Rund fünf Jahre ist es her, dass einige Pensionskassen in Schieflage rutschten und ihre Leistungen herabsetzen mussten. Das ist nicht nur für die aktuellen und künftigen Betriebsrentner ein Problem, sondern auch für deren Arbeitgeber. Im Schreiben einer Einrichtung, in dem die betroffenen Kunden darüber informiert wurden, liest sich das so: "Kürzt die Pensionskasse die garantierten Leistungen, hat der Arbeitgeber für die Kürzung einzustehen. Das ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) geregelt. (…) Der Arbeitgeber muss eine Entscheidung darüber treffen, wie er die Differenz ausgleicht. Wir empfehlen Ihnen daher, auf Ihren Arbeitgeber zuzugehen."

Das war ein Weckruf für viele Firmen, die dachten, sie hätten ihre Verpflichtungen – und damit ihre Risiken – aus der betrieblichen Altersversorgung (bAV) an einen Dritten, etwa einen Versicherer, ausgelagert. "Der Versicherer ist nur Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers. Er ist nicht verantwortlich für das arbeitsrechtliche Versprechen, das der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegeben hat", betont Jan Höntzsch, gerichtlich zugelassener Rentenberater und Leiter des Fachbereichs bAV des Bundesverbands der Sachverständigen für das Versicherungswesen (BVSV).

Neue Pflichten für Geschäftsführer
Besondere Brisanz bekommt die (potenzielle) Schieflage mancher Altersvorsorgeeinrichtung vor dem Hintergrund des relativ neuen "Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen". Dieses unter dem Kürzel StaRUG bekannte Regelwerk verpflichtet etwa Geschäftsführer einer GmbH dazu, ein Krisenfrüherkennungssystem für ihr Unternehmen einzuführen. Unterlassen sie dies, haften sie im Fall einer Krise mit ihrem Privatvermögen, noch bevor der Insolvenzverwalter einrückt. "Viele Geschäftsführer von Mittelständlern und Kleinunternehmer wissen aber gar nicht, welche konkreten Verpflichtungen sie im Rahmen der bAV eingegangen sind", so Höntzsch. "Wie sollen sie dann die Risiken beziffern, die sich daraus für ihr Unternehmen ergeben?"

Höntzsch kennt aus seiner Beratungspraxis zahlreiche Unternehmer, die das ihnen eher leidige, zur Mitarbeiterbindung aber nötige Thema bAV gedanklich komplett an einen Makler oder Versicherer ausgelagert haben. Fragt der Sachverständige im Auftrag der Firmen beim Versicherer oder beim Versorgungsträger an, reichen diese den Schwarzen Peter meist an das Unternehmen zurück. "Die zugrunde liegende arbeitsrechtliche Versorgungszusage wird allein zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart und liegt uns deshalb nicht vor", zitiert Höntzsch aus dem Antwortschreiben einer Gesellschaft.

Der Arbeitgeber muss für Unklarheiten einstehen – nicht der Arbeitnehmer
Selbst wenn der Arbeitgeber eine Kopie der Police im Aktenschrank findet, bleibt häufig offen, welche arbeitsrechtliche Zusage eigentlich zugrunde liegt. "Bei Fondspolicen rechnet der Anbieter in der Regel drei Szenarien vor, die auf einer jährlichen Wertentwicklung der Fonds von drei, sechs oder neun Prozent basieren", nennt Höntzsch ein Beispiel. "Hat der Arbeitgeber eines davon arbeitsrechtlich zugesagt? Und wenn ja, welches, wo steht dies? Sauber dokumentiert ist das eher selten." Rausreden kann sich das Unternehmen im Fall der Fälle nicht. "Eine arbeitsrechtliche Grundlage muss es schon deshalb geben, weil sie die Voraussetzung für die Vorteile mit Blick auf Steuern und Sozialabgaben ist", gibt der bAV-Experte zu bedenken. "Außerdem muss jedem Arbeitgeber bewusst sein, dass er und nicht der Arbeitnehmer es ist, der regelmäßig für eine Unklarheit einstehen muss, sollte ein Fall vor dem Gericht landen, so zumindest nach der aktuellen Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgericht."

Zwar kommt es eher selten vor, dass ein ehemaliger Mitarbeiter seine frühere Firma verklagt, weil er mit seiner Betriebsrente unzufrieden ist – nach vielen Jahren im Unternehmen gibt es hier eine gewisse Loyalität. Doch Höntzsch weiß von Fällen, in denen beispielsweise die gesetzliche Krankenkasse Klage im Namen des pflegebedürftigen Ex-Arbeitnehmers einreicht: Bevor sie für die ungedeckten Kosten einer Pflege mit öffentlichen Mitteln einspringt, muss sie zum Schutz der Versichertengemeinschaft prüfen, ob nicht anderswo etwas zu holen ist.

Jede noch so kleine Garantie erfordert ein Risikomanagementsystem
Die einfachste Form der bAV aus Sicht eines Unternehmens ist die reine Beitragszusage: Der Arbeitgeber überweist für seinen Angestellten einen gewissen Betrag im Monat. Das Risiko mit Blick auf die Höhe der späteren Betriebsrente trägt allein der Arbeitnehmer. "Solche Modelle sind eigentlich sinnvoll, weil die Freiheiten in der Kapitalanlage eine hohe Rendite erlauben", so Höntzsch. "Doch der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeiter in diesem Fall über das theoretische Risiko eines Totalverlustes sowie einer womöglich schwankenden Rentenleistung aufklären, was bekanntermaßen die allermeisten Verbraucher zurückschrecken lässt. Darum lassen sich solche Modelle aktuell kaum durchsetzen." Praxisnäher sind Konzepte, bei denen der Chef zumindest eine rote Linie einzieht, also beispielsweise 80 Prozent der Beiträge garantiert. Schon dann ist ein Risikomanagementsystem nötig: Die Firma muss die arbeitsrechtlichen Zusagen mit dem Guthaben beim Versorgungsträger abgleichen und falls nötig handeln.

Weil die bAV-Zusagen oftmals eine Blackbox seien, lauere hier viel "explosives Potenzial", mahnt Höntzsch. "Solange die Lunte noch brennt, lässt sich das Problem allerdings meist beheben", beruhigt er. "Oft ist es noch nicht zu spät, Klarheit zu schaffen." Finanzberatern empfiehlt er daher, ihre Firmenkunden auf dieses Thema anzusprechen: "Schon aus Eigeninteresse – schließlich soll das Unternehmen ja noch lange Bestandskunde bleiben." Die Klärung und womöglich Formulierung der Details sollten sie allerdings lieber Experten überlassen. "Die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung ist sonst schnell überschritten", mahnt Höntzsch.

Nicht nur ein Rechts-, sondern auch ein Vertriebsthema
Für den bAV-Spezialisten hat das Thema nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine vertriebliche Ebene. Seiner Meinung nach taugt es nämlich hervorragend als Argument für eine wertpapiergebundene Altersvorsorge: "Bei einer Versicherungspolice ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen, wie es um einen Vertrag konkret steht", weiß Höntzsch aus seiner Beratungspraxis. "Bei einem Wertpapierdepot lässt sich – auch mit Blick auf die Kosten – viel weniger verstecken. Da kann das Unternehmen einmal im Jahr den Ist- mit dem Soll-Stand vergleichen und das bilanziell entsprechend berücksichtigen." Sprich: Mit einer transparenten Versorgungslösung in Kombination mit einer sauber dokumentierten arbeitsrechtlichen Zusage droht den Firmenkunden auch künftig kein Unheil aus der bAV-Ecke. (bm)