Hansjörg Müllerleile, Jahrgang 1974, stieg nach dem Jurastudium in Mainz beim Arbeitgeberverband Südwestmetall ein. 2012 wechselte er zu Bosch, wo er unter anderem den Rechtsbereich des Pensionsfonds leitete. Seit 2022 ist er Sprecher der Geschäftsführung des Versorgungswerks Metallrente. FONDS professionell ONLINE traf ihn in den Berliner Büros der Metallrente zum Interview.


Herr Müllerleile, die Metallrente bietet ein neues Konzept namens "Chance". Welche Grundzüge davon sollten auch Makler kennen?

Hansjörg Müllerleile: Wir haben 2022 intensiv daran gearbeitet, gemeinsam mit unseren Konsortialpartnern ein "Chance 2.0"-Konzept zu entwickeln, das den Anforderungen unserer Branchen und unserer Leuchtturmfunktion als größtes Branchenversorgungswerk gerecht wird. Von dem tarifvertraglichen Sicherheitsniveau der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) kommend, haben wir die Metall-Direktversicherung "Chance 2.0" so ausgerichtet, dass die Ertragsstärke unserer Kapitalanlage gleichermaßen zu höheren Renten und zur Sicherung des Beitragserhalts für die Arbeitgeber führt. Im Maschinenraum gibt es da eine Menge Stellhebel, aber die drei entscheidenden Punkte lauten: sehr niedrige Kosten, leistungsstarke Kapitalanlage und realistisch-konservative Leistungsprognosen.

Wie haben die Kunden auf die Produkteinführung reagiert?

Müllerleile: Das Angebot wurde erst im April gestartet. Es ist also noch zu früh für eine abschließende Bewertung. Wir erhalten jedoch sehr positive Resonanz von Kunden und den Vertriebsorganisationen der Konsorten.

Den Pensionsfonds können Sie außerhalb der umstrittenen Anlageverordnung führen. Werden Sie dennoch von aufsichtsrechtlicher Regulierung gegängelt?

Müllerleile: Ich weiß gar nicht, ob die Anlageverordnung per se umstritten ist. Sie ist jedenfalls für Pensionsfonds gar nicht erst einschlägig. Pensionsfonds wurden bereits bei ihrer gesetzlichen Einführung mit höheren Freiheitsgraden ausgestattet als Pensionskasse und Direktversicherung und sind daher auch besonders gut geeignet, die BZML umzusetzen. Wenn ich einen Wunsch in der Regulierung frei hätte, dann wäre das ein eigenes, in sich konsistentes Aufsichtsrecht für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) und dessen stärkere Verzahnung mit dem nationalen Arbeitsrecht. Kluge Regulierung sollte immer auch daran gemessen werden, ob sie zu mehr Verbreitung von Altersversorgung beiträgt.

Welche Trends in der nationalen und europäischen Regulierung sehen Sie?

Müllerleile: Die Trends werden meiner Meinung nach überwiegend in Brüssel gesetzt. Auf der europäischen Ebene scheint häufig die Versuchung zu bestehen, die Regulierung privater Retail-Produkte undifferenziert auf Systeme der bAV zu übertragen. Diese Sichtweise verkennt, dass die bAV in Deutschland eben nicht ein Verkaufsakt zwischen Anbieter und Endkunde ist, sondern ein Dreiecksverhältnis aus Arbeitgeber, EbAV und Beschäftigtem. Insofern kommt es besonders auf den nationalen Kontext des deutschen Arbeitsrechts und seiner Akteure an. Mit unserer nationalen Aufsicht sehe ich uns da auf einem guten Weg, die deutsche Perspektive einzubringen.

Der Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Ende 2022 hat ausschließlich Wert auf Lohnsteigerung und Inflationsausgleich gelegt. Gerät die bAV tarifvertraglich ins Hintertreffen?

Müllerleile: Zusätzliche Mittel für die bAV stehen im tarifpolitischen Verteilungsspielraum immer in einem Zielkonflikt zu anderen materiellen Themen. Die bAV wurde in der letzten Tarifrunde aufgrund der akuten Belastung der Beschäftigten durch die hohe Inflation nicht thematisiert. Es ging um konkrete Lohnerhöhungen und die Inflationsausgleichsprämie. Man kann aber nicht sagen, dass die bAV generell tarifvertraglich an Bedeutung verliert.

Was brächte mehr bAV-Verbreitung, vor allem in kleineren und mittelgroßen Unternehmen (KMU) und Firmen ohne Tarifbindung? Letztere profitieren ja eins zu eins bei der Metallrente, ohne Protest der IG Metall.

Müllerleile: Als Branchenversorgungswerk waren wir immer gut beraten, die Menschen im Blick zu haben und nicht die organisationspolitischen Interessen. Im Bestand der Metallrente sind daher KMU und nicht-tarifgebundene Unternehmen überproportional hoch vertreten. Ich kann nicht genug betonen, wie kraftvoll die Orientierungsfunktion von Tarifverträgen sein kann, wenn es um die Verbreitung geht. Der Gesetzgeber hat hier mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz die aus meiner Sicht richtigen Impulse gesetzt.

Ein letztes Wort zu Deutschland: Die reine Beitragszusage bewirkt noch höhere Renditechancen als die leistungsorientierte Beitragszusage (BOLZ). Kommt ein Sozialpartnermodell auch bald von der Metallrente?

Müllerleile: Die Hoheit zur Einrichtung eines möglichen Sozialpartnermodells in der Metall- und Elektroindustrie liegt bei den Tarifvertragsparteien. Die Metallrente stellt sich grundsätzlich immer so auf, dass sie etwaige tarifpolitische Anforderungen umsetzen kann. Mich persönlich überzeugen die Vorteile einer reinen Beitragszusage für Arbeitgeber und Beschäftigte. Für die reine Beitragszusage gilt übrigens das Gleiche wie für die leistungsorientierte Beitragszusage (BOLZ): Höhere Renditechancen sind dann eine gute Sache, wenn sie sowohl zu besseren Renten als auch zu mehr Sicherheit führen.

Vielen Dank für das Gespräch. (dpo)


Ein ausführliches Interview mit Metallrente-Geschäftsführer Hansjörg Müllerleile lesen Sie in Ausgabe 3/2023 von FONDS professionell, die den Abonnenten in den kommenden Tagen zugestellt wird.