Ungewöhnlich kritische Töne zur Lebensversicherung kommen dieser Tage aus berufenem Munde: Zinsgarantien über die gesamte Laufzeit seien zum Ladenhüter geworden. Das Risikoergebnis großer Anbieter sei inzwischen höher als die Erträge aus Kapitalanlagen. Das traditionelle Geschäftsmodell sieht ohne Erneuerung stürmischen Zeiten entgegen, warnte der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) auf seinem Jahrespressegespräch in Hamburg. Tenor: Viele Kunden seien vorsorgemüde.

Auf den ersten Blick habe sich die Lage zwar entspannt. Der Bestandsabrieb der letzten Jahre scheint gestoppt zu sein. "Erstmals seit 2015 sind die gebuchten Bruttobeiträge in der Lebensversicherung gegenüber dem Vorjahr wieder gewachsen – um 2,5 Prozent - ein geringfügiger Rückgang der Stückzahlen wurde durch das Beitragsplus mehr als wettgemacht", konstatierte BDVM-Vorstand Oliver Fellmann, zugleich Leiter des BDVM-Arbeitskreises Lebensversicherung. Niedrige Stornoquoten trügen zur Stabilisierung des Bestandes bei.

Auf den zweiten Blick falle die Bilanz deutlich kritischer aus. "Man kann keine private Altersvorsorge mehr empfehlen, auch nicht auf Fondsbasis. Und auch keine Sofortrenten", erklärte Fellmann, im Hauptberuf Partner der MARK Versicherungsmakler GmbH in München. Fondsrenten würden allenfalls von 20 Prozent der Kundschaft nachgefragt, die dann aber auch schon über einschlägige Erfahrungen mit der Fondsanlage verfügten (FONDS professionell ONLINE berichtete). Für eher Sicherheitsbedürftige gebe es derzeit keine sinnvollen Produkte.

Trend zu neuen Produkten noch unscharf
Die heutige Produktpalette der Versicherer gebe keine Antworten auf Herausforderungen wie anhaltend niedrige Zinsen, höhere Eigenkapitalanforderungen durch Solvency II, hohe Garantiezinsen im Bestand und den dadurch notwendigen weiteren starken Anstieg der Zinszusatzreserve sowie zu hohe Kosten. "Schon heute gestaltet sich der Bruttobeitragserhalt zum Ende der Ansparphase bei Laufzeiten von weniger als 25 Jahren schwierig, aber in Zukunft noch schwieriger", betonte Fellmann.

Der Trend bei neuen Produkten sei noch zu unscharf. Der BDVM wünscht sich von der Branche endlich eine klare Positionierung zu einem einfachen und kostengünstigen Standard-Riester-Produkt. Es sei rufschädigend, wenn die Bafin erst doppelte Provisionen verbieten muss, die einige Versicherer immer noch berechnet haben, wenn sich etwa die Höhe der Beiträge ändert (FONDS professionell ONLINE berichtete). Offenbar könne man sich hinter den Kulissen nicht auf einen kostengünstigen Standard-Riester einigen.

"Dabei könnte die Assekuranz damit zugleich mehr gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen", wünscht sich Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand des BDVM. Die Beiträge für ein einfaches, leicht vermittelbares Riester-Produkt sollten die Lebensversicherer künftig systematisch in den sozialen Wohnungsbau stecken, schlug er vor. Dabei sollte mit den Kommunen ausgehandelt werden, dass Lebensversicherer für Bauland nicht mehr bezahlen als Wohnungsgenossenschaften.

Wer eine solche Riester-Police 20 Jahre bespart, könnte nach den Vorstellungen des BDVM ein Vorzugswohnrecht in einer der von Versicherern finanzierten Wohnungen erhalten. Dies könnte die Vorsorge-Idee ganz neu beflügeln und den Ruf der Branche aufpolieren. Bisher sei die Resonanz beim Versichererverband GDV jedoch sehr verhalten. Dort habe man den Vorschlag zur Kenntnis genommen, berichtete Jenssen. Dabei sei ein sozialpolitischer Impetus früher typisch für die Branche gewesen, etwa bei ihrem Engagement beim "Aufbau Ost".

Dominanz der Allianz nicht unbedingt ein gutes Zeichen
Etwas Sorge bereite dem BDVM die Dominanz der Allianz in der Lebensversicherung. Vom Neugeschäftszuwachs der Branche, immerhin 2,2 Milliarden Euro, habe die Allianz allein 1,4 Milliarden Euro eingefahren. "Damit verfestigt sich der Eindruck, dass der Marktführer in einer anderen Liga spielt, nachdem bereits 2018 jeder vierte Beitragseuro in Stuttgart landete", sagte Fellmann. Und der Abstand zu den Mitbewerbern wachse weiter.

Das Unternehmen agiere extrem professionell und zeichne sich durch hohe Expertise in der Kapitalanlage aus. Allianz Leben allein verwaltet 250 Milliarden Euro – und setzt zunehmend auf alternative Anlagen. Die langfristigen Renditechancen lägen bei fünf bis sieben Prozent – nach Kosten, so das Unternehmen. "Von diesen Werten können die meisten Wettbewerber aufgrund von Restriktionen des Deckungsstocks nur träumen", so der Makler.

Doch nur mit stärkerer Diversifizierung ließen sich Kunden bei der Stange halten, denn die klassischen Zinseinkünfte versiegen. In guten Zeiten versprach ein Kapitalbetrag von 200.000 Euro Zinseinnahmen von 10.000 Euro oder mehr im Jahr. Heute gehe dieser Betrag gegen null. "Der Zins ist tot", so Fellmann. In vielen Haushalten klaffe jetzt eine Lücke in der Haushaltskasse. Sie können nur aus der Substanz gestopft werden.

Resignation stelle sich ein – und damit auch eine grassierende Vorsorgemüdigkeit. "Einen Weckruf könnte die geplante säulenübergreifende Renteninformation bringen", hofft Fellmann (FONDS professionell ONLINE berichtete). Er wünscht sich, dass die Riester-Vorsorge einen Relaunch erfährt. "Dafür muss das Zulagenverfahren deutlich schlanker, der begünstigte Personenkreis erweitert sowie Förderrahmen und Zulagen an die Einkommen angepasst werden", schlägt der BDVM vor. Von der Assekuranz fordert der Verband, die Kostenbelastung deutlich zurückzufahren, um mehr Akzeptanz zu erreichen.

Schlecht gemachtes Gesetz erschwert bAV-Arbeit der Makler
Passivität wirft der BDVM dem GDV auch bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) vor. "Momentan läuft unser bAV-Vertriebsmotor unter Volllast, aber ein erheblicher Teil der Kapazitäten muss zur Problemlösung verwendet werden, die das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) erst hervorgebracht hat", kritisiert Fellmann. Als Beispiel nannte er den obligatorischen Arbeitgeberzuschuss, der fällig wird, wenn Arbeitgeber aus der Entgeltumwandlung Sozialversicherungsersparnis erzielen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Hier erweist sich die Abgrenzung von Alt- und Neuverträgen als schwierig.

Fellmann benannte die Problemfelder, für die es keine generelle Lösung gebe: Wird die Ersparnis monatlich oder auf Basis der Jahresvergütung berechnet? Und wie soll der Zuschuss verwendet werden? Als erhöhter Gesamtbeitrag, niedrigerer Arbeitnehmerbeitrag oder durch einen zusätzlichen Vertrag nur für den Arbeitgeberzuschuss? Welche Rechnungsgrundlagen gelten für die Beitragserhöhung? Und was geschieht, falls der Versorgungsträger das Neugeschäft eingestellt hat? "Der GDV bringt keine neuen Impulse ein, er wartet ab und schweigt", registriert Fellmann. (dpo)