Wenn der Bund der Versicherten (BdV) Recht behält, dann müssten einige deutsche Lebensversicherer demnächst sehr große Probleme bekommen. Fast die Hälfte der Gesellschaften erreicht die gesetzlich vorgeschriebene Solvenzquote von 100 Prozent nur mithilfe von Übergangsmaßnahmen. Zudem haben einige auch Probleme mit der Gewinnerwartung. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Solvenzanalyse, die der BdV gemeinsam mit der Zielke Research Consult veröffentlicht hat. Allerdings ist diese Quote nicht der einzige und ausschlaggebende Indikator für die finanzielle Lage eines Lebensversicherers. 

Die Solvenzquote ist ein Maßstab, ob ein Versicherer mit seinen Eigenmitteln auch bei einem Börsecrash und Verwerfungen an den Kapitalmärkten seine Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden erfüllen kann. Bei 100 Prozent oder mehr ist das der Fall. Versicherungsanalyst Zielke hat der Verbraucherschutzorganisation zufolge aber nicht nur die offizielle, "ausgewiesene" Solvenzquote, die unter Berücksichtigung der erlaubten Übergangsmaßnahmen berechnet werde, sondern auch die "reinen" Quoten ohne Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassungen sowie die "reinen Quoten ohne Kundengelder" berücksichtigt. Hier werden auch die nicht zugewiesenen Überschüsse an die Kunden herausgerechnet, die Versicherer zum Teil zu ihren Eigenmitteln zählen.

Verschiedene Solvenzquoten
Schaut man nur auf die ausgewiesene Solvenz, so erreichen alle Versicherer eine Quote von mehr als 100 Prozent. Bei Berücksichtigung der reinen Solvenz reißen laut BdV 20 Versicherer die 100er Hürde, rechnet man die Kundengelder auch noch heraus, schaffen nur 42 der 80 Gesellschaften die vorgeschriebenen Mindestdeckung. "Würden die Versicherten tatsächlich alle die ihnen gehörenden Überschüsse ausgezahlt bekommen, dann ist mehr als die Hälfte der Versicherer angezählt", so BdV-Vorstand Axel Kleinlein.

Experten sehen die bereinigte Solvenquote kritisch. So wies Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender der Versicherungsgruppe "Die Bayerische" in einem bei FONDS professionell geführten Streitgespräch (Anmeldung erforderlich) mit Kleinlein darauf hin, dass ein Versicherer über eine hervorragende Solvenzquote verfügen, zugleich aber in der Bilanz nach dem Handelsgesetzbuch enorme Schwierigkeiten haben kann. "Das liegt ganz einfach an den unterschiedlichen Bilanzierungsvorschriften", so Schneidemann. Daher müsse man neben der Solvenzquote auch weiteren Kennzahlen betrachten, wolle man die Finanzsituation eines Versicherers realistisch einschätzen. 

23 Versicherer haben "ernsthafte Probleme"
Die Verbraucherschutzorganisation beziehungsweise Analysten ziehen tatsächlich noch andere Indikatoren heran. Eine ist die Gewinnerwartung der Unternehmen, die weder zu hoch noch zu niedrig sein sollte: So würden etwa hohe erwartete Profite ein Zeichen für eine großzügige Kostenkalkulation sein – zugunsten der Versicherer.

Lediglich sieben Versicherer würden eine aus Verbrauchersicht akzeptable Gewinnerwartung ausweisen. Bei 16 Unternehmen sollte nachgesteuert werden, bei 57 Unternehmen sei die Gewinnerwartung entweder aus Verbrauchersicht unangemessen hoch oder zu niedrig. Zudem: Fasse man die Unternehmen zusammen, die eine zu geringe reine Solvenz oder eine negative Gewinnerwartung haben, dann zeige sich Kleinlein zufolge, dass 23 der 80 untersuchten Versicherer ernste Probleme hätten. (jb)