Die private Haftpflichtversicherung (PHV) ist keine neue Erfindung. Sie gilt als wichtigste Innovation der Assekuranz im 19. Jahrhundert. Seitdem leistet eine PHV bei Schäden, die Versicherte Dritten zufügen, und wehrt unberechtigte Forderungen ab. Ohne Vorsorge könnte die finanzielle Existenz bei großen Schäden gefährdet, wenn nicht sogar zerstört werden. Derzeit besitzen rund 47,6 Millionen Menschen einen eigenen PHV-Vertrag oder leben in einem Haushalt mit PHV-Schutz.

"Bis heute zeigt sich die PHV flexibel und innovationsfreudig", sagt Christian Monke, Leiter Analyse beim Analysehaus Franke und Bornberg (F&B). Das müsse sie auch, denn sie deckt traditionell typische Risiken des privaten Alltags ab. Und die ändern sich manchmal schneller als gedacht. Digitalisierung und technische Neuerungen verlangen auch Leistungserweiterungen der Police, Haftungsrisiken verändern sich. Franke und Bornberg analysiert seit 2015 Stärken und Schwächen von Haftpflichtversicherungen.

Warum F&B die Kriterien verschärft hat
2022 hatte das Ratinghaus die PHV-Ratingkriterien an die gestiegenen Anforderungen angepasst. Für das aktuelle Rating wurden 322 Tarife und Tarifvarianten von 99 Haftpflichtversicherern untersucht. Das Ergebnis: "Der Wettbewerb findet bei der PHV nicht nur über den Preis, sondern auch über die Qualität statt, die PHV ist in der Spitze heute leistungsfähiger als je zuvor", resümiert Geschäftsführer Michael Franke.

Dem Familien-Rating liegen aktuell 68 Prüfkriterien zugrunde, beim Single-Rating sind es 57. Die Kriterien unterscheiden sich in erster Linie beim versicherten Personenkreis. Die höchste Bewertungsklasse FFF+ (hervorragend) bekommen zwölf Prozent der PHV-Familientarife und 14 Prozent der Single-Tarife. Für dieses Qualitätsurteil müssen mindestens 85 Prozent der möglichen Punkte sowie zusätzliche Mindestanforderungen in einzelnen Leistungsbereichen erzielt werden. "Wer bei der PHV am Preis spart, setzt den falschen Schwerpunkt, denn auch Top-Tarife sind für die meisten Menschen bezahlbar", so Monke.

Nur jeder achte Tarif "hervorragend"
Neue PHV-Tarife schneiden fast immer besser ab als ihre Vorgänger. Bestandskunden profitieren jedoch häufig nicht von diesen Fortschritten. "Treue lohnt sich selten in der PHV", weiß Franke. Zwar gebe es mittlerweile Regelungen für automatische Anpassungen an Tarif-Updates. Für gänzlich neu entwickelte Angebote, die auch schon mal mehr kosten können, gelten diese Garantien aber in der Regel nicht, warnt der F&B-Chef. Vermittler sollten daher in regelmäßigen Intervallen prüfen, ob die versicherten Leistungen aktuellen Standards und dem individuellen Bedarf noch gerecht werden.

Das Potenzial für bessere Leistungen sei nicht ausgereizt. Bei jedem zweiten Tarif gibt es qualitativ noch reichlich Luft nach oben. Nachhaltige Features wie Reparaturen statt Ersatz und Mehrleistung bei besserer Effizienzklasse sind wünschenswert, setzen aber Akzeptanz bei allen Beteiligten voraus, blickt Monke voraus. 

Viele solide und einige wenige schwache Tarife
Die höchste Leistungsstufe FFF+ erreichten 40 Familien-Tarife (Vorjahr: 25) und 45 Single-Tarife (Vorjahr: 30). Die Schlusslichter sind gleich verteilt: Insgesamt acht Produkte bei Single- und Familientarifen (Vorjahr: zehn) teilen sich die rote Laterne (F- = ungenügend). Diese Familien-Tarife und die gleichnamigen Single-Tarife sollten Vermittler aktuell bei Neuabschlüssen ihrer Kunden meiden:  

  • DEVK Allgemeine (Aktiv-Schutz, Stand 10.2022)
  • Lemonade (Police 2.0, Stand 06.2019)
  • Münchener Verein (Kompakt, Stand 12.2012)
  • Verti (Klassik, Stand 09.2017)

Stiftung Warentest offenbart nur zehn Grundschutz-Kriterien
Nahezu zeitgleich ist ein PHV-Test der Stiftung Warentest (externer Link) erschienen, publiziert in der September-Ausgabe von "Finanztest". Ergebnis: Von 424 Tarifen haben 139 "sehr gut" abgeschnitten, also fast jeder dritte Tarif. Dies deutet auf ein weniger striktes Untersuchungsmuster als bei F&B hin. Um gut oder sehr gut bewertet zu werden, sind lediglich zehn Millionen Euro Deckungssumme notwendig und die folgenden Punkte überdurchschnittlich zu erfüllen (Grundschutz): Allmählichkeitsschäden, Computer, Ehrenamt, Forderungsausfall, gewässergefährdende Substanzen, Hüten fremder Hunde und Pferde, Schutz im Ausland, Mietsachschäden, Regress der Sozialversicherer und Vorsorgeversicherung.

Traditionell werden im Test besonders preisgünstige Tarife, die inhaltlich sehr gut sind, herausgestellt, darunter diesmal Tarife von Allianz, Axa, Huk-Coburg, Signal-Iduna, R+V sowie WGV. Die günstigste sehr gute Police gibt es für 49 Euro im Jahr (Alteos, Tarif "Silber"). Erstaunlich: Der Vertrieb des Tarifs mit Note 1,3 (Risikoträger: Axa) erfolgt laut "Finanztest" ausschließlich über Makler. Allerdings schneiden die Alteos-Tarife "Diamant" (0,6), "Platin" und "Gold" (je 0,8) noch deutlich besser ab. Zum Vergleich: Bei F&B ist Alteos derzeit nicht im Rating aufgeführt. (dpo)


Das komplette PHV-Rating (externer Link) und die Ratingmethodik (externer Link) stehen auf der Homepage von Franke und Bornberg zum kostenlosen Download bereit.