Zum 1. Juli bekommen die etwa 21 Millionen Rentner in Deutschland mehr Geld: 4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten. Gleichzeitig wird der aktuelle Rentenwert Ost auf 100 Prozent des West-Wertes angeglichen. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung sind die finanziellen Zuwächse für Rentner überschaubar.

Ein Grund: Die Inflationsrate ist aktuell mit 6,4 Prozent im Juni vergleichsweise hoch (Mai: 6,1 Prozent). Das gleicht die Rentenerhöhung nicht aus, die zudem für viele steuerpflichtig ist. Gleichwohl verweist Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund), darauf, dass "die Renten von 2010 bis 2022 im Westen um über 32 Prozent und im Osten um über 47 Prozent gestiegen sind". Der Anstieg liege damit "deutlich über der Entwicklung der Inflation in diesem Zeitraum".

Rentenerhöhung versus steigender Pflegebeitrag
Am Ende bleibt jedoch aktuell ein kräftiges Minus für Rentner, denn ebenfalls zum 1. Juli ist der Beitrag für Arbeitnehmer und Rentner zur gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) gestiegen: Für Kinderlose von bisher 3,4 auf 4,0 Prozent, während Versicherte mit Kindern statt bisher 3,05 Prozent nun 3,4 Prozent zahlen müssen. Arbeitnehmer und Rentner zahlen jeweils den halben Beitragssatz von Einkommen beziehungsweise Rente. Gut für Kinderlose: Auch für sie gilt der Beitragssatz von 3,4 Prozent, wenn sie vor 1940 geboren wurden oder aktuell das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Zwar gewährt das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (externer Link) Beitragsabschläge für Versicherte mit mindestens zwei Kindern: ab dem zweiten bis zum fünften Kind um jeweils 0,25 Prozentpunkte. Um den Beitragsabschlag zu erhalten, müssen Rentner keinen Antrag stellen; die Berücksichtigung erfolgt laut DRV-Bund automatisch. Doch die Ermäßigung gilt nur für Kinder unter 25 Jahren. Damit dürften die meisten Altersrentner bei der Entlastung leer ausgehen – eine erhebliche Diskriminierung von Eltern, die mehrere Kinder großgezogen haben, die vor 1998 geboren wurden.

Rabatt erst nachträglich ab 2025 und längst nicht für alle mit Kindern
Doch auch die Begünstigten müssen sich gedulden, denn das digitale Verfahren, mit dem die Daten zur Zahl der Kinder verwaltungs- und bürokratiearm übertragen werden sollen, muss erst aufgebaut werden. Nach dem Gesetz sollen die Beitragsabschläge bis zum 30. Juni 2025 umgesetzt werden. Sie werden also erst mit großer Verzögerung rückwirkend zum 1. Juli 2023 berücksichtigt. "Zu viel gezahlte Beiträge werden spätestens bis Ende Juni 2025 zurückgezahlt", verspricht die DRV-Bund.

Dass jetzt überhaupt Rabatte für Rentner mit mindestens zwei Kindern unter 25 möglich sind, geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 zurück. Demnach ist es mit dem Grundgesetz unvereinbar, dass Eltern in der Pflegeversicherung unabhängig von der Zahl der von ihnen betreuten und erzogenen Kinder die gleichen Beiträge zahlen (Az.: BvL 3/18; externer Link).

Keine echte Pflegereform
Trotz dieser relativ wenig breitenwirksamen Entlastung geht das Dilemma bei der Finanzierung der GPV weiter. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist mit dem Gesetz weit weg von einer nachhaltigen Pflegereform geblieben. Die Krankenkassen haben Bund und Länder dafür scharf kritisiert. Für eine tragfähige Versorgung und Finanzierung sei "nach wie vor keine Lösung gefunden", zitiert die "Neue Osnabrücker Zeitung" aus einem Positionspapier des GKV-Spitzenverbands. Die Kassen sehen die Reform als einseitige Belastung der Beitragszahler, fordern eine gerechtere Finanzierung der Pflege und warnen vor weiteren Beitragserhöhungen.

Tatsächlich drohen 2024 neue Finanzlöcher. Im Zuge der Sanierung des Bundeshaushalts 2024 soll der jährliche Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von einer Milliarde Euro wegfallen. Laut Lauterbach soll es aber keine Leistungskürzungen geben. Er plant stattdessen, die benötigten Milliarden aus dem Pflegevorsorgefonds zu ziehen. Der Fonds ist die einzige kapitalgedeckte Säule im Umlagesystem und als Zukunftsreserve für die Babyboomer angelegt.

Finanzschrecken ohne Ende?
Die GPV war 1995 als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung mit einem Beitragssatz von 1,0 Prozent gestartet (0,5 Prozent Anteil je Arbeitnehmer und Rentner). Wegen des rasanten Anstiegs der Pflegefälle kletterte der Satz bald auf 1,7 Prozent (ab 1996 bis Juni 2008), 2013 stieg er erstmals über die Zwei-Prozent-Hürde (2,05 Prozent). Im Jahr 2019 wurde dann der bisherige Höchstsatz von 3,05 Prozent erreicht, auch wegen mehrerer Erhöhungen des Mindestlohns. Ein Ende der Preisspirale ist nicht absehbar. (dpo)