Die Zeiten, da deutsche Lebensversicherer Renditen von gut sieben Prozent erzielten und Garantien von vier Prozent locker zusagen konnten, sind lange vorbei. Bleibt das Zinsniveau weiter so niedrig wie zurzeit – und darauf deutet vieles hin –, dann werden einige Versicherer ihre hohen Renditeversprechen aus früheren Zeiten nicht halten können. Eine Analyse der Kölner Ratingagentur Assekurata zeigt, dass der Garantiezins im Bestand durchschnittlich bei knapp drei Prozent liegt. Jedoch gibt es eine Handvoll Unternehmen, die auf jeden zweiten bis dritten Vertrag vier Prozent bezahlen müssen – und das über Jahre hinweg. Diese Versicherer laufen Gefahr, auf direktem Wege in eine Unterdeckung zu schlittern.

Situation ist vertrackt, aber nicht hoffnungslos
Für Versicherungsmakler stellt sich in dieser Situation die Frage nach den Konsequenzen (lesen Sie dazu auch den Kommentar von FONDS professionell-Redakteurin Andrea Martens). Ist es denkbar, dass Millionen Inhaber von Lebenspolicen ihre Altersvorsorge verlieren? Sollten Makler ihren Kunden vielleicht zum sofortigen Rückkauf der Verträge raten? Oder zum Verkauf am Zweitmarkt? FONDS professionell ist den wichtigsten Fragen nachgegangen. 

Es zeigt sich, dass empfindliche Leistungskürzungen durchaus möglich sind. Höchst unwahrscheinlich ist jedoch, dass Kunden ihr Geld komplett verlieren. Der Grund: Zum einen schreibt der Gesetzgeber den Versicherern bestimmte Maßnahmen vor, die sie ergreifen müssen, um eine Unterdeckung oder gar eine drohende Insolvenz zu vermeiden. Zum anderen gibt es eine ganze Palette an Instrumenten, die strauchelnde Anbieter im Notfall selbst einsetzen dürfen. Und nicht zuletzt kann auch die Finanzaufsicht Bafin einschreiten. Hier sind einige ausgewählte Maßnahmen:

Das schreibt der Gesetzgeber vor: Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) sieht vor, dass die Versicherer keine Dividenden an ihre Eigentümer ausschütten dürfen, solange Geld zur Sicherung der Garantien benötigt wird (Art. 1, Nr. 3 LVRG). Für einen Extrapuffer sorgt auch die bereits 2011 eingeführte Zinszusatzreserve.

Diese Möglichkeiten haben die Versicherer: Um eine drohende Unterdeckung zu verhindern, dürfen Versicherer alle künftigen Überschüsse zurückfahren. Dies erlaubt ihnen Paragraf 140 Satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Die Inhaber von Lebenspolicen bekommen dann nur noch die Garantieleistungen inklusive bereits aufgelaufener und schon zugesagter Überschüsse.

Auch die Garantierenten für künftige Überschüsse können mit verringerten Garantien gerechnet werden. Und: Versicherer dürfen Garantien sogar senken oder Prämien erhöhen, sofern die Maßnahmen im Vertrag nicht ausgeschlossen wurden. (§ 163 Versicherungsvertragsgesetz, VVG).

Das kann die Bafin tun: Zeigen die Rettungsversuche eines angeschlagenen Versicherers keine Wirkung, schreitet die Finanzaufsicht ein. Die Bafin kann den Übergang aller Verträge auf Protektor anordnen. Die Sicherungseinrichtung führt sie fort und saniert den Bestand. Reichen die vorhandenen Mittel dafür nicht aus, können bereits garantierte Versicherungsleistungen um bis zu fünf Prozent gekürzt werden (§ 222 Satz 5 VAG).

Steuert ein Versicherer auf die Insolvenz zu, kann die Bonner Behörde auch ein vorübergehendes Zahlungsverbot verhängen (§ 314 Satz 1 VAG). In diesem Fall hat die Aufsicht freie Hand, bereits garantierte Leistungen, selbst laufende Renten, entsprechend der verschlechterten Kapitalausstattung zu senken – ohne Untergrenze.

Anpassungen von wenigen Prozent
All diese Kürzungen würden einen betroffenen Kunden vermutlich hart treffen. Ihr Ziel ist es aber, einen angeschlagenen Versicherer stabil zu halten und damit das Kollektiv der Versicherten vor einem kompletten Kapitalverlust zu schützen. "Selbst wenn Garantieleistungen herabgesetzt werden müssten, dürfte es dabei um Anpassungen von wenigen Prozent gehen", sagt Marco Arteaga, Partner der international tätigen Kanzlei DLA Piper in Frankfurt. Kein Kunde müsse befürchten, dass plötzlich die Hälfte seiner Altersvorsorge verloren sei.

Makler sollten ihre Kunden natürlich darüber aufklären, was auf sie zukommen könnte. Wer seinen Mandanten aber rät, sich von der Lebenspolice zu trennen, geht ein hohes Risiko ein. "Vermittler sollten möglichst vermeiden, Kunden die Kündigung von Lebensversicherungen zu empfehlen“, sagt der Versicherungsmathematiker und Aktuar Peter Schramm. Denn: "Richter sehen in einer Kündigung meist einen Schaden, für den der Vermittler dann haftet." Eine objektive Beratung zu den denkbaren Szenarien müsse daher reichen. (am)


​Eine ausführliche Analyse zur Situation der deutschen Lebensversicherer lesen Sie in der aktuellen Heftausgabe 3/2016 von FONDS professionell, die kürzlich erschienen ist. FONDS professionell KLUB-Mitglieder können den Beitrag auch im E-Magazin abrufen.