Über 1,8 Millionen neue Rentenanträge hat Gundula Roßbach für das vergangene Jahr registriert. "Die Babyboomer kommen langsam bei uns an", so die DRV-Präsidentin kürzlich auf der Jahrestagung der Betriebsrenten-Fachvereinigung Aba. 37 Millionen Beitragszahlern stünden aktuell rund 21,2 Millionen Rentner gegenüber. Die Nachhaltigkeitsrücklage zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe ist laut Roßbach "mit 45 Milliarden Euro noch gut gefüllt" – das entspricht 1,7 Monatsausgaben. Die demografische Entwicklung wirke sich ab 2027 nachteilig beim Beitragssatz und beim Rentenniveau aus, falls das aktuell parlamentarisch debattierte Rentenpaket II nicht käme.

Der Bundeszuschuss als zusätzliche Einnahmequelle neben den Beiträgen der Versicherten beträgt inzwischen 113 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz steigend. "Der Bundeszuschuss ist mit 22,45 Prozent der Einnahmen relativ konstant", kontert Roßbach. Mit dem Zuschuss wird nicht die Rentenversicherung subventioniert; vielmehr wird ihr ein Großteil der Kosten sogenannter nicht beitragsgedeckter Leistungen erstattet, die sie für den Bund erbringt, ohne dafür Beiträge erhalten zu haben – etwa für Kindererziehungszeiten, Knappschaftsversicherung und Leistungen, die durch die deutsche Einheit bedingt sind.

Haltelinie nur beim Rentenniveau, nicht beim Beitrag
Das Rentenpaket II würde die Haltelinie beim Rentenniveau (48 Prozent) bis 2039 verlängern, laut Roßbach "nicht aber beim Beitrag", der aktuell bei 18,6 Prozent liegt und nach DRV-Berechnungen 2039 auf 22,3 Prozent steigen könnte. Grund genug, sich die Finanzierungsmechanismen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) näher anzusehen. Geht der Rentenkasse irgendwann das Geld aus? "Nein", sagt Imke Brüggemann-Borck. "Zusätzliche Finanzbedarfe werden ausgewogen auf Beitragszahler, Rentenbezieher und den Bund verteilt", so die Leiterin des Dezernats Finanzierung und Verteilung der DRV Bund auf der Fachtagung. Der Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen sei gesetzlich geregelt und erfolge "automatisch".

Gleichwohl gebe es Grenzen, wann die Belastung aller Beteiligten erreicht ist. Die könne sie nicht beziffern, doch die "Politik ist gefragt, die Gesamtbelastung für den Einzelnen dauerhaft im Blick zu haben". Es gebe ja nicht nur die Rentenversicherung zu bedienen, sondern auch andere Sozialversicherungszweige. Diese SV-Belastung beträgt jetzt schon 38,3 Prozent des Bruttoeinkommens.

Rentenpaket II greift in Rentenformel ein
Laut DRV Bund will die Bundesregierung das Rentenpaket II am 29. Mai als Gesetzentwurf in das Parlament einbringen. Damit soll das Rentenniveau auch über 2025 hinaus bei 48 Prozent festgeschrieben werden, der Beitragssatz jedoch nicht. Damit droht die Waage in Richtung Leistungsausgaben auszuschlagen. "Die Stellschraube zum Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben ist der Beitragssatz, nicht aber der Bundeszuschuss", stellt Brüggemann-Borck klar. Sollte das Rentenpaket II beschlossen werden, würde politisch in die Rentenformel eingegriffen. Folge: Die Beitragszahler würden den zusätzlichen Finanzbedarf bezahlen – durch einen steigenden Beitragssatz und Ausschaltung des Nachhaltigkeitsfaktors. Und die Rentner werden dadurch kleinere Rentenerhöhungen bekommen als gewohnt.

"Nach der bisher üblichen Formel hätte der Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenanpassung 2024 für sich genommen um 0,16 Prozent gedämpft", erklärt die Rentenfinanzexpertin. Über den Nachhaltigkeitsfaktor wird eigentlich die demografische Entwicklung und die Entwicklung am Arbeitsmarkt bei der Rentenanpassung berücksichtigt. Die Demografie erhöhe den Finanzierungsbedarf. So steigt der Altenquotient, also die Gruppe der 67-Jährigen und Älteren bezogen auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 67 Jahren, nach DRV-Angaben von 33,2 Prozent 2025 auf 43,4 Prozent 2040.

Schwierige Finanzierung und die Krux mit Bundeszuschüssen
Als Ausweg für eine nachhaltig finanzierbare Rentenversicherung nennt Brüggemann-Borck Kürzungen auf der Leistungsseite, die jedoch praktisch ausgeschlossen sind. Bleiben nur zusätzliche Einnahmen, etwa mehr Beitragseinnahmen, das Generationenkapital oder die Anhebung des Bundeszuschusses. Letzterer besteht eigentlich aus drei Positionen: Dem allgemeinen Bundeszuschuss, der sich aus Beitragssatz und Lohnentwicklung ableitet (2023: 54,2 Milliarden Euro), dem zusätzlichen Bundeszuschuss, der sich aus dem Aufkommen von 1,0 Mehrwertsteuerpunkten speist (2023: 14,6 Milliarden Euro) und dem Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss, der sich aus der Entwicklung der Summe der Bruttolöhne und Gehälter ergibt (2023: 15,4 Milliarden Euro).

Neben diesen über 84 Milliarden Euro erhält die DRV vom Bund noch Beiträge für Kindererziehungszeiten, den Zuschuss für die Knappschaftsversicherung sowie andere Erstattungen für versicherungsfremde Leistungen. Unterm Strich sind es fast 113 Milliarden Euro (2023). Die DRV glaubt trotz Eingriff in die Rentenformel durch das Rentenpaket II – siehe Grafik unten – an einen stabilen Finanzierungsmechanismus.

Quelle: DRV Bund

Gleichwohl benennt Brüggemann-Borck als diskutable Maßnahmen zur Stärkung der Einnahmenseite mehr oder weniger unpopuläre Vorschläge wie die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, Lohnerhöhungen, Erhöhung der Arbeitszeit pro Kopf (weniger Teilzeit), Einbeziehung weiterer Beitragszahler oder eine verlängerte Lebensarbeitszeit. Man müsse dabei jedoch auch die Wirkung auf die Leistungsseite beachten. "Mehr und längere Beitragszahlungen erhöhen auch die Rentenanwartschaften" – und dies bei dramatisch zunehmender Alterung, unzureichender Einwanderung in SV-pflichtige Arbeitsverhältnisse und wachsender Haushaltslasten durch die Sozialsysteme insgesamt. (dpo)