Schon seit 2004 präsidiert Michael H. Heinz beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). FONDS professionell ONLINE traf den Kenner des Vermittlermarktes im Berliner Büro des Verbandes zum Gespräch.


Herr Heinz, Brüssel versucht seit Jahren, ein generelles Provisionsverbot für Altersvorsorgeprodukte durchzusetzen, zuletzt liebäugelte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness mit diesem Plan. Was sind die Hauptgründe dafür?

Michael H. Heinz: Ich vermute, dass die EU-Kommission aus ihrem Schock über die Finanzkrise 2008 immer noch die falschen Schlüsse zieht. Sie hebt eine Regulierung nach der nächsten aus der Taufe und sieht die Provisionsvermittlung als Teufelszeug und eine Quelle der Verbraucherabzocke an, was sie mitnichten ist. Aber Frau McGuinness hat sich zum Glück eines Besseren belehren lassen und einem generellen, EU-weiten Provisionsverbot bei der Vorstellung der EU-Kleinanlegerstrategie eine Absage erteilt. Stattdessen sollen abgestufte und partielle Provisionsverbote eingeführt werden, etwa wenn keine Beratung stattgefunden hat, bei Interessenkonflikten oder wenn keine bestmögliche Kundenberatung im Sinne der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD möglich war. Auch wenn Vermittler gegenüber dem Kunden erklären, sie würden auf unabhängiger Basis arbeiten, sollen Provisionen verboten sein.

Die Kleinanlegerstrategie sieht ein generelles Provisionsverbot für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten vor, sofern die Beratung auf unabhängiger Basis erfolgt. Damit wären Courtagen für Makler zumindest in diesem Bereich passé, oder?

Heinz: Nein, das ist nicht der Fall! Dies hat ein vom BVK im Auftrag gegebenes Gutachten von Professor Christoph Brömmelmeyer von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder ergeben. Der auf Bürgerliches Recht, Versicherungsrecht und Europäisches Wirtschaftsrecht spezialisierte Wissenschaftler stellt fest, dass es dem Versicherungsmakler nach wie vor freisteht, provisionsbasiert zu beraten. Das gesetzliche Berufsbild hindert ihn nicht daran. Die Kleinanlegerstrategie geht zwar davon aus, dass der Versicherungsmakler die Beratung im provisionsbasierten Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten als "nicht unabhängig" bezeichnen muss. Das kann er aber auch tun. Also: Der Versicherungsmakler braucht weder zu behaupten, dass er wie ein Arbeitnehmer persönlich abhängig sei, noch, dass er vertraglich beziehungsweise wirtschaftlich von einem bestimmten Versicherer abhänge.

Zu welchem Schluss ist Brömmelmeyer denn letztlich gekommen?

Heinz: Für Versicherungsmakler sind Provisionen weiter erlaubt. Zukünftig verlangt die Kleinanlegerstrategie nach aktuellem Stand von allen Branchenbeteiligten ein gewisses Maß an Differenzierungsvermögen. Richtig sei laut Gutachten, dass die Provision für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten entfallen soll, wenn der Versicherungsvermittler eine Beratung auf unabhängiger Basis ankündigt. Der Versicherungsmakler müsste künftig also im provisionsbasierten Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten klarstellen, dass er zwar nicht persönlich von einem bestimmten Versicherer abhängig ist, dass die von ihm angebotene Dienstleistung aber "nicht unabhängig" erfolgt, weil er wirtschaftlich gesehen auf Provisionszahlungen angewiesen ist.

Diese Argumentation dürfte selbst für Makler schwer zu verstehen sein – wer möchte schon ein "abhängiger Versicherungsmakler" sein? Vom Endkunden ganz zu schweigen. Wäre es nicht einfacher, weiter gegen ein Provisionsverbot zu kämpfen, um den geplanten Passus ersatzlos zu streichen?

Heinz: Seien Sie versichert, dass wir vom BVK uns weiterhin für den uneingeschränkten Erhalt der Provisionsvergütung einsetzen und die verquasten EU-Regelungspläne am liebsten abschaffen würden. Aber auf EU-Ebene sind komplizierte Aushandlungsprozesse zwischen vielen und unterschiedlich gestrickten Akteuren aus verschiedenen Staaten notwendig, was dem Bohren sehr dicker Bretter gleicht. Nichtsdestotrotz werden wir auf Klarstellungen in den Begründungen und bei Übersetzungen in der Kleinanlegerstrategie pochen, um unterschiedliche Rechtsauslegungen zu verhindern. Als Verband haben wir im Oktober entsprechende Änderungsanträge in den EU-Ministerrat eingebracht. Wir brauchen eine rechtssichere Formulierung der Regeln. In diesem Zusammenhang wirkt das Präsidium verstärkt in Brüssel, wo wir als einziger deutscher Vermittlerverband ein eigenes Büro unterhalten. Dort wird auch regelmäßig mit Europaparlamentariern diskutiert und auch der Schulterschluss zum europäischen Dachverband der Finanzvermittler BIPAR gesucht. Inzwischen hat sich Stephanie Yon-Courtin, die für die Kleinanlegerstrategie zuständige Berichterstatterin des EU-Parlaments, klar gegen McGuinness' Pläne für ein partielles Provisionsverbot ausgesprochen, zuletzt in einem am 9. November veröffentlichten Papier des zuständigen Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Econ).

Ein Provisionsverbot bei der Altersvorsorge würde Verbraucher wohl in den überwiegend beratungslosen Internetvertrieb drängen. Das will der BVK schon seit langem verhindern – warum?

Heinz: Ihre Frage beinhaltet schon die Antwort: Ein beratungsloser Vertrieb kann nicht das erfüllen, was qualifizierte Vermittler leisten. Und gerade bei der Altersvorsorge mit ihrem jahrzehntelangen Anlagehorizont ist eine gute, kompetente Beratung dringend nötig. Schließlich binden sich die Leute auf sehr lange Zeit und vertrauen darauf, dass sie im Alter nicht Pfandflaschen sammeln müssen, um überleben zu können. Das sollte man nicht schematisch arbeitenden Algorithmen und Webseiten überlassen. Deshalb setzen wir uns aus unserer sozialpolitischen Verantwortung heraus für den Erhalt der Provisionsvergütung ein.

Das DIHK-Register vermeldete kürzlich einen neuen Minusrekord bei der Zahl gewerblichen Versicherungsvermittler. Ist die unvermindert scharfe Regulierung die Hauptursache?

Heinz: Seit Jahresbeginn ist die Zahl der registrierten Vermittler um sechs Prozent gesunken, seit 2011 summiert sich der Rückgang sogar auf 30 Prozent. Dieser Schwund ist eine Folge der immer weiter getriebenen Regulierung und überbordenden Bürokratie, die unseren Berufsstand einschnüren. Deshalb plädiert der BVK für ein Moratorium und für eine Überprüfung der Wirksamkeit der bestehenden Gesetze und Verordnungen, bevor wieder neue erlassen werden. Zudem zeigen kürzlich im Auftrag unseres Verbandes erhobene Zahlen, dass das Durchschnittsalter der Vermittler mit 51 Jahren wieder ein Stück weit gestiegen ist, während der Anteil der unter 35-Jährigen bei nur 6,6 Prozent liegt. Trotz zuletzt leicht steigender Gewinne sind offenbar zu wenig junge Menschen bereit, sich den immer komplexeren Bedingungen durch die zunehmende Regulierung auszusetzen. Wir versuchen unter anderem mit den BVK-Junioren, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Was raten Sie dem Berufsnachwuchs, damit er sich trotz aller Hiobsbotschaften nicht von der Vermittlungstätigkeit abwendet?

Heinz: Junge Vermittler sollten sich nicht den Beruf madig machen lassen und immer wieder gedanklich und motivierend darauf zurückkommen, weshalb sie diesen Beruf ergriffen haben. Die Kundenzufriedenheit und Kundentreue sind dabei die ausschlaggebenden Faktoren und gleichzeitig die besten Komplimente, die Vermittler erhalten können. Mit den BVK-Junioren haben wir beim Verband ein Forum für junge Vermittler für Netzwerken, Kommunikation und Austausch geschaffen. Das wird von den inzwischen 650 Junioren rege genutzt. Dazu zählen Online-Meetings und Whatsapp-Gruppen ebenso wie eine eigene Junioren-Tagesordnung während unserer Jahreshauptversammlung – und auch eine eigene Party auf dieser Veranstaltung.

Vielen Dank für das Gespräch. (dpo)


Ein ausführliches Interview mit Michael H. Heinz finden Sie in Ausgabe 4/2023 von FONDS professionell, die Ende November erscheint.