Die Großkoalitionäre in Berlin sind über den Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführrung einer Grundrente heftig zerstritten. Nach dem Konzept von Heil sollen die Bezüge von Personen, die 35 Jahre lang in die gesetzlichen Kassen eingezahlt haben und dennoch nur ein geringes Ruhegeld erhalten, aufgewertet werden.

Getrieben wird die Debatte von der auch in der Bevölkerung weitverbreiteten Sorge, dass viele Deutsche ohne eine solche Aufbesserung später mit Altersarmut kämpfen werden – soweit die oft gehörte Begründung. Diese hält einer genaueren Betrachtung allerdings nicht wirklich stand, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) nach Durchsicht der offiziellen Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) schreibt.

Die Zeitung stellt zwar selbst fest, dass einige Zahlen auf den ersten Blick besorgniserregend anmuten. So betrage die durchschnittliche Bruttorente zurzeit 1.022 Euro – 1.329 Euro für Männer und 787 Euro für Frauen. Das ergebe einen durchschnittlichen Netto-Zahlbetrag von 916 Euro im Monat. Damit nicht genug: Fast jede zweite gesetzliche Altersrente liege unter 800 Euro im Monat, weisen die DRV-Daten aus.

Haushaltskontext ist entscheidend
Die FAZ will diese Zahlen aber dennoch nicht als Beleg für Altersarmut gelten lassen. Ihr zufolge verfügen zum einen viele Rentner über weitere Einkommen, etwa aus betrieblichen Vorsorgekassen, aus Vermietung oder Geldanlagen – oder aus dem Einkommen des Partners. Zum anderen werde der Durchschnitt der Ruhegelder stark nach unten verzerrt, weil auch Beamte oder Selbstständige mitgezählt werden, die allerdings nur kurz oder nie in die Rentenkasse eingezahlt haben. 

Die Einkommenslage könne "nur im Haushaltskontext" bestimmt werden, betone daher auch die Rentenversicherung selbst. Nach dem Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung vom Herbst 2018 lag aber das durchschnittliche Netto-Gesamteinkommen für Rentner-Ehepaare im Westen im Jahr 2015 bei 2.572 Euro (Ost: 2.257 Euro). Alleinstehende Männer kamen auf netto 1.593 Euro (Ost: 1.389), alleinstehende Frauen auf 1.422 Euro (Ost: 1.370). Das mildert den ersten Eindruck schon mal ab.

Grundsicherung ist der bessere Maßstab
Hinzu komme: Der Maßstab für Altersarmut sind nicht die durchschnittlichen Brutto-Rentenzahlungen, sondern die Zahl derjenigen, die staatliche Fürsorgeleistungen beziehen. Eine Grundsicherung im Alter erhalten derzeit 3,1 Prozent der Bürger über 65. Das seien laut der FAZ circa 560.000 Personen. Pikant: Bei Bürgern, die offiziell zu den Erwerbstätigen gehören, liegt die Quote bei acht Prozent, ist also mehr als doppelt so hoch.

Ferner sei ein Blick auf die zukünftigen Rentenempfänger sehr hilfreich, um das angebliche Problem einer flächendeckenden Altersarmut besser zu beurteilen. So sei nach dem Alterssicherungsbericht der Regierung unter den Arbeitnehmern mit 35 oder mehr Beitragsjahren zurzeit gerade mal ein Prozent auf Grundsicherung angewiesen. Altersarmut treffe also nur in Ausnahmefällen langjährig Beschäftigte – und das auch nur dann, wenn sie sehr wenig verdient haben. Dagegen sei die Armutsgefahr für Selbstständige mit vier Prozent deutlich größer. Daher sei der Plan der Koalition, eine Altersvorsorgepflicht für Selbständige auf den Weg zu bringen, zielführender zur Vorbeugung von Altersarmut als die Idee einer Grundrente – erst recht einer ohne Berechtigungsprüfung.

Keine Tsunami bei der Altersarmut
Die FAZ wirft noch ein weiteres Argument in die Waagschale: Die DRV rechnete vergangenes Jahr in einer Studie mit einem Anstieg der Empfangsberechtigten von Grundsicherung im Alter zwischen 835.000 bis 1,05 Millionen Personen im Jahr 2030. Das entspräche einer Quote zwischen 4,4 und 5,9 Prozent bei Männern beziehungsweise 4,3 und 5,2 Prozent bei Frauen.

Dabei dämpfen schon beschlossene Leistungsverbesserungen für Erwerbsminderungsrentner diese hochgerechnete Hilfequote zusätzlich. Die Schlussfolgerung: Es sei "kein Tsunami bei der Altersarmut" zu erwarten. (jb)