Das Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) hat in seinem fünften Rating der Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) eine Stagnation im Markt auf hohem Bedingungsniveau ausgemacht. Dabei vergaben die Analysten an elf der 17 Offerten die Höchstnote "fünf Sterne". Schwache oder sehr schwache Tarife gibt es gar nicht.

Die elf Top-Tarife sind in alphabetischer Reihenfolge: Axa (SEU), Continentale (PremiumEU), DBV (SEU), Dialog (SEU sowie Erw. Bed. SEU), Europa (EU Premium), Inter (SEU Restleistung 3 Stunden), Metallrente Swiss Life (MetallErwerbsminderungsschutz Flex Basisschutz sowie Komfortschutz), Volkswohl Bund (SEU) und Zurich Deutscher Herold (SEU). Eine Auflistung der von M&M untersuchten Tarife gibt es hier (externer Link).

Wachsender Bedarf, aber stagnierende Absicherung
Der Bedarf steigt objektiv an, denn laut M&M bleibt vielen Interessenten der Zugang zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) als "höchster Absicherungsform" verwehrt. Grund sind meist die zu hohen Beiträge aufgrund von körperlicher Tätigkeit im ausgeübten Beruf. Alternativen zur BU gebe es zwar einige, wobei nur die EU-Versicherung auch abstrakt eine gesundheitliche Beeinträchtigung mit der Möglichkeit ein Erwerbseinkommen zu erzielen verknüpft.

Andere Absicherungsprodukte böten das nicht. Die Grundfähigkeitsversicherung beispielweise definiert konkrete Fähigkeiten, die leistungsauslösend sind, ohne Verknüpfung zur Erwerbseinkommenserzielung. "Die Erwerbsunfähigkeit steht aktuell zu Unrecht auf dem Abstellgleis, denn sie ist neben der BU die einzige Alternative, die tatsächlich die Arbeitskraft absichert", bringt es Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse, auf den Punkt.

Bedingungsanalyse ohne Blick auf Beitragsbefreiung bei BU
Insgesamt besteht die Bedingungsanalyse aus 45 Fragen. Davon sind 24 Fragen für das Rating relevant, die übrigen werden nachrichtlich ausgewiesen, erklärt Ludwig. Die ratingrelevanten Fragen beurteilen Sachverhalte und Produkteigenschaften, die als wesentlich für die Bedingungsqualität eines Produkts anzusehen sind. Neun davon müssten voll oder eingeschränkt erfüllt sein, um die Bewertung von vier oder fünf Sternen zu erreichen. Dazu gehört, dass der Versicherer die Erwerbsunfähigkeitsrente in Anlehnung an die gesetzliche Definition bei voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente zahlt.

Die einzelnen Fragen sind dabei unterschiedlich stark gewichtet. Die Details sind hier nachzulesen (externer Link). Die Frage, ob der Versicherer eine Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit gewährt, wird nicht behandelt. Ein solcher Leistungsbaustein wäre aber wünschenswert, schreibt Versicherungsmakler Gerd Kemnitz in seinem Blog (externer Link). Schließlich sei es sehr wahrscheinlich, dass ein Kunde zunächst berufs- und erst später mit sich verschlechterndem Gesundheitszustand erwerbsunfähig wird.

Makler hält EU-Absicherung nur für Notlösung
In diesen Fällen dürfte es für ihn allerdings schwierig werden, seine Beiträge für den Erwerbsschutz weiter zu zahlen. Aktuell gebe es kaum EU-Tarife mit Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit. Für Kemnitz könne die EU-Versicherung generell "mit ihren derzeitigen Mängeln maximal eine Notlösung sein".  

Nachdem M&M im März 2023 beim Grundfähigkeitsrating (GF) erstmals auch einen Preisvergleich im Rahmen der Arbeitskraftabsicherung für einen Dachdecker (Eintrittsalter 30, Endalter 67, 1.000 Euro Monatsrente) veröffentlicht hatte, wiederholte das Analysehaus diesen Vergleich nun mit identischen Ergebnissen beim EU-Rating. Demnach muss der Dachdecker in einem Fünf-Sterne-Tarif 160,07 Euro monatlich für die preisgünstigste BU-Absicherung zahlen. Bei einer EU-Versicherung sind es beim günstigsten Tarif 56,30 Euro, während die GF-Police mit 46,19 Euro zu Buche schlägt.

Preisvorteil relativiert sich durch Schadenstatistik
Makler Kemnitz sieht den Vergleich kritisch. "Wie hoch das Risiko bzw. die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsunfähigkeit wirklich ist, wird meist verschwiegen." Anhand tatsächlicher Invaliditätsdaten von 2020 zeigt er für einen Fliesenleger (25) auf, dass der bis zum 65. Lebensjahr mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 65,1 Prozent berufsunfähig wird, aber nur zu 27,9 Prozent erwerbsunfähig. "In den meisten Fällen wird ein Fliesenleger also berufsunfähig – aber nicht erwerbsunfähig – und erhält dann keinerlei Leistungen aus der EU-Versicherung", legt Kemnitz den Finger in die Wunde. Unter Berücksichtigung des eingeschränkten Versicherungsschutzes erscheine die EU-Versicherung dann nicht mehr ganz so preiswert.

Dennoch ist der Ausblick bei M&M positiv, auch preislich. In der Regel müsse gar nicht dieselbe Rentenhöhe wie in der BU-Versicherung vereinbart werden, denn ein Großteil der Kunden habe Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Da es sich um den gleichen Leistungsauslöser handelt, nämlich die Erwerbsunfähigkeit, könnten beide Rentenansprüche zusammen betrachtet werden. "Die EU kann damit eine echte und bedarfsgerechte Arbeitskraftabsicherung auf einem sehr hohen Bedingungsniveau bieten", so Ludwig.

Favoriten der Makler nur schwer zu identifizieren
Aus Maklersicht sind die Favoriten von Policen zur Arbeitskraftabsicherung (AKS) weitgehend stabil. Vor einem Jahr hatte die Versicherungs-Makler-Genossenschaft (Vema) das Votum ihrer Partnermakler offengelegt, dabei aber die EU-Versicherung nicht erwähnt. "Bisher wurde die EU-Absicherung gar nicht abgefragt, da es sich um eine eher untergeordnete Sparte handelt, die lediglich dann in Betracht kommt, wenn nichts anderes mehr möglich ist", heißt es von der Vema auf Nachfrage. Vor eineinhalb Jahren hatte FONDS professionell im Magazin ausführlich die Vor- und Nachteile von EU-Policen beleuchtet. (dpo)