Die Deutsche Aktuarvereinigung hatte Ende November empfohlen, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung 2025 auf 1,0 Prozent anzuheben. Dies wäre der erste Anstieg seit 1994. Von 2016 bis 2021 lag der Höchstrechnungszins bei 0,9 Prozent, seit 2022 als Folge des damals lang andauernden Niedrigzinsniveaus liegt er bis heute bei 0,25 Prozent. Sofern das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dieser Empfehlung folgt, könnten Versicherer ihren Kunden höhere Garantiezinsen bieten, auch die garantierten Rentenleistungen könnten steigen. Zusätzlich wirken sich steigende Rechnungszinsen auch positiv auf die Prämien von Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen aus.

Zugleich stellen sich zahlreiche Fragen rund um das Design von Lebensversicherungsprodukten, merkt das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa) in Ulm an. "Bei allen Produktanpassungen, die im Zuge der Anhebung des Höchstrechnungszinses vorgenommen werden, ist zu prüfen, ob es sich um eine 'wesentliche Änderung' (gemäß Paragraf 23 Abs. 1a VAG) handelt", sagt Ifa-Geschäftsführer Jochen Ruß.

Warum Chancen für Hybridprodukte steigen
Sofern dies der Fall sei, müsse das Produktfreigabeverfahren komplett neu durchlaufen werden. Dies schließe nach dem Bafin-Merkblatt 01/2023 (externer Link) zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten insbesondere die Festlegung des Zielmarkts und den Nachweis ein, dass die von Angehörigen des Zielmarkts erwartete Zielrendite mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann, ergänzt der Professor an der Universität Ulm. "Letzteres könnte insbesondere bei Hybridprodukten einfacher als bisher nachzuweisen sein, denn der höhere Höchstrechnungszins führt zu einer höheren erwarteten Fondsquote", begründet Ruß.

Grundsätzlich sind nach einer Erhöhung des Höchstrechnungszinses wieder höhere Garantieniveaus bei Altersvorsorgeverträgen möglich. "Allerdings ist nicht alles, was möglich ist, auch sinnvoll", betont Ruß. Hier seien zahlreiche Abwägungen zu treffen. Eine 100-Prozent-Beitragsgarantie bleibe jedoch insbesondere bei kürzeren Laufzeiten eine besonders starke "Renditebremse" und könnte das inflationsbereinigte Risiko im Vergleich zu moderat abgesenkten Garantien sogar erhöhen. Ausführlich war dies 2021 in der Ifa-Studie "Auswirkungen von Garantien auf inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse" begründet worden.

Lassen sich Garantien bei Leibrenten erhöhen?
Besonders relevant könnte nach Ifa-Ansicht die Höhe der Garantie bei Leibrenten sein, denn die Akzeptanz der lebenslangen Rente leidet insbesondere darunter, dass Verbraucher sehr stark auf die als niedrig wahrgenommene garantierte Rente schauen. "Nutzt man neben der Rechnungszinserhöhung noch weitere innovative Ideen, kann die garantierte Rente um rund 15 Prozent erhöht werden", meint Ruß. Eine Erklärung gab das Ifa trotz Nachfrage nicht. Womöglich will man die Idee lieber direkt mit interessierten Versicherern umsetzen, als sie in der Öffentlichkeit zu erörtern. Bekanntlich gibt es auf Finanzprodukte keinen Patentschutz.

Bei den Garantien sieht das Ifa den Trend weg von jährlich erneuerten hin zu endfälligen Garantien. Erstere seien "hochfrequent", da der Garantiezins immer von einem Jahr auf das nächste gilt. "Das kann durch intelligentes Produktdesign, bekannt als 'solvenzoptimierte Klassik', vermieden werden", so Ruß weiter. Der Weg: Die Garantie wird nur endfällig ausgesprochen, indem von einem Jahr auf das nächste ein geringerer Garantiezins als der Höchstrechnungszins gilt, zum Beispiel null Prozent. Dadurch wird die Garantiezinsanforderung für die Restlaufzeit faktisch reduziert. "Die Risikoreduktion aus dem solvenzoptimierten Produktdesign ist umso größer, je höher der Höchstrechnungszins ist", weiß Ruß. Das lasse mehr Raum für chancenorientierte Kapitalanlage und damit höhere Überschüsse. (dpo)