Die Verbraucherschützer arbeiten schon seit Jahren daran, die Lebensversicherung schlechtzureden. Zu teuer, zu renditeschwach, so das Credo. Dennoch lief das Geschäft weiter, als wäre nichts passiert – bis die Branche selbst schaffte, was den Verbraucherschützern bislang nicht gelungen war: Sie beschädigte das Image ihres einstigen Vorzeigeprodukts.

Was war passiert? Die Generali Deutschland hatte Ende September angekündigt, ihre Bestände an klassischen Lebensversicherungen auf eine externe Gesellschaft übertragen zu wollen. Die Axa hat ebenfalls Pläne für den im Fachjargon "Run-off" genannten Schritt in der Schublade liegen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Die Ergo hatte einen Run-off längere Zeit auch ins Auge gefasst, sich vor knapp zwei Wochen aber dagegen entschieden. Dennoch: Viele Kunden sind weiterhin verunsichert, was mit ihren Policen bei einer solchen Übertragung geschieht. Vermittler sind also als Kommunikatoren gefragt, die ihren Klienten die Details von Run-offs erklären.


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Verschiedene Run-off-Modelle
Denn Run-offs an sich sind nichts Ungewöhnliches und schon gar nichts Neues. Bei Sachversicherungen gab es solche Übertragungen schon vor dem Jahrtausendwechsel, und auch im Lebensversicherungsgeschäft sind sie geübte Praxis. Allerdings ist Run-off nicht gleich Run-off, es gibt verschiedene Modelle. Der selbstständige Aktuar Bernd Heistermann zählt insgesamt vier Varianten. Zudem hat die Mehrzahl so gut wie keine Auswirkungen auf Kunden.

"Im ersten Modell wird nur ein Teil der Produktpalette geschlossen und abgewickelt, etwa Policen mit klassischer Garantieverzinsung. Gleichzeitig haben die Kunden aber weiterhin Zugriff auf Fondspolicen oder Biometrieprodukte wie Risikolebensversicherungen." Diesen Schritt hat bereits eine ganze Reihe von Lebensversicherern getan. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Gesellschaften, die Tarife oder ganze Produktlinien eingestellt und dann abgewickelt haben.

Im Blickpunkt der Medien: Variante Nummer Vier
"Das zweite Modell, das am Markt beobachtet werden kann, unterscheidet sich vom ersten dahingehend, dass die gesamte Lebensversicherungsgesellschaft für den Neuzugang geschlossen ist", so Heistermann weiter. Wenn der Versicherungskonzern weiterhin Neugeschäft mit klassischen oder fondsgebundenen Lebenspolicen schreibt, dann in einer anderen Gesellschaft, die unbelastet von den Altbeständen ist. So ging beispielsweise die Generali 2015 weitgehend vor: Sie schloss das Neugeschäft für klassische Policen für Privatkunden, nur in der betrieblichen Altersvorsorge bot sie Garantieprodukte weiter an. Biometrieprodukte vertreibt sie über ihre Tochter Dialog Leben, Fondspolicen schon seit jeher über die Aachen Münchener.

In der dritten Alternative geht ein Versicherer noch weiter und schließt das Lebensgeschäft im ganzen Konzern. Heistermann zufolge gibt es dafür kein aktuelles Beispiel. "Allerdings könnte man die Arag Leben in der Phase nennen, in der sie das Neugeschäft eingestellt hatte, aber noch nicht auf die Frankfurter Leben übertragen worden war."

Das vierte und letzte Modell eines Run-offs ist das, welches in den Medien kritisch diskutiert wird: Der Bestand oder die Gesellschaft wird auf einen externen Dritten übertragen, der dann die Abwicklung vornimmt. Das kann ein anderer Erstversicherer oder eine spezialisierte Plattform sein, beispielsweise die Frankfurter Leben oder Viridium (früher Heidelberger Leben). Auch der Versicherer Mylife hat schon Bestände übernommen.

Gründe für externe Run-offs
Früher überwogen klar Run-offs gemäß Modell eins und zwei. Im Moment erwägen Versicherer vermehrt auch Variante vier. Dafür gibt es mehrere Gründe: Wegen der Minizinsen haben die Versicherer große Probleme, die Erträge zu erwirtschaften, die sie ihren Kunden in besseren Jahren versprochen hatten. Mit Anleihen bonitätsstarker Schuldner funktioniert das nicht mehr, also investieren sie, soweit erlaubt, in riskantere Anlagen. Für solche Investments schreibt die EU-Richtlinie Solvency II allerdings hohe Eigenmittel vor. Außerdem sind die Versicherer verpflichtet, für ihre langjährigen Garantien deutlich mehr Kapital zurückzulegen als früher. Die Zinszusatzreserve (ZZR), die die Anbieter seit 2011 als Rückstellung für ältere, hoch verzinste Verträge bilden müssen, erhöht den Kapitalbedarf weiter.

Es gibt aber eine Reihe weiterer Gründe für einen externen Run-off, etwa die Digitalisierung: "Der Aufwand, die alten IT-Systeme an die Anforderungen der zunehmend digital kommunizierenden Kundschaft anzupassen, wäre enorm", so Heistermann. Eine Abspaltung der Bestände kann einem Konzern daher auch an dieser Stelle helfen. In der Vergangenheit waren zudem der Wunsch nach einem einheitlichen Markenauftritt oder zu hohe Verwaltungs- und Vertriebskosten Auslöser eines Run-off. (jb)


Mehr Informationen über Run-offs, samt der juristischen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf Berater, finden Sie in dem Artikel "Flucht vor dem Kunden". Dieser erschien in der Ausgabe 4/20017 von FONDS professionell. Angemeldete KLUB-Mitglieder finden den Beitrag auch hier im E-Magazin