Wie Altersvorsorge künftig nicht mehr aussehen kann, zeigt die Riester-Rente, deren Bestand zwischen Juli und September nach einer aktuellen Statistik um weitere um 71.000 auf jetzt 16,212 Millionen Verträge gesunken ist. Im laufenden Jahr ging allein die Zahl der Riester-Versicherungen um 68.000 zurück.  

"Die Riester-Rente steht exemplarisch für renditeschwache Altersvorsorge und hat in Zeiten der Niedrig- oder gar Negativzinsen ausgedient", sagt Carsten Zielke, Geschäftsführer des Beratungshauses Zielke Research Consult. Der Hauptgrund: Riester sieht vor, das Kapital garantiert zu erhalten und zwingend zu verrenten. Versicherer müssten somit das Geld in festverzinsliche Papiere investieren, um das Kapital zu erhalten.

Für 100 eingezahlte Euro bekommt man nur 110,30 Euro zurück, so Zielkes Rechnung. Nach 35 Jahren bleibt bei zwei Prozent Inflation lediglich ein Realwert von 2.410,45 Euro übrig. Hinzu kommt laut Zielke, dass die Versicherer trotz einer tatsächlichen Lebenserwartung von 76,6 Jahren bei Jungen und 83,4 Jahren bei Mädchen von einer Lebenserwartung von 93 Jahren bei Riester-Rentenbeziehern ausgehen.

Bisher setzt der Staat auf Verrentung bis zum Tod
Als Zukunftsoption hat die Ampel-Koalition renditestärkere private Altersvorsorgeprodukte auf dem Plan. Doch wie müssten diese aussehen? In einer aktuellen Studie kommt Zielke Research zu dem Ergebnis, dass die bisherige Strategie seit dem Altersvorsorgegesetz 2005 gescheitert ist und eine Abkehr von der Förderung verrenteter Produkte mit 100 Prozent Garantie nötig sei. Dazu sei nur eine einfache Änderung des Steuerrechts nötig, die auch Kapitalabfindung in laufenden Verträgen ermöglicht.

Bisher gilt bei der Riester-Rente ein 100-Prozent-Kapitalerhalt zum Renteneintritt und der Zwang zu lebenslanger Verrentung der Leistung (mit der Chance auf 30 Prozent Teil-Kapitalabfindung). "Um eine angemessene Rendite zu erzielen, sollte die Regierung den Verrentungszwang aufheben", empfiehlt Zielke. Dann bekäme der Kunde für 100 eingezahlte Euro in seiner Beispielrechnung immerhin 146,40 Euro ausgezahlt – das wären 33 Prozent mehr als bisher, so der Analyst in der Studie "Deutsche Lebensversicherer: Rente – Wozu?". Noch stärker würde sich die Altersvorsorge lohnen, wenn die Versicherer zudem riskanter anlegen dürften. Dann wären laut der fiktiven Musterrechnung sogar 207 Euro Auszahlung möglich – ein Rentenplus von fast 88 Prozent.

Langlebigkeitsrisiko ab 85 auf Staat übertragen
Mit dem Ende des Verrentungszwangs würde das Monopol der Lebensversicherer bei der zusätzlichen Altersvorsorge fallen. Zielke geht sogar noch weiter. Er plädiert dafür, das sogenannte Langlebigkeitsrisiko ab einem Alter von 85 Jahre vom Staat absichern zu lassen. Genau dies soll aber mit der aktuellen staatlichen Förderung von reinen Verrentungen gemäß der statistischen Lebenserwartung verhindert werden. Der Staat will vermeiden, dass Bürger mit Kapitalabfindung das Geld vor der Zeit verbrauchen und am Ende dem Staat finanziell zur Last fallen.

"Das passiert doch auch mit Verrentung", sagt Zielke auf Nachfrage. Die Produkte seien bis 65 kalkuliert. Wer zu wenig oder gar nicht spart, bekäme dann schon eine Grundsicherung bei Bedürftigkeit. "Bei unserem Vorschlag sänke das Risiko für den Staat, der bei Bedarf erst ab 85 eintreten müsste", so Zielke weiter. Der Auszahlungsplan geförderter Altersvorsorge sollte künftig bis zum 85. Lebensjahr begrenzt werden, empfiehlt er.

Für eine längere Lebenszeit müsste der Steuerzahler aufkommen. "Das wäre effizienter", so Zielke. Alternativ könne das Risiko auch über den Kapitalmarkt abgesichert werden. Das Verbriefen von Langlebigkeitsrisiken sei in Ländern wie Niederlande, Großbritannien, Australien und den USA populär.

Option auf Kapitalabfindung würde Kunden und Versicherer besserstellen
Nach Meinung des Experten könnte ohne Verrentungszwang ein deutlicher Wettbewerb um die Altersvorsorge entstehen. Banken und Investmenthäuser könnten dann vermehrt Produkte anbieten. "Auch die Versicherer profitierten, weil sich deren Solvenz um den Faktor 1,6 bis 2,0 verbessern würde", hat Zielke am Beispiel der Sparkassenversicherung Sachsen errechnet.

Die Politik müsste allerdings bereit sein, die Steuergesetzgebung auch für bestehende Verträge zu ändern und die zusätzliche Option Kapitalabfindung zu erlauben. Das gelte auch für Riester-Verträge. "Parallel müssten die Lebensversicherer verpflichtet werden, alle Riester-Kunden über die neue Möglichkeit der Vollauszahlung des Kapitals zu unterrichten", so Zielke.

Abkehr von HGB-Rechnungslegung?
Zusätzlich hält es Zielke dringend für geboten, die "verstaubte HGB-Rechnungslegung" durch die in den meisten EU-Ländern angewandte ökonomischere IFRS-Rechnungslegung zu ersetzen. "Dies würde es den Versicherern ermöglichen, mehr in Realwerte wie Aktien zu investieren", so seine Begründung. Nach HGB-Rechnungslegung lasse sich eine Riester-Rente heute nicht mehr darstellen. Das müsse sich schnellstens ändern.

Nur ein Mix aus Garantie- und Verrentungszwangsabschaffung – wie teilweise schon bei der Betriebsrente möglich – sowie eine Änderung der Rechnungslegung an moderne internationale Normen können die Attraktivität für die private Altersvorsorge erhöhen, um den demografischen Herausforderungen standzuhalten. Gleichzeitig würde sich die Eigenkapitalsituation der deutschen Lebensversicherer erheblich verbessern, was die Finanzstabilität fördern würde.

Noch seien Kunden in der bisherigen Regelung weitgehend mit Anlagen von schlechtem Preis-Leistungsverhältnis gefangen. Künftig könnten rentablere Anlagen wie Fondssparpläne durch einheitliche Besteuerung oder Freistellung von der Steuer genutzt werden, was andere Länder vormachten. Deutschland würde eine flexiblere Altersvorsorge gut zu Gesicht stehen, statt schon "zu Vertragsbeginn die Leistungen bis zum Tod festzulegen", so Zielke. (dpo)