Chance Select noch ein zweites Produkt mit nachhaltigen Aspekten eingeführt. Denn wir glauben, dass sich der ESG-Trend fortsetzen wird.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)