Die Versicherungsbranche hat sich den 22. Mai im Kalender rot markiert. Bis zu dem Tag müssen die Unternehmen auf Anordnung der Finanzaufsicht Bafin ihre sogenannte Solvenzquote veröffentlicht haben. Diese soll angeben, wie krisenfest ein Versicherer auch in Zeiten hartnäckiger Minizinsen ist. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat nachgeschaut, welche Gesellschaften überpünktlich waren und schon geliefert haben. Zudem hat sie Experten befragt, wie diese Zahl einzuschätzen ist.

Laut der Zeitung gehören der Autoversicherer HUK-Coburg, der Rückversicherer Hannover Rück und auch die Allianz zu denjenigen, die schon vor kommendem Montag ihre Zahlen gemeldet haben. Die HUK hat für die Gruppe eine Solvenzquote von 335,6 Prozent gemeldet, für ihren Lebensversicherer einen Wert von 282 Prozent. Die Hannover Rück meldete 230 Prozent für die Gruppe. Die Allianz muss Quoten für immerhin 60 Einzelunternehmen veröffentlichen. Für den Konzern wird die Quote auf 218 Prozent beziffert. Talanx gibt 186 Prozent an, Hanse-Merkur rund 300 Prozent und die Munich Re 267 Prozent.

Das meint die Solvenzquote
Das bedeutet, dass alle diese Unternehmen solide aufgestellt sind, denn die Bafin verlangt mindestens eine Quote von 100 Prozent. Die technische Erklärung dafür lautet wie folgt: Gemäß Paragraf 89 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) müssen Versicherer stets über anrechnungsfähige Eigenmittel mindestens in Höhe ihrer jeweiligen SCR-Quote verfügen. Diese entspricht dem "Value-at-Risk der Basis-Eigenmittel zu einem Konfidenzniveau von 99,5 Prozent über ein Jahr", wie es im Gesetz heißt. Vereinfacht gesagt: Ein Versicherer, der über anrechnungsfähige Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätskapitalanforderungen verfügt, muss mit einer Wahrscheinlichkeit von wenigstens 99,5 Prozent in der Lage sein, Verluste auszugleichen, die innerhalb des nächsten Jahres eintreten.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt der FAZ zufolge, dass die durchschnittliche Solvenzquote für alle deutschen Assekuranzen bei ungefähr 305 Prozent liegt. Das wäre in etwa das Niveau der geheim gehaltenen Zahlen von Anfang vorigen Jahres. Damals sollen drei Gesellschaften die 100-Prozent-Marke nicht erreicht haben (FONDS professionell ONLINE berichtete), Diesmals geht die Bafin laut FAZ aber davon aus, das keiner diese Latte reißen werde.

Schwankende Zahl
Experten weisen aber darauf hin, dass die Quote zwar einen Hinweis darauf gibt, wie krisenfest ein Versicherer ist – sie sei aber nicht die ultimative Kennziffer. So sei eine Quote deutlich über 100 Prozent zwar besser als eine nahe 100 – oder sogar darunter. Allerdings  schwanken die Quoten stark, unter anderem mit den Kapitalmarktzinsen.

Gerade bei den Lebensversicherern, die in erster Linie in Staatsanleihen investieren, mache sich das bemerkbar: Im ersten Quartal vorigen Jahres seien die Solvenzquoten deshalb bei fast allen Assekuranzen zusammen mit den Renditen der Bundesanleihen deutlich gesunken. Zum jetzt entscheidenden Stichtag, dem 31. Dezember 2016, seien die Zinsen aber wieder leicht gestiegen.

Keine Vergleichbarkeit
Zudem sei keine Vergleichbarkeit der Zahlen gegeben. "Die Grundidee ist richtig", meint etwa Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata gegenüber der FAZ. "Vergleichbar sind die Quoten allerdings nur eingeschränkt." Diese beruhten auf unterschiedlichen Berechnungen mit Hilfe von Modellen. Einige Gesellschaften setzen auf offizielle Standardmodell, andere nutzen ein individuelles internes System.

Hinzu komme, dass selbst die Versicherer, die das Standardmodell einsetzten, individuelle Annahmen einfließen lassen, etwa über künftige Vertragsstornierungen oder die weitere Aufteilung ihrer Kapitalanlagen und das Management der Überschussbeteiligungen für die Kunden. Damit nicht genug: Es gibt Übergangsmaßnahmen bis zum Jahr 2031, welche die Unternehmen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde legitim anwenden können und die dann zu höheren Solvenzquoten führen. (jb)