Gesucht wird für die Riester-Vorsorge nicht mehr und nicht weniger als die "eierlegende Wollmilchsau": niedrige Kosten, große Flexibilität, Transparenz und Verständlichkeit, großer Verbreitungsgrad, Opt-out, Rentabilität, einfache Zulagenregelung, gerechte Förderung. Letztlich fordern alle Experten – vom Verbraucherschutz bis zu den Marktbeobachtern – "Riester für alle".

"Alle Erwerbstätigen sollten eine Riester-Rente abschließen dürfen", sagte Peter Schwark, Geschäftsführer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Leiter des Kompetenzzentrums Altersvorsorge und Zukunftssicherung, schon bei einer Fachkonferenz vor sechs Monaten. Er wünscht sich eine "Entschlackung" der ausufernden Förderbürokratie, die massiv zur Kostenaufblähung beiträgt.

Wird Riester bewusst schlechtgeredet?
Auf der Fachkonferenz "4. Berliner bAV-Auftakt: Die Zukunft der bAV im Dialog" vergangenen Donnerstag in Berlin sprach Schwark von einer sehr guten Bilanz der seit 2002 angebotenen Riester-Palette. Die Riester-Rente funktioniert mit 16,5 Millionen Verträgen, was für ein freiwilliges System "weltweit einzigartig" sei. Jeder Zulagen-Euro bei Riester bewirkt über 2 Euro Eigenbeiträge und bringt bereits 2017 letztlich sechs Prozent der gesetzlichen Eckrente, Tendenz zunehmend. Dies widerspiegele sich jedoch unzureichend in den Medien, wo offenbar vielfach nach dem Grundsatz verfahren werde "only bad news are good news".

Bei einer Reform der Riester-Rente sehen Verbraucherschützer vor allem geringe Kosten, erhöhte Glaubwürdigkeit und eine angemessene Beteiligung der Kunden an der Marktrendite bei geringem Risiko im Vordergrund. Die Kostendifferenz zwischen teuren und kostengünstigen Versicherern summiert sich über die Laufzeit auf einen fünfstelligen Betrag (FONDS professionell ONLINE berichtete). Diesen Vorwurf konterte Schwark auf der Konferenz: Die Branche habe mit dem LVRG 2015 bereits handfeste Verbesserungen umgesetzt. Die einmalig einkalkulierten Abschlusskosten wurden um bis zu 40 Prozent reduziert, die Regeln zur Überschussbeteiligung für Kunden verbessert (90 Prozent der Risikoüberschüsse werden zur Rentenerhöhung verwendet).

Kosten eingedämmt, aber zu viel Bürokratie allerorten
Einheitliche Produktinformationsblätter bringen zudem mehr Vergleichbarkeit und neue Kennziffern mehr Transparenz (Effektivkosten; Chancen-Risiko-Klassen). "Das Verfahren ist aber insgesamt zu komplex geraten", wirbt Schwark für eine Vereinfachung durch den Gesetzgeber. Beispiel Verwaltungskosten, die bei den Versicherern tatsächlich entstanden sind: Sie liegen bei Riester-Verträgen im Schnitt um 70 Prozent höher als bei herkömmlichen privaten Altersvorsorgeprodukten, ergab eine GDV-Abfrage unter den Mitgliedern im August 2018.

Die Kostenfrage dürfe also nicht allein bei den Produktgebern aufgemacht werden. Es bedürfe zwar weiterer automatisierter Vertragsanpassungen, doch die Kapitalanlagekosten seien wettbewerbsfähig. Außerhalb der Branche entstünden zahlreiche Kosten wegen Zulagenstelle, Finanzbehörden, Kindergeldstellen und Arbeitsamt. Im Alltag müssten die Marktteilnehmer zudem 197 Textseiten speziell zur Riester-Rente in Form von Gesetzen, Verordnungen und BMF-Schreiben berücksichtigen, hat der GDV ermittelt.

Förderung entschlacken und alle begünstigen
Der Verband schlägt vor, den förderfähigen Personenkreis auf alle unbeschränkt steuerpflichtigen Bürger auszuweiten, keine aufwendige Prüfung der Förderberechtigung mehr zu betreiben und die Förderung auch bei Statuswechsel zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit nicht mehr zu streichen.

Die von Anfang an fehlende Dynamisierung hindere Riester-Sparer zunehmend an ausreichend hohen Vorsorgebeträgen. Die Intensität der Förderung durch "kalte Progression" führt laut Schwark zu deutlich sinkender Kaufkraft im Zeitablauf. Beispiel Grundzulage: Sie betrug 2002 noch 42 Cent pro Euro Eigenbeitrag. 2018 sei die Intensität trotz erhöhter Grundzulage auf 37 Cent pro Euro Eigenbeitrag gesunken. "Eine baldige Dynamisierung und nochmalige Erhöhung auf mindestens 200 Euro ist daher angemessen", sagt der Vorsorgeexperte.

Mehr Sonderausgabenabzug und Höchstzulage für alle Kinder
Dasselbe gelte beim Sonderausgabenabzug für Besserverdiener, der unverändert nominal bei 2.100 Euro pro Jahr liegt. Allein der Vergleich mit dem aktuellen bAV-Förderhöchstbetrag bei der Entgeltumwandlung, der 2019 auf Basis von vier Prozent der Renten-Beitragsbemessungsgrenze (BBG) bereits bei 3.216 Euro steht, zeige den Nachteil der Riester-Förderung.

Und in der bAV ist ja steuerlich bereits die Acht-Prozent-Förderung in Kraft, die durch jährliche Steigerung der BBG jedes Jahr dynamisiert wird. "Der starre Riester-Deckel gehört abgeschafft, um die Versorgungslücke nicht zu vergrößern", fordert Schwark. Zudem sei es sinnvoll, die Kinderzulage zu vereinheitlichen und für jedes Kind jeden Alters 300 Euro zu gewähren.  

Riester-Standardprodukte in Gesamtreform diskutieren
Den Wunsch der Politik, ein Riester-Standardprodukt zu entwickeln, hält Schwark für umsetzbar, falsch wäre aber, den Staat selbst zum Anbieter zu machen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Standardisierung hieße vor allem Verzicht auf komplexe Wahlentscheidungen, was weniger Beratungsaufwand und weniger Kosten zur Folge hätte. "Der Weg zu einem attraktiven standardisierten Riester-Produkt beginnt jedoch mit einer umfassenden Reform der Riester-Förderung", ist Schwark überzeugt.

Da sei primär "politischer Wille zu deutlich vereinfachter Förderung und längst überfälliger Dynamisierung der Riester-Verträge nötig". Auch ein Standardprodukt bräuchte einen besseren Förderrahmen als die jetzige Riester-Rente. Zuvor müssten jedoch elementare Fragen beantwortet werden, etwa: Wie kommt das Produkt zu den Menschen? Welche Leistungen sollen neben der Rente abgedeckt werden? Wie lassen sich Renditechancen und Planbarkeit von Altersvorsorge austarieren? (dpo)