Die deutschen Lebensversicherer haben 2021 ihre Finanzkraft stärken können – trotz der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Die Solvenzquoten (SCR) der Branche haben sich im Vergleich zum Vorjahr 2020 verbessert. Der für die Aufsichtsbehörden relevante Durchschnitt liegt bei 480 Prozent – und damit 27 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert.

Außerdem erreichten nur noch acht Gesellschaften zum Jahresende keine vollständige Bedeckung der Solvabilitätskapitalanforderung ohne Anwendung von Übergangsmaßnahmen und der sogenannten Volatilitätsanpassung. Ende 2020 war das noch bei 17 Unternehmen der Fall gewesen. Das sind die Kernergebnisse einer Auswertung der Solvenzberichte von 80 Versicherungsgesellschaften für das Jahr 2021 durch Policen Direkt, einem Aufkäufer von Lebensversicherungen.

Höhere Zinsen "retten" Solvenzquoten
"Auch das Geschäftsjahr 2021 war geprägt von den Auswirkungen der Covid-19- Pandemie und deren speziellen Herausforderungen. Im zweiten Jahr der Corona-Krise konnten die Lebensversicherer von einem verbesserten ökonomischen Umfeld und überwiegend von einem gestiegenen Neugeschäft profitieren", sagt Henning Kühl, der leitende Aktuar von Policen Direkt. "Vor allem das gegenüber dem Jahr 2020 gestiegene Zinsniveau hat zu einer Reduzierung der Solvenzkapitalanforderungen geführt. Laut Versichererberichten hat dies neben dem erfolgreichen Verkauf von chancenorientierteren Produkten und der weiteren Verbesserungen der Risikotragfähigkeit die Solvenzquoten am stärksten beeinflusst."

Im Detail hat Policen Direkt aus den Geschäftsberichten für 2021 herausgearbeitet, dass im Schnitt die für die Aufsichtsbehörde relevante "Brutto-Solvenzquote", die unter Berücksichtigung diverser Übergangsmaßnahmen und Erleichterungen berechnet wird, bei den oben genannten 480 Prozent liegt. Die Netto-Quote ohne Hilfestellungen beträgt 269 Prozent, ein Plus von 58 Prozentpunkten. Die Netto-Quote, bei denen Volatilitätsanpassungen zur Ausblendung kurzfristiger Marktschwankungen gemacht werden, liegt im Branchenschnitt bei 289 Prozent (plus 55 Prozentpunkte).

Das ist die SCR-Quote
Zur Erklärung: Die SCR-Quote beschreibt das Verhältnis von Eigenmitteln des Versicherers zur "Solvenzkapitalanforderung", die sich aus dem Risikoprofil der Kapitalanlagen der Gesellschaft ergibt: Je mehr risikoreiche Assets ein Versicherer hält und je mehr mögliche Zahlungspflichten in Zukunft – etwa in Form von kranken Personen, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei ihm haben – zu decken sind, desto höhere Eigenmittel sind vorzuhalten. Eine SCR-Quote – netto, ohne behördliche Ausnahmegenehmigungen – von 100 Prozent gilt hier als Untergrenze: Diese bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass eine Gesellschaft in der Lage ist, alle etwaigen Verluste innerhalb eines Jahres auszugleichen. Allerdings ist die Aussagekraft der SCR-Quote umstritten.

Policen Direkt hat die Gesellschaften zudem wieder in drei Kategorien unterteilt: In der ersten Gruppe sind 14 Versicherer (acht weniger als 2020) versammelt, die eine Solvenzquote ohne Bilanzierungshilfen, aber mit Schwankungsanpassungen von unter 150 Prozent vorweisen. Sie stehen vor großen Herausforderungen, weil sie mit bestehende Garantieanforderungen kämpfen müssen.

30 Versicherer ohne Probleme
36 Versicherer seien "weitgehend gut gerüstet". Mit einer Nettoquote (bereinigt um Volatilitäten) von 150 bis 300 Prozent seien sie weitgehend finanzstark und gerüstet für Extremszenarien. Sie sind in der Lage, den eingegangenen Versprechen gegenüber ihren Vertragsnehmern unverändert auch in Zukunft nachzukommen. Und 30 Unternehmen, neun mehr als in der vergangenen Studie, können sich aufgrund ihrer komfortablen Solvenzkapitalausstattung mit einer Nettoquote von mehr als 300 Prozent zurücklehnen. (jb)