Die private Haftpflichtversicherung (PHV) ist keine neue Erfindung. Sie kam schon vor mehr als 140 Jahren auf den Markt und gilt als wichtigste Innovation der Assekuranz im 19. Jahrhundert. Seitdem leistet eine PHV bei Schäden, die Versicherte Dritten zufügen. Ohne Vorsorge könnte die finanzielle Existenz bei großen Schäden gefährdet, wenn nicht sogar zerstört werden.

"Bis heute zeigt sich die PHV flexibel und innovationsfreudig", sagt Christian Monke, Leiter Analyse bei Franke und Bornberg (F&B). Das müsse sie auch, denn sie deckt traditionell typische Risiken des privaten Alltags ab. Und die ändern sich manchmal schneller, als manchem lieb sein kann. Digitalisierung und technische Neuerungen verlangten auch Leistungserweiterungen der Police. "Die PHV muss sich ständig erneuern, wenn sie dem tatsächlichen Bedarf von Versicherten gerecht werden will – und tut es auch", hat Monke beobachtet.

Technische Neuerungen beeinflussen Ratingmethodik
Das zeige sich gerade bei solchen Megatrends wie Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien und Share Economy. Daher haben Monke und sein Team den Ratingansatz für die PHV nun erstmals seit 2015 grundlegend überarbeitet. Weiterhin wird das gesamte Tarifspektrum abgebildet – diesmal je 274 Familien- und Singletarife von 100 Haftpflichtversicherern.

Neu ist, dass die Unterscheidung nach Grund- und Top-Schutz abgeschafft wurde und alle Produkte nun nach den gleichen Prüfkriterien bewertet werden. "Der Tarif mit der besseren Note ist das leistungsstärkere Produkt – ohne Wenn und Aber", so Monke. Damit besonders leistungsstarke Tarife auf einen Blick zu erkennen sind, wurde die Ratingklasse FFF+ eingeführt.

Welche Kriterien keine Rolle mehr spielen
Wegen technischer Neuerungen wie Flugdrohnen und Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die neue Leistungsauslöser erfordern, sind im Rating neun neue Prüfkriterien hinzugekommen. Dazu zählen Schadensersatzrechtsschutz, Versicherungsschutz für Inhaber von Solaranlagen, Gebrauch von motorisierten Luftfahrzeugen sowie Neuwertentschädigung.

Im Gegenzug hat Franke und Bornberg fünf Kriterien gestrichen. Grund: Entweder gibt es keine relevanten Unterschiede, etwa bei Haftpflichtansprüchen als Inhaber von Garagen und Gärten, oder es gab rechtliche Anpassungen, etwa bei der Übernahme von Regressansprüchen der Partner untereinander, heißt es bei F&B.

Mindeststandards aus Kundensicht extrem wichtig
Bei 15 Kriterien ändert sich die Gewichtung. Neuerungen gibt es auch bei den Mindeststandards. So kann die zweitbeste Note FFF nur erreicht werden, wenn Schäden an und der Verlust von gemieteten und geliehenen beweglichen Sachen versichert ist.

Wie wichtig Letzteres ist, zeigt ein Streit, den der Versicherungsombudsmann 2021 schlichten musste. Ein Mann hatte die Schlüssel zu seiner Mietwohnung und für die Hauseingangstür verloren. Sein Privathaftpflichtversicherer wollte die nötigen Kosten für den Austausch der Schließanlage nicht übernehmen. Der Ombudsmann prüfte die AVB. Eingeschlossen war da die gesetzliche Haftpflicht aus dem Abhandenkommen von fremden, privaten Schlüsseln/Codekarten, die sich rechtmäßig im Gewahrsam des Versicherten befinden. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann laut Ombudsmann nicht erkennen, dass der Schlüssel zur Mietwohnung da nicht eingeschlossen sein soll. Der Schlüssel zur Mietwohnung sei ein fremder Schlüssel. Daraufhin bezahlte der Versicherer die neue Schließanlage.

Massenhaft solide und einige wenige schwache Tarife
Ergebnis des F&B-PHV-Ratings: Die höchste Leistungsstufe (FFF+) erreichten 25 Familien- und 30 Singletarife, die zweithöchste Stufe (FFF) 82 Familien- und 78 Singletarife. Die Schlusslichter sind gleich verteilt: Insgesamt zehn Produkte bei Single- und Familientarifen teilen sich die rote Laterne (F-). Diese Familien-Tarife sollten Vermittler aktuell bei Neuabschlüssen ihrer Kunden meiden:  

  • Axa (alternativ S, Stand 09.2016)
  • DBV (alternativ S, Stand 09.2016)
  • DEVK Allgemeine (Aktiv-Schutz, Stand 02.2022) – auch der namensgleiche Single-Tarif
  • Lemonade (Police 2.0, Stand 06.2019) – auch der namensgleiche Single-Tarif
  • Münchener Verein (Kompakt, Stand 12.2012) – auch der namensgleiche Single-Tarif
  • Verti (Klassik, Stand 09.2017) – auch der namensgleiche Single-Tarif.

Vor zwei Jahren hatten die Analysten im PHV-Rating noch einen Trend zur Tarifierung nach Postleitzahl ausgemacht. "Doch die Prämie nach Postleitzahl konnte sich am Markt nicht durchsetzen", so Monke. Aus seiner Sicht hätte eine weitere Differenzierung die Versichertenkollektive zu stark geschrumpft. Denn wo es Gewinner gibt, seien auch Verlierer.

Vermittler müssen genau hinschauen
Heute seien neue Leistungsauslöser und gestrichene Ausschlüsse kennzeichnend für innovativen PHV-Schutz. Häufig aber müssten Vermittler genauer hinschauen, denn die Leistungen reichen längst nicht immer aus, um Risiken angemessen abzudecken.

Bestand hat aus Sicht von F&B der Trend zu nachhaltigem Ersatz bei einem Schaden. So böten einige Gesellschaften beim Austausch beschädigter Elektrogeräte bereits eine Mehrleistung gegenüber dem Zeitwert, sofern das neue Gerät eine bessere Energieeffizienzklasse aufweist. "In der Breite erreichen Nachhaltigkeitsleistungen allerdings noch keine große Marktdurchdringung", so Monke. (dpo)


Das komplette PHV-Rating (externer Link) und die Ratingmethodik (externer Link) stehen auf der Homepage von Franke und Bornberg zum kostenlosen Download bereit.