"Das Thema Umwelt und Soziales ist bei der Mehrheit der deutschen Versicherer noch nicht angekommen", lautet das ernüchternde Urteil einer Analyse der sogenannten CSR-Berichte deutscher Assekuranzunternehmen, die Carsten Zielke, Gründer und Geschäftsführer der Zielke Research Consult in Aachen, Anfang der Woche vorgelegt hat.

Die Abkürzung CSR steht für "Corporate Social Responsibilty" und bezieht sich auf das Umwelt- und Sozial-Engagement von Unternehmen. Bereits im Jahr 2014 hatten Parlament und Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die entsprechende CSR-Richtlinie verabschiedet. Damit sind alle börsennotierten Gesellschaften sowie alle Finanzinstitute der EU mit mehr als 500 Mitarbeitern seit dem Geschäftsjahr 2017 zu einer entsprechenden Erweiterung ihrer Unternehmensberichterstattung verpflichtet, um so für mehr Transparenz in Bezug auf ökologische und soziale Aspekte zu sorgen.

Die Zielsetzung seiner Analyse beschreibt Zielke so: "Da der Bereich 'Governance' bereits durch die sogenannten SFCR-Berichte (Anm. d. Red.: Solvency and Financial Condition Report – kurz: SFCR) abgedeckt ist, lag unser Fokus auf der Aussagefähigkeit der Nachhaltigkeitsberichte deutscher Versicherer in Bezug auf die Bereiche Soziales und Umweltbelange. Unser Hauptkriterium galt dabei der Frage: Will uns die Gesellschaft in dieser Hinsicht etwas konkret Relevantes mitteilen und hinterlegt sie das mit handfesten Fakten?"

Viel Blabla, wenig Konkretes
Insgesamt seien die 42 untersuchten CSR-Berichte deutscher Versicherer vor allem wenig konkret, so Zielkes Gesamturteil. Bei einer Bandbreite, die von maximal möglichen 16 Pluspunkten bis hin zu elf Minuspunkten reicht, liegt die Durchschnittspunktzahl aller Teilnehmer bei einem enttäuschenden Ergebnis von minus drei.

Die höchste Punktzahl erreichen Debeka und Allianz mit jeweils sieben von möglichen 16 Pluspunkten, gefolgt von der Munich Re auf Platz zwei mit sechs Punkten. Unter den Verlierern finden sich Gesellschaften wie die Provinzial Nordwest und die WWK mit der erreichten Maximalzahl von elf Minuspunkten. Die Itzehoer Versicherung kommt mit zehn von elf möglichen Minuspunkten auf ein nur unbefriedigend besseres Ergebnis.

"Die Verlierer-Unternehmen scheinen so gut wie kein Interesse an der Veröffentlichung Ihrer CSR-Maßnahmen zu haben", so Zielkes Eindruck nach seiner Analyse. Das lasse nur einen Schluss zu: "Wir müssen davon ausgehen, dass Nachhaltigkeit keinen besonders hohen Stellenwert in der Unternehmenskultur dieser Gesellschaften einnimmt."

Zielgröße beim Frauenanteil: "null Prozent"
Im Bereich Soziales, in dem es vor allem um das Engagement des Unternehmens für Mitarbeiter, Kunden und soziale Projekte geht, fiel auf, dass das Thema Inklusion von körperlich beeinträchtigen Personen für deutsche Versicherer immer noch ein Fremdwort zu sein scheint. Sonst sei nicht zu erklären, so Zielke, dass nur eine von 42 Gesellschaften dieses Thema aktiv betreibe. Auch würden nur drei Gesellschaften einen sogenannten "Net Promoter Score" veröffentlichen, eine inzwischen bei vielen Unternehmen gängige Marketing-Kennzahl, die die Loyalität von Kunden wiedergebe.

Immerhin 25 Gesellschaften bieten attraktive sportliche Aktivitäten für ihre Mitarbeiter an, wobei es die DKV damit bewenden lässt, ihren Mitarbeitern die Mitgliedschaft in einem kooperierenden Fitnessstudio mit zehn Euro monatlich zu sponsern. Den Vogel abgeschossen im Bereich Soziales aber hat die Rheinland Versicherung. Das Unternehmen lobt sich in seinem Bericht dafür, dass die Zielgröße von "null Prozent" in Bezug auf die Frauenquote im Vorstand während des Berichtszeitraums tatsächlich erreicht worden ist.

Nicht einmal ein Viertel der Versicherer macht Angaben zum CO2-Ausstoß
Im ebenfalls untersuchten Bereich Umwelt ging es nicht nur um konkrete Maßnahmen zur Messung und Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Unternehmen, sondern auch um die Integration oder zumindest die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der eigenen Anlagepolitik. Auch hier vermitteln die CSR-Berichte der Versicherer eher Ernüchterung denn Aufbruchstimmung: Insgesamt machen laut der Zielke-Analyse nur zehn Versicherer überhaupt Angaben zum CO2-Ausstoß pro Mitarbeiter, und nur zwölf berücksichtigen ESG-Kriterien effektiv in ihrer Investmentstrategie.

Die LVM teilt von vorneherein mit, dass Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Produkten gar nicht erst berücksichtigt werden. Und die Alte Leipziger lässt verlauten, als Ergebnis einer Wesentlichkeitsanalyse sei der Aspekt Umwelt für die Tätigkeiten der Unternehmen im Alte-Leipziger–Hallesche–Konzern nicht wesentlich, da die Geschäftsmodelle nur marginale Auswirkungen auf die Umwelt hätten.

Ein selbstgemachtes Nachfolgeproblem?
Die EU hat mehrfach signalisiert, dass sie Nachhaltigkeitsaspekte sowohl im Reporting als auch in der Vermittlung von Finanzprodukten stärker berücksichtigen wird. "Den Versicherern als den größten Investoren Europas kommt dabei eine besondere Verpflichtung zu, der sie in der Mehrzahl bisher noch nicht einmal halbherzig nachkommen", mahnt Zielke in einem Fazit zu seiner Analyse.

Der Analyst sieht dabei vor allem die Gefahr, dass nicht nur die Produkte, sondern auch die Karrierechancen der Assekuranzbranche insbesondere für junge Leute, die heute mehrheitlich sehr viel Wert auf die Berücksichtigung von sozialen und umweltrelevanten Aspekten legen, als zunehmend unattraktiv wahrgenommen werden. (hh)