Nachdem das allgemeine Zinsniveau bereits Ende 2021 einen leichten Aufwärtstrend aufwies, läutete die Europäische Zentralbank (EZB) 2022 als Reaktion auf die Rekord-Inflation im Euroraum im Sommer auch offiziell die Zinswende ein. In mehreren Schritten erhöhten die Notenbanker seitdem den Leitzins auf aktuell 2,5 Prozent – mit massiven Auswirkungen für die Lebensversicherer. Allerdings nicht nur positive, sondern auch negative, wie die siebte Studie der Ratingagentur Assekurata zur Ertragskraft der deutschen Lebensversicherer (EKG-Check) zeigt.

Positiv für die Versicherer sei, dass die steigenden Zinsen die Belastungen zur Erfüllung ihrer Garantieverpflichtungen mindern. Das bezieht sich vor allem auf die Zuführungen zur Zinszusatzreserve (ZZR), die die Gesellschaften seit 2011 bilden müssen und die bis Ende 2021 auf gut 96 Milliarden Euro angewachsen ist. Aufgrund der deutlich höheren Marktzinsen bleibt der zur ZZR-Berechnung geltende Referenzzins für 2022 stabil bei 1,57 Prozent, was laut Assekurata in diesem Jahr erste Rückflüsse aus der ZZR von branchenweit drei Milliarden Euro zur Folge hat. "Der Grund, weshalb auch bei gleichbleibendem Referenzzins die ZZR abgebaut wird, liegt derweil in den Beständen der Lebensversicherer", erklärt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. "So ist der Effekt des sukzessive auslaufenden Altbestandes größer als der jährlich neu berechnete Zuführungsbedarf zur ZZR."

Stille Lasten in den Bilanzen
Ertragsseitig können die Lebensversicherer allerdings nur bedingt von den steigenden Zinsen profitieren, da sie zunächst mit einem deutlichen Marktwertverlust der Zinsanlagen in ihren Büchern konfrontiert sind. Assekurata geht davon aus, dass die Branche im Saldo derzeit stille Lasten von etwa 50 Milliarden Euro aufweist, die im Wesentlichen auf festverzinsliche Anlagen zurückzuführen sind. Wenn die Gesellschaften die Anleihen bis Fälligkeit halten, sind die Lasten nur Zahlen in der Bilanz. Problematisch sei aber, dass Lasten die Ertragsflexibilität mindern und grundsätzlich das Risiko besteht, dass diese doch realisiert werden müssen, etwa wenn Kunden im großen Stil ihre Verträge kündigen oder aufgrund von Bonitätsverschlechterungen der Emittenten Abschreibungen nötig sind.

Bemerkenswert: Assekurata geht davon aus, dass 2022 die Nettoverzinsung, also der Ertrag, den ein Versicherer mit den Kundengeldern erwirtschaftet, auf durchschnittlich 2,4 Prozent sinken wird – nachdem sie 2021 noch bei 3,58 Prozent gelegen hat. "Auf lange Sicht dürften die Versicherer durch den Zinsanstieg jedoch in der Lage sein, in der Neu- und Wiederanlage wieder stärker in rentablere Papiere zu investieren, frei werdende ZZR-Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einzustellen und letzten Endes auch wieder höhere Überschussbeteiligungen für die Kunden zu gewähren", prognostiziert Heermann. (jb)