Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) kritisiert den jüngsten Stresstest für europäische Lebensversicherer, dessen Resultate die EU-Versicherungsaufsicht Eiopa vergangene Woche veröffentlichte. Nach Meinung der Versicherungsmathematiker liefert der Test keine neuen Informationen für die Branche.

Für den Stresstest hat Eiopa zwei Szenarien vorgegeben, anhand derer die Widerstandsfähigkeit der Versicherer analysiert werden sollten. In diesen wurde eine drastische Verschlechterung der Kapitalmärkte und der zukünftigen Zinsentwicklung angenommen. Die Aufsichtsbehörde kommt nach Auswertung der Daten zu dem Ergebnis, dass sich die 236 untersuchten europäischen Versicherer in diesem Szenario auf eine Belastung von insgesamt bis zu 160 Milliarden Euro einstellen müssten. Insbesondere deutsche und österreichische Branchenunternehmen seien betroffen (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Aufsicht hat Versicherer ohnehin im Auge
Die Aktuare bemängeln, dass diese Annahmen deutlich über das ohnehin schon extrem hohe Sicherheitsniveau hinausgeht, das von den EU-Aufsichtsregeln unter Solvency II gefordert wird. Bereits unter diesem müssen die Versicherer sicherstellen, dass ihre Eigenmittel innerhalb eines Jahres in höchstens einem von 200 Fällen nicht ausreichend wären.

Darüber hinaus müssten die Gesellschaften im Rahmen von Solvency II bereits regelmäßig ihre Risiko- sowie Solvabilitätssituation analysieren und die Resultate vierteljährlich an die nationalen Aufseher melden. Die Finanzaufsicht Bafin führe außerdem weitere Erhebungen durch, um zu einer differenzierten Einschätzung der Solvabilitätssituation der deutschen Versicherer zu gelangen. "Inwiefern in einem derart stark regulierten Markt wie dem Versicherungssektor der Eiopa-Stresstest zusätzliche Erkenntnisse liefert, ist für uns nicht ersichtlich", erklärt Wilhelm Schneemeier, Vorstandsvorsitzender der DAV.

Falscher Fokus auf Assekuranz
Außerdem sieht die DAV im vorliegenden Stresstest das zentrale Ziel von Eiopa verfehlt, eine makroökonomische Analyse vorzunehmen. "Denn dafür genügt es nicht, sich nur auf die Versicherungsunternehmen zu konzentrieren", führt Schneemeier weiter aus. Langfristerwartungen an den Zins seien auch für andere Marktsegmente von großer Bedeutung. So hätte eine lang andauernde Tiefzinsphase auch Auswirkungen auf Industrieunternehmen oder internationale Vorsorgeeinrichtungen. Für eine adäquate Bewertung der Finanzmarktstabilität eines gesamten Wirtschaftsraums muss nach Ansicht des DAV-Vorstandsvorsitzenden die wirtschaftliche Situation aller wesentlichen Marktteilnehmer berücksichtigt werden. (jb)