Wenn Versicherer in den Run-off gehen, bieten sie Kunden keine neuen Verträge mehr an. Bis Ende 2021 befanden sich sieben deutsche Lebensversicherer (Skandia, Heidelberger, Entis, Proxalto, Frankfurter, Frankfurt-Münchener und Athora) mit einem Prämienvolumen von insgesamt 3,7 Milliarden im externen Run-off, was einem Marktanteil von rund 4,0 Prozent entspricht, zeigt die Studie "Run-off in der Lebensversicherung 2022" der Ratingagentur Assekurata.

"Diese Zahlen beziehen sich auf Versicherer, die über einen Unternehmensverkauf als Ganzes an einen externen Spezialisten, eine sogenannte Run-off-Plattform, veräußert wurden", erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. "Daneben gibt es noch einige Gesellschaften, die ihre geschlossenen Verträge selbst abwickeln und sich damit im internen Run-off befinden." Eigentümer- und Vertragspartnereigenschaft gegenüber den Kunden verändern sich damit nicht. Gemeint sind mit dem internen Run-off insbesondere Victoria, Ergo, Bayerische Beamten und seit 2022 auch Signal Iduna Leben auf Gegenseitigkeit.

Mehr Rohüberschüsse von Run-off-Anbietern als der Gesamtmarkt
Assekurata untersuchte die betriebswirtschaftliche Situation der betroffenen Lebensversicherer mit längerer Run-off-Historie. Ein überraschendes Ergebnis: Die Run-off-Unternehmen erwirtschaften seit einigen Jahren überdurchschnittlich hohe Erträge. Gemessen hat Assekurata dies mit der Rohüberschussquote, also dem Verhältnis von Rohüberschuss zu den gebuchten Bruttobeiträgen.

Im Schnitt schafften die Run-off-Versicherer laut Studie 33,81 Prozent Überschussquote 2021, während der LV-Markt insgesamt nur 13,04 Prozent erreichte. Die besten Quoten erwirtschafteten Bayerische Beamten (68,75 Prozent) und Entis (50,95 Prozent), während sich Ergo mit 8,75 Prozent begnügen musste. Ebenfalls unter Marktdurchschnitt lagen Skandia (10,51 Prozent) und Frankfurt-Münchener (10,93 Prozent).

Kunden verhältnismäßig schlechter gestellt, aber …
Wie kommt das? Laut Studie zielt das Geschäftsmodell der Run-off-Anbieter auf kosteneffiziente Verwaltung mittels moderner Technik in der Bestandsführung ab, die kein Neugeschäft mehr bearbeiten muss und damit ohne Abschlusskosten auskommt. Zudem können Skaleneffekte durch wiederholte Aufkäufe genutzt und auch in der Kapitalanlage durch Anlagestrategien Effekte erzielt werden, indem das Asset-Liability-Management auf die langfristigen Abwicklungsszenarien der Bestände angepasst wird.

Davon profitieren die Aktionäre der Run-off-Gesellschaften deutlich stärker als im Gesamtmarkt üblich. Assekurata weist aus, dass den Aktionären im Schnitt 30 Prozent des Rohüberschusses zugewiesen werden, während es bei Lebensversicherern mit geöffnetem Neugeschäft 2021 lediglich 14 Prozent waren. Dort wurden also 86 Prozent des Rohüberschusses über RfB-Zuführungen und Direktgutschriften an die Kunden weitergegeben.      

… sie partizipieren bilanziell stärker
Trotz der um 16 Prozentpunkte niedrigeren Rohüberschussbeteiligung können auch die Run-off-Kunden bilanziell von den Ertragsvorteilen profitieren. "Maßgeblich liegt das an der Mindestzuführungsverordnung, die den Kunden Mindesterträge an den verschiedenen Überschussquellen gesetzlich zusichert", erklärt Heermann. Damit partizipierten Kunden in der Regel auch an steigenden Ergebnissen.

Gemessen hat Assekurata dies mit der Umsatzrendite, also dem ausgeschütteten Rohüberschuss im Verhältnis zu dem aus Beitragseinnahmen und Kapitalanlageergebnis generierten Umsatz. Hier schafften die Run-off-Gesellschaften (ohne FLV-Anbieter) laut Assekurata 11,89 Prozent 2021, während der Gesamtmarkt 10,29 Prozent erwirtschaftete. Es kommen den Kunden also mehr bilanzielle Mittel zu als im Gesamtmarkt, insbesondere bei Bayerische Beamten (21,16 Prozent) und Entis (18,33 Prozent). Drei Run-off-Anbieter blieben jedoch bei der Umsatzrendite 2021 unter dem Durchschnitt des Gesamtmarktes: Ergo (4,43 Prozent), Frankfurt-Münchener (4,85 Prozent) und Victoria (7,88 Prozent).

Bestandsabrieb verursacht höhere Verwaltungskosten
Geschmälert wird der potenzielle Ertragszuwachs von den höheren Verwaltungskosten der Run-off-Versicherer als im Gesamtmarkt. Dies ist laut Assekurata ein kritischer Erfolgsfaktor, weil aufgrund des kontinuierlichen Bestandsabriebs negative Skaleneffekte entstehen könnten, die sich durch effiziente Bestandsführungs-IT langfristig auffangen lassen.

Assekurata geht davon aus, dass der externe Run-off-Markt trotz steigender Zinsen intakt bleibt. Denkbar sei, "dass es vermehrt zu Übernahmen von Teilbeständen anstatt ganzer Risikoträger kommen kann", mutmaßt Heermann. Dazu passten die Mitte des Jahres bekanntgegebenen Vorhaben von Axa und Zurich, jeweils ein Policenpaket klassischer Lebensversicherungen zu veräußern.

Run-offs nicht neu und auch in der bAV
Wie beispielsweise der Run-off von über 4.000 Lebensversicherungsverträgen der Generali Lebensversicherung an den Abwickler Viridium 2019 zeigte, sind solche Transaktionen kein Sündenfall, sondern eine geeignete Möglichkeit, der anhaltenden Niedrigzinsphase zu begegnen, hieß es von der Bafin. Solche Bestandsverkäufe gab es mit kleineren Beständen schon früher. Beispiele: Delta Lloyd, Basler, Arag und Skandia.

Wir werden in Zukunft vermehrt solche Transaktionen sehen, weil effizientere Strategien für das Bestandsmanagement nötig sind, betonte der Risikoberater Willis Towers Watson seinerzeit angesichts des Generali-Deals. Es gibt Run-offs auch schon in der betrieblichen Altersversorgung, auch als Teil des Generali-Deals. Noch zwei ältere Beispiele: Die Pro bAV Pensionskasse wurde von Axa verkauft und die Prudentia Pensionskasse von der Cofra-Gruppe Deutschland abgegeben. Beide Kassen gingen zur Frankfurter Leben-Gruppe. (dpo)


Die 52-Seiten-Studie "Run-off in der Lebensversicherung 2022" ist ab sofort im PDF-Format lieferbar und kann direkt auf der Website (externer Link) bestellt werden. Sie kostet 940 Euro inklusive sieben Prozent Mehrwertsteuer.