Von 16,7 Millionen Riester-Verträgen mit rund 150 Milliarden Euro Ansparkapital entfallen rund zehn Millionen Verträge auf Rentenversicherungen. Trotzdem stagniert die Riester-Rente, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bereits bei der Vorstellung der Jahresergebnisse 2022 im Januar konstatiert hatte. Schuld seien vor allem ungünstige Rahmenbedingungen, etwa die weiterhin vorgeschriebene gesetzliche 100-Prozent-Garantie bei einem niedrigen Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schlägt daher erneut eine Reform der privaten geförderten Altersvorsorge vor. Eine sogenannte "Bürgerrente" als standardisiertes Vorsorgeprodukt solle für breite Bevölkerungsgruppen mit unbürokratischer Förderung und nachgelagerter Besteuerung angelegt werden. "Im Vergleich zur Riester-Rente ist die Bürgerrente einfacher, verständlicher, nachhaltiger und renditestärker", sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen am Montag (22.5.) bei einem virtuellen Pressegespräch.

Zusätzliche Förderung
Im Kern ist vorgesehen, dass auf jeden in die Bürgerrente eingezahlten Euro zusätzlich eine Förderung von 50 Cent kommt. Die förderfähigen Beiträge sollen auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt werden. Aktuell wären maximal 3.504 Euro pro Jahr als förderfähiger Eigenbeitrag möglich. Wer zum Beispiel 1.000 Euro einzahlt, bekäme 500 Euro Förderung plus 100 Euro pro Kind.

Eine verglichen mit der Riester-Rente höhere Rendite soll erreicht werden, indem das Garantieniveau von 100 Prozent auf 80 Prozent abgesenkt wird, erklärte Katja de la Viña, Vorsitzende des GDV-Präsidialausschusses Altersvorsorge und Zukunftssicherung. Somit könnten die Beiträge gewinnbringender am Kapitalmarkt angelegt werden. Das wird in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bereits häufig mit der beitragsorientierten Leistungszusage praktiziert.

Standardisierung, Digitalisierung, weniger Bürokratie
Um den Beratungsaufwand gering zu halten, soll das Altersvorsorgeprodukt in hohem Maße standardisiert sein und auch digital vertrieben werden können, so Gerhard Müller, Vize-Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses. Entsteht damit womöglich eine Konfrontation zum klassischen Vertrieb? Auf diese Nachfrage antwortete Müller diplomatisch: "Laut Allensbach-Umfrage ist es fast 60 Prozent der Befragten besonders wichtig, gut beraten zu werden." Die Kalkulation erfolge unternehmensindividuell.

"Weniger Bürokratie wird die Kosten gegenüber Riester senken", ist Müller optimistisch. "Ein Standardprodukt, weniger Dokumentationsaufwand, schlankere Prozesse zwischen Anbietern, staatlichen Förderstellen und digitale Vertriebsmöglichkeiten – all das senkt die Kosten", glaubt de la Viña. Diese Kostenersparnis gebe man an die Kunden weiter, versprach sie. Wie hoch die Ersparnis gegenüber der bisherigen Riester-Rente ausfallen wird, konnte der GDV auf Nachfrage von FONDS professionell ONLINE nicht sagen. Aktuell gebe es noch keine Produkte, sondern nur ein Modell.

Geringe Vertriebskosten
Auch auf Vertriebskosten ging der Verband im Pressegespräch nur vage ein, gab aber den Hinweis, dass mit weniger Aufwand für Beratung und Verwaltung ein "ähnlich niedriges Kostenniveau wie in der betrieblichen Vorsorge erreicht werden kann". Dort ist über kollektive Rahmenverträge nur eine etwa halbe Provisionshöhe wie in der privaten Altersvorsorge üblich. "Ich möchte dieser Größenordnung, bezogen auf die Bürgerrente, nicht widersprechen", sagte Müller auf Nachfrage.   

Einer Umfrage zufolge, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag GDV erstellt hat, ist es 78 Prozent der über 1.000 Teilnehmer besonders wichtig, dass die eingezahlten Beträge sicher angelegt werden. 77 Prozent legen großen Wert auf eine lebenslange Auszahlung und 67 Prozent schätzen Planungssicherheit in Bezug auf das im Alter zur Verfügung stehende Kapital. Darüber hinaus legt die große Mehrheit besonderen Wert auf qualifizierte Beratung bei Abschluss und im Todesfall auf die Übertragung der Ansprüche auf Angehörige.

Vorsorge mehr vom Bürger her denken
"Diese Bedürfnisse adressieren wir mit unserem Vorschlag der Bürgerrente", betonte de la Viña. Für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Altersvorsorge müsse man Zukunftsvorsorge von den Menschen aus denken – nicht vom System her. Die Umfrage-Ergebnisse passten laut GDV auch zu einer aktuellen Studie des Instituts für Aktuar- und Finanzwissenschaften (IFA), die auf die Gefahr hinweist, dass bei Fondsentnahmeplänen das Geld nicht bis zum Lebensende reichen könnte. "Das bedeutet ein substanzielles Risiko", warnt de la Viña. Was die Menschen aber brauchen, sei eine garantiert lebenslange Lösung, auch "weil die eigene Lebenserwartung strukturell unterschätzt wird".

Laut GDV biete die Bürgerrente Chancen der Kapitalmärkte und schütze gleichzeitig vor erheblichen Verlusten. Lebensversicherer könnten Schwankungen am Kapitalmarkt sehr gut abfedern und böten stetige Erträge. "Das geht mit einem Aktienfondssparplan so nicht", betonte de la Viña und rechnete dies anhand von 10.000 Kapitalmarktszenarien vor: Über einen Zeitraum von 30 Jahren kann mit einem Aktienfondssparplan jeder zehnte Verbraucher 30 Prozent seiner Ersparnisse verlieren, bei der Bürgerrente sind es hingegen nur zwei bis drei Prozent. "Und Versicherer könnten sehr effizient und günstig Sicherungsmechanismen bereitstellen", so die Vorsorge-Expertin, die im Hauptberuf Finanzvorständin bei der Allianz ist.

Spontan positiv
Die Versicherer fühlen sich durch die Allensbach-Umfrage in ihrem Ansatz bestärkt: Insgesamt bewerten 55 Prozent das Konzept der Bürgerrente spontan positiv. Lediglich zehn Prozent fällen ein eher kritisches Urteil. Zwei Drittel der Befragten sagen, dass ein staatlicher Zuschuss von 50 Cent je eingezahltem Euro die Bürgerrente attraktiv macht, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar über 70 Prozent. Insgesamt halten nur 41 Prozent ihre bisherige Altersvorsorge für ausreichend.   

Ob der GDV-Vorschlag in der Politik auf fruchtbaren Boden fällt, ist noch völlig offen. Am 26. Juni will die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingesetzte "Fokusgruppe private Altersversorgung" ihren Abschlussbericht vorlegen, erinnerte Asmussen auf Nachfrage. Zwischenergebnisse nannte er nicht. BMF-Staatssekretär Florian Toncar hatte vergangene Woche auf einer bAV-Fachtagung präzisiert, dass der Abschlussbericht dann redaktionell finalisiert und im Sommer der Bundesregierung zugeleitet wird. Falls danach die Gesetzgebung startet, könnte die Bürgerrente ab Mitte 2024 kommen. (dpo)