Der Niedrigzins schlägt weiter mit hohen Beitragsanpassungen in der PKV-Voll- und Pflegeversicherung durch. Als Lichtblick erweist sich beim Wachstum – wie schon im Vorjahr - die Zahnzusatz- sowie die betriebliche Krankenversicherung (bKV), die immer mehr an Fahrt gewinnt. Das zeigt der "PKV-Marktausblick 2022/2023" der Ratingagentur Assekurata, der am Donnerstag (19. Mai) vorgestellt wurde.

"Pandemiebedingt stiegen die Leistungsausgaben in der Vollversicherung 2021 mit 2,1 Prozent gegenüber 2020 an, während vor der Pandemie die jährlichen Kostensteigerungen über vier Prozent lagen", berichtet Alexander Kraus, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata und damit Nachfolger von Gerhard Reichl, der zur Allianz gewechselt ist. Es bleibe abzuwarten, ob pandemiebedingte Nachholeffekte einsetzen. "Bislang konnten die Versicherer hauptsächlich den Leistungsanstieg beim Krankentagegeld eindeutig Covid- und Post-Covid zuordnen", so Kraus, zuvor Prokurist beim Biometrie-Analysten Premium Circle.

Moderate Beitragssteigerung und Leistungsausgaben
Im Zusammenspiel mit den höheren Beitragsanpassungen 2021 und der nur moderaten Steigerung der Leistungsausgaben konnte die Branche das versicherungstechnische Ergebnis insgesamt um rund 24 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro steigern. Trotz schwierigem Marktumfeld erhöhte sich auch das Nettokapitalergebnis von 8,8 auf 9,5 Milliarden Euro.

Folge: Die Unternehmen können laut Assekurata kontinuierlich Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einstellen und damit ein Reservepolster für Beitragssteigerungen aufbauen. So stieg die RfB-Zuführungsquote 2021 auf 13,5 Prozent (2020: 10,6 Prozent), während die RfB-Entnahmequote von 17,5 auf etwa 10,2 Prozent abnahm. "Die Unternehmen nutzen RfB-Mittel zunehmend dazu, Beitragsanpassungen zu limitieren, die 2022 mit 3,8 Prozent in der Vollversicherung ohne Beihilfe und 1,6 Prozent in der Beihilfe insgesamt wieder moderater ausgefallen sind", ergänzt Abdulkadir Çebi, Bereichsleiter Analyse und Bewertung.

Vollversicherung nur bei Beamten mit Zuwachs
Beim PKV-Flaggschiff, der Vollversicherung, setzte sich bei der Zahl der Versicherten von aktuell 8,7 Millionen der Trend leichter Bestandsverluste fort (-0,1 Prozent wie schon 2020). Es wechselten zwar über 22.000 mehr gut verdienende Angestellte und auch Selbständige von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV als umgekehrt. Dennoch verlor die PKV rund 9.000 Kunden, insbesondere durch Sterbefälle. Im Gegensatz dazu erhöhte sich zuletzt die Zahl der Neuzugänge im Beihilfesegment (Beamte) netto um 1,3 Prozent. "Die Versicherer mit positivem Wachstum sind überwiegend im Beihilfegeschäft tätig und dort gut aufgestellt", sagt Kraus.

Die Ausweitung des Hamburger Modells (Beihilfe bekommen auch Beamte, die in der GKV bleiben) wird von der PKV bekanntlich kritisch gesehen, weil es ihr Neugeschäft im Beihilfesegment gefährdet. Die Landesregierung in Baden-Württemberg plant zum 1. Januar 2023 für Beamte die Einführung dieser pauschalen Beihilfe. Das sei eine Mogelpackung, warnt der Landesbeamtenbund Baden-Württemberg (externer Link), die gewerkschaftliche Interessenvertretung der 200.000 Beamten im Südwesten. Das Modell,  inzwischen auch in Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen erlaubt, bringe Leistungseinschränkungen gegenüber PKV und privater Pflegepflichtversicherung.

PKV-Markt wird von neun Anbietern dominiert
Auffällig: In der Vollversicherung vereinen neun Versicherer mit jeweils mehr als 300.000 Versicherten im Bestand fast 76 Prozent des Marktanteils der Branche mit ihren 31 Anbietern auf sich. Marktführer ist mit weitem Abstand die Debeka, gefolgt von Axa und DKV. Positives Wachstum in den vergangenen fünf Jahren verzeichneten von den "Big 9" aber nur sechs: Debeka, Axa, Signal Iduna, HUK-Coburg und Barmenia – siehe Grafik.

 

 

Die schwächelnde Vollversicherung lenkt den Fokus auf die Zusatzversicherung. Hier konnte der Markt auch 2021 weiterwachsen (+4,0 Prozent). Weiter sind Zahntarife mit rund 17 Millionen Stück im Bestand der Verkaufsschlager, wobei die hohe Zuwachsrate hauptsächlich auf das starke Wachstum in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) zurückzuführen ist (+33,4 Prozent versicherte Firmen; +55,4 Prozent versicherte Arbeitnehmer). Ohne bKV hätte der Zuwachs bei Zusatzpolicen insgesamt nur bei rund zwei Prozent gelegen.

Ausblick für die nächsten Monate
Für 2022 sieht Assekurata die PKV in einer stabilen Ausgangsbasis, aber auch mit Ungewissheit. Positiv seien ein fortgesetztes Beitragswachstum und eine stabile Ergebnissituation, eine ebenfalls stabile Sicherheitslage der Versicherer sowie nur moderate Beitragsanpassungen 2022, kein hoher Zuwachs in den Sozialtarifen, keine coronabedingte "PKV-Flucht" sowie weiter solide steigendes Wachstum in der Zusatzversicherung.

Negativ seien wieder anziehende PKV-Leistungsausgaben (eventuell mit Nachholeffekten wegen der Pandemie), Ungewissheit über den Verlauf und die gesundheitlichen Langzeitfolgen der Pandemie, Zugangsprobleme zur Vollversicherung für angestellte Besserverdiener, weiter deutlich zu geringe Absicherungsquoten für den Pflegefall und digitaler Nachholbedarf der Branche (Transformation vom Kostenerstatter zum Gesundheitsdienstleister hakt; elektronische Patientenakte klemmt).

Der 56 Seiten lange Foliensatz der Studie ist für rund 898 Euro samt Mehrwertsteuer auf der Website von Assekurata (externer Link) zu bekommen. (dpo)