Der Niedrigzins sorgt für hohe Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) – sowohl bei Kranken- als auch bei Pflegetarifen. Auch der Wachstumsmotor Pflegezusatzversicherung scheint ins Stottern zu geraten, nicht zuletzt wegen stark steigender Pflegekosten. Als Lichtblick erweist sich beim Wachstum weiter die Zahnzusatz- sowie die betriebliche Krankenversicherung (bKV), die immer mehr an Fahrt gewinnt. Das zeigt der nun vorgelegte "PKV-Marktausblick 2021/2022" der Ratingagentur Assekurata.

"Pandemiebedingt stiegen die Leistungsausgaben in der Vollversicherung 2020 mit voraussichtlich 2,9 Prozent deutlich moderater als in den beiden Vorjahren, in denen die Kostensteigerungen über vier Prozent lagen", berichtet Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata und Autor der Untersuchung. Zusätzlich haben insbesondere Beitragsanpassungen in der Pflege-Pflichtversicherung dazu beigetragen, dass die PKV 2020 ihr versicherungsgeschäftliches Ergebnis deutlich um 800 Millionen Euro auf rund 5,7 Milliarden Euro steigern konnte, so Reichl weiter.

Vollversicherung nur bei Beamten mit Zuwachs
Am Kapitalmarkt hat die Corona-Pandemie dagegen deutliche Spuren hinterlassen. So ging das Kapitalanlageergebnis um 800 Millionen Euro auf 8,7 Milliarden Euro zurück, was einer Nettoverzinsung von knapp 2,9 Prozent entspricht. Dieser Rückgang ließ sich auch nicht durch den Gewinnanstieg im Versicherungsgeschäft kompensieren, wodurch insgesamt auch das Rohergebnis nach Steuern marktweit von 6,0 auf 5,7 Milliarden Euro gesunken ist.

Beim PKV-Flaggschiff, der Vollversicherung, gab es bei der Zahl der Versicherten wieder leichte Bestandsverluste (-0,1 Prozent). Es wechseln deutlich weniger Gutverdiener von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV. Im Gegensatz dazu erhöhte sich zuletzt die Zahl der Neuzugänge im Beihilfesegment (Beamte). "Hier macht sich die steigende Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst positiv bemerkbar", erläutert Reichl. Die Ausweitung des Hamburger Modells (Beihilfe bekommen auch Beamte, die in der GKV bleiben) hatte bislang keine spürbaren Auswirkungen auf das Neugeschäft der PKV.

PKV-Öffnungsaktion contra Hamburger Modell
Die PKV kontert das Hamburger Modell, das inzwischen auch in Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen erlaubt ist, mit ausgedehnten Öffnungsaktionen für Beamte und Anwärter, hat Assekurata beobachtet. Das heißt: Der Kunde wird unabhängig von Alter und Gesundheitszustand aufgenommen. Bei Vorerkrankungen oder Behinderung sind höchstens 30 Prozent Risikozuschlag auf den Tarifbeitrag erlaubt, und man muss keine Leistungsausschlüsse fürchten.

Bei der Aktion machen laut PKV-Verband aktuell 18 von knapp 40 Anbietern mit, darunter solche Versicherer mit starkem Maklerkanal wie DBV, Hallesche, Allianz, Inter, Münchener Verein oder Signal Iduna. Allerdings muss der teilnehmende Versicherer nur beihilfekonforme Tarife anbieten, alle anderen Bausteine kann er ablehnen.

Beitragszuwachs ist zweischneidiges Schwert
Gerade durch den Zuwachs an Beamten verzeichnete die Branche ähnlich wie 2010 und 2017 zwar einen Rekordzuwachs von rund 1,8 Milliarden Euro, der jedoch auch zu einem Großteil auf Beitragsanpassungen beruht – diesmal vor allem in der besonders zinssensitiven Pflegeversicherung. Dadurch würden Neugeschäft und Bestandswachstum negativ beeinflusst, meint Assekurata.

Besonders deutlich wird dies aktuell in der Pflegezusatzversicherung, die 2020 netto nach Verträgen stagnierte. Grund ist ein Neugeschäftsrückgang von rund 30 Prozent und ein Stornoanstieg von 70 Prozent, jeweils gemessen in Monatssollbeiträgen. "Diese Entwicklung ist – neben der Absenkung des Rechnungszinses – ganz wesentlich auch auf die Verteuerung der Beiträge durch das zweite Pflegestärkungsstärkungsgesetz, PSG II, zurückzuführen", erklärt Reichl. Eine wirkliche Pflegereform steht jedoch aus.

Weitere Beitragssteigerungen voraus
Die Zahl der Leistungsempfänger in der sozialen (gesetzlichen) und privaten Pflegepflichtversicherung stieg von 2016 bis 2019 um knapp 45 Prozent auf 4,25 Millionen und die Leistungsausgaben um rund 41 Prozent auf 42,27 Milliarden Euro. "Daher werden die Anbieter die Beiträge in der privaten Pflege-Pflichtversicherung für Beamte zum 1. Juli 2021 erneut anheben", blickt Assekurata voraus. Mittlerweile nimmt die Pflege-Pflichtversicherung knapp zehn Prozent der gesamten PKV-Beiträge ein (2010: 6,3 Prozent).

"Bereits zu Beginn 2021 hatten die Gesellschaften die Beträge auch in der Vollversicherung marktweit so stark angepasst wie seit 2010 nicht mehr", erklärt Reichl. Im Durchschnitt der von Assekurata bewerteten Krankenversicherer stiegen die Bestandsbeiträge im Beihilfesegment um 5,7 Prozent und im Nicht-Beihilfebereich um 7,7 Prozent (siehe Grafik).



Marktführer Debeka hatte bereits zu Jahresbeginn drastische Erhöhungen durchgesetzt. "Nachhaltige Ruhe an der Beitragsfront ist vorerst nicht in Sicht, schon allein aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase", mahnt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. Nach einem BGH-Urteil müssen Beitragserhöhungen jedoch genauer begründet werden.

Der Ausblick für die nächsten Monate
Für 2021 erwartet Assekurata in der Vollversicherung keine wesentlichen Veränderungen. Die Analysten rechnen mit einem Beitragszuwachs von erstmals über zwei Milliarden Euro. Auch beim Ertrag erwartet die Ratingagentur ein positives Jahr für die Branche, sofern die Kapitalanlage nicht erneut einbricht. Weiteres Wachstumspotenzial sieht Reichl in den Budget-Tarifen der bKV.

Die Pflegezusatzversicherung dürfte sich dagegen angesichts der empfindlichen Beitragsanpassungen erneut schwer tun, nennenswerten Bestandszuwachs zu erzielen. Dazu hatte Assekurata eine gesonderte Studie vorgelegt. Wie ein Rechenbeispiel zeigt, müsste ein 25-Jähriger in ein und demselben Pflegetagegeldtarif bei einem Rechnungszins von 1,5 Prozent fast 40 Prozent mehr bezahlen als bei dem seinerzeit mit Einführung der Unisextarifierung marktweit etablierten Zinssatz von 2,75 Prozent. (dpo)